Читать книгу Naus zum Glubb - Roland Winterstein - Страница 9
ОглавлениеWELCHE FARBE HAT DIE LIEBE?
Eine Frage, die sehr leicht zu beantworten ist – auch ohne Telefonjoker. Natürlich Rot-Schwarz, die Vereinsfarben meines vor über 100 Jahren gegründeten Traditionsvereins aus der Noris. Egal wo ich mich auch befinde, ich muss irgendwie in Erfahrung bringen, wie der Club gespielt hat. Ich kauerte bereits in einem Internetcafé mit morbidem Charme in Downtown New York und las folgende Schlagzeile: „Verdiente Klatsche für den Club“.
Ein anderes Mal kämpfte ich mit zu wenigen Balken auf dem Display des Handys in Bad Gastein. Doch ein Endergebnis musste her. Also schritt ich wie ein engagierter Vorwerk-Vertreter von Haustür zu Haustür. Ein Fan von Sturm Graz hatte Einsicht und gab mir den Tipp, ich sollte mein Handy ans Ortschild halten. Dort sei der Empfang angeblich am besten.
Gesagt, getan. Da hing ich nun wie ein ungelenker Turnschüler an der Stange und erfuhr: „Club erleidet Debakel“. Und Debakel ist ein wirklich lausiges Wort. Das genaue Resultat wollte ich dann gar nicht mehr wissen, und das Mobilgerät landete in einer düsteren Schlucht des dortigen Nationalparks. Denn meine Sonne schien an den Tagen des Sieges oder wichtigen Unentschieden immer ein wenig heller. Bei den (leider in der Mehrzahl) erlittenen Niederlagen saß der schmerzende Stachel im Herzen so schrecklich tief – egal in welcher Liga es auch geschah oder welcher Gegner uns mal wieder gnadenlos auskonterte. Die Trauer floss wie aus einer Quelle in Strömen über die geschundene Clubseele.
Woher rührte diese Leidenschaft? Wie hatte ich mich so in den Club verliebt? Diese Frage stellt man sich erst viel, viel später – wenn man seinen Charakter gefestigt hat oder zumindest glaubt, reifer zu sein. Als kleiner Junge zählen nur Trikots, Tore und Siege! Vergessen wir in meinem Fall die oftmals erzählte Mär mit dem Vater und der Dauerkarte, die an den Stammhalter vererbt wird. Bei uns wurde lieber in einen neuen Rasenmäher für das spärliche Grün vor dem Haus investiert. Aus dem Franken-Center gab es ein Bonanzarad anstelle einer Jahreskarte – zu allem Überfluss auch noch in strahlendem Hellblau. Löwenfarbe! Pfff.
Was mich bis heute beinahe zärtlich an diesen Verein bindet, ist wohl jene Normalität, diese tief verankerte „clubberische“ Hingabe, so ein wohlig warmes Gefühl, das über der ganzen Stadt und der Region schwebt und immer irgendwie da ist, sich nie endgültig verflüchtigt. Auch nicht bei Niederlagen in Serie oder dem obligatorischen Chaos in der kaufmännischen Bilanz. Man atmet diese nicht zu greifenden rot-schwarzen Schwaden ein und wird ein kleiner Teil vom großen Ganzen dieser enorm großen und doch so unterschiedlichen Clubfamilie, die bei genauerer Betrachtung überhaupt keine Familie ist, sondern ein wild zusammengewürfelter Haufen leidenschaftlicher Menschen, eine wuchtige Masse, eine Bastion an Zusammenhalt, auch mal nur ein loser Zusammenschluss stimmgewaltiger Streitkräfte, dann plötzlich ein immens fester rot-schwarzer Bund fürs Leben und letztendlich doch wieder so was wie eine schrecklich schöne Familie. Und wollte ich diese verrückte Gemeinschaft ganz pathetisch ausdrücken, klänge das wohl so: die Clubberer – ein unfassbares Wunder!