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„NAUS ZUM CLUB“

(Hochdeutsch: Wir besuchen ein Heimspiel des 1. FC Nürnberg)

Regen am Wochenende war gut. Sonnenschein dagegen die reinste Katastrophe. Klingt seltsam? Lassen Sie es mich erklären: Bei schöner Witterung stand ein gemeinsamer Familienausflug auf der Tagesordnung – Pilze suchen im Nürnberger Reichswald nahe Altdorf. Auch an sonnenverwöhnten Tagen im Januar warteten endlose Spaziergänge, nur eben ohne Schwammerl zu entdecken, auf mich fränkischen Dreikäsehoch. Prasselte jedoch bindfadenstarker Regen aufs leicht verbeulte Heck unseres beigefarbenen Opel Kadetts, blieb der Wagen vorm Reihenhaus am Nürnberger Stadtrand stehen, und ich bekam frei. Wenn meine Mutter kopfschüttelnd, aber lächelnd nickte und der Vater das linke Auge verschmitzt zusammenkniff, hieß das für mich: Naus zum Club! Ein Club kann für den Normalsterblichen vieles bedeuten. Ging ich etwa im Südstadtbad neben der Gustav-Adolf-Gedächtniskirche als ambitionierter Pennäler im Schwimmclub kraulen oder eröffnete ich ganz intellektuell Spanisch im Schachclub Schwarz-Weiß Nürnberg Süd von 1911?

Nein! Für mich gab und gibt es bis heute nur einen Club: den 1. FC Nürnberg. Und nicht nur für mich. Auch die besten Kumpels tanzten an diesem ungemütlichen Samstag durch die Regentropfen zum vereinbarten Treffpunkt an der Münchner Straße. Sie waren wie ich den familiären Klauen eines geselligen Beisammenseins entronnen – statt am Schmausenbuck eingesperrte Tiere angucken oder alternativ in der Breiten Gasse Schuhe kaufen, ging’s also ins Städtische Stadion.

Von links aus der Rankestraße mit den höheren Hausnummern (die etwas edlere Gegend für die Großkopferten) trottete Robert, wie immer den neuesten Fanschal um den Hals, einen anderen um die Hüfte und den dritten nicht minder exklusiven ums Handgelenk gebunden, heran. Ich war immer ein wenig neidisch auf ihn, da mein „Clubschmuck“ von Oma Berta in mühevoller Handarbeit gestrickt war. Großmutter war ziemlich dem Grauen Star zum Opfer gefallen. Dementsprechend niederschmetternd sah das Endprodukt auch aus. Und Großmutter ließ es sich nicht nehmen, den Schal auch noch zu bügeln. Dabei ermutigte sie mich stets mit den Worten: Der Club und du haben das Recht zum Funkeln.

Mit der Tram kam Matthias (Matschi) und stieg am Platz der Opfer des Faschismus aus (welch eindrucksvoller Name für eine schnöde Haltestelle im Glasscherbenviertel) und brüllte ein im Moment noch völlig sinnloses „Hier regiert der FCN!“ zur Begrüßung zu uns rüber. Und wir antworteten mindestens genauso hirnverbrannt: „Keiner wird es wagen, unseren Club zu schlagen!“

Fast immer etwas zu spät radelte Bibbers (kaum einer kannte seinen richtigen Vornamen) über den Hasenbuck. Er transportierte die Kutten auf seinem Gepäckträger. Seine Klingel, auf der mit Edding „fCn“ gekritzelt stand, schrillte. Warum Bibbers das f und das n klein und das C groß geschrieben hatte, hat er uns trotz Nachfrage nie erklärt. Heute arbeitet er in der Nürnberger Kunsthalle, also weilte wohl bereits in frühen Jahren ein intellektueller Clubberer in unseren aus der Arbeiterklasse rekrutierten Reihen. Wir sprangen wie immer fluchend zur Seite. Während er sein klappriges Vehikel an den Fahrradständern des Neuen Gymnasiums ankettete, wedelte ich generös mit den Eintrittstickets. Denn im Nebenhaus wohnte ein Ordner vom Verein, der mich unregelmäßig mit Freikarten versorgte, weil er jemanden kannte, der wiederum jemanden vom Club kannte und der war mit jemandem bekannt, der da irgendwie rankam. Ob das alles legal ablief, war uns Pimpfen am Ende der fußballbegeisterten Nahrungskette relativ egal. Lässiges Abklatschen existierte damals noch nicht als cooles Begrüßungsritual, also gaben wir uns brav und gut erzogen die Hände. Danach warfen wir die Kutten über und fühlten uns gleich weniger brav und noch weniger gut erzogen. Ab jetzt waren wir die „bad boys “ von ganz Nürnberg, ach was, von ganz Nordbayern – jedenfalls bildeten wir uns das ein.

Vier nordbayerische Rotzbengel trotteten also singend und rumalbernd die strichgerade Schultheißallee Richtung Dutzendteich entlang. Dabei brüllten sie voller Vorfreude auf das Kommende: „Der hat schon Gelb!“ Denn eines war ja klar wie fränkische Kloßbrühe, heute kommt nur eines auf den Tisch respektive auf die Anzeigetafel: ein Heimsieg! Kleine, aber wichtige Randnotiz: Es hat geklappt – und das mit einem eigentlich „FCN-fremden“ Spektakel, 5:1 hieß es am Ende. Der Club und wir funkelten an diesem Tag um die Wette, während Oma Berta zufrieden zuhause saß, über ihr Bügeleisen strich und wissend lächelte.

Naus zum Glubb

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