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Klugscheißer

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Wenn etwas betrüblich ist im Leben, dann der oft gravierende Unterschied zwischen Theorie und Praxis. Beim Üben des Verkaufsgesprächs hast du zwar nachgewiesen, dass du dich wie ein richtiger Tiger selbst in einem stinkenden Umfeld erfolgreich anschleichen kannst. In der Realität hilft dir das leider nicht weiter. Denn es ist nicht Dreck, der einen Kunden eklig macht, es sind seine dreckigen Fragen. Manche Leute spielen sich auf, als ob sie alles wüssten und alles wissen müssen.

Aber auch an diese Personen sollst du verkaufen, selbst diese Menschen bedürfen dei-ner Liebe. Es ist leider so, dass sich niemand seine Kunden aussuchen kann. Das hatte sogar Walter Ulbricht festgestellt, der bis 1971 als Erster Sekretär des SED-Zentralkomitees der oberste Sozialismus-Verkäufer in der DDR war. Von ihm stammt der Ratschlag an seine Getreuen, den Sozialismus mit den Menschen aufzubauen, die da sind. Der Vertrieb von Finanzprodukten ist ebenalls nur an reale Personen möglich. Und das sind, wie schon Ulbricht erleben musste, oft schwierige Kunden. Deshalb lässt Fürst Pechmeider auch noch das Gespräch mit Herumnölern trainieren.

Ihr nehmt mal an, ihr sitzt bei einem Klugscheißer im Wohnzimmer. „Solche Leute“, sagt Pechmeider, „erkennt ihr daran, dass sie sich die Unterlagen des angebotenen Immobilien-Fonds genau anschauen.“ Der Mann ist ein Provokateur, deshalb will er wissen, warum die schriftlichen Angaben zur Anleger-Rendite viel verschwommener sind als die mündlichen. Ruhig bleiben! Natürlich sind die Abschlussgebühren das einzig Sichere an dem Vertrag. Das müsst ihr aber nicht hinausposaunen. Um Himmels Willen, kein Wort darüber, wie wenig ihr über die Zukunft wisst. Die ganze Zunft der Banker, Finanz- und Versicherungsmakler hat keinen blassen Schimmer von dem Scheiß, der in einigen Jahren sein wird. Während sich Meteorologen immerhin für einige Tage im voraus Prognosen zutrauen, wissen Börsianer oft nicht einmal, was die nächste Stunde bringt. Auch über dem Schicksal von Immobilien-Fonds liegt ein dicker Nebelschleier.

Was lehrt euch das? Haltet den Schnabel, wenn es um die Zukunft geht, prahlt mit der Vergangenheit, rät Fürst Pechmeider. Bisher läuft der von dir angebotene Fonds recht gut. Das darfst du reinen Gewissens behaupten, denn es gibt ihn noch nicht lange. Also, der Fonds hat sich bewährt. Ist es falsch, an Bewährtem festzuhalten? Dagegen kann der Klugscheißer nichts sagen, da bleibt ihm die Spucke weg. Störrisch, wie er ist, rafft er sich aber gleich wieder auf. Er findet deine Empfehlung dämlich, für den Kauf des Immobilien-Fonds einen Kredit aufzunehmen. Da fallen doch Zinsen an, die den versprochenen Gewinn schmälern.

„Achtung!“, brüllt der Fürst. „Jetzt ist eure zweite Provision, die von der Bank, in Ge-fahr.“ Glücklicherweise hat die Regierung aber den Vertriebsleuten geholfen, indem sie den Immobilienerwerb steuerlich begünstigste. Der Klugscheißer kann also seine Zinsen steuer-lich geltend machen. Pech hast du nur, wenn bei ihm nicht genug Steuern anfallen. Grauen Mäusen, die nicht genug verdienen und daher wenig Steuern zahlen, kann der Staat auch keine steuerliche Entlastung schenken. Hier droht das Verkaufsgespräch zu scheitern, denn hier wäre auch für dich nichts zu holen. Manche Intellektuelle sind ziemlich arm. Das zeigt, dass es sich nicht um wirklich Kluge, sondern eben um Klugscheißer handelt.

Der gute Steuerzahler-Kunde indes bäumt sich noch mal auf. Angesichts der vage for-mulierten Aussagen zur Rendite befürchtet er, nicht nur die Zinsen, sondern auch die Inflationsrate könnte seinen Gewinn auffressen. Jetzt bitte nicht für den Kunden sichtbar auf-schrecken, sondern stattdessen die gerichtsfest nichtssagende Formulierung im Vertragstext mündlich noch mal in eine ganz fette Rendite verwandeln. Schließlich kommst du von „Pech-meider“. Und bei dem liegt das Innovative stets im Mündlichen. Nun zeigst du die Pyramide. Vor so einem großen Bauwerk kapitulieren sogar die Intellektuellen. Die Bevölkerungs-Pyramide wird zur Provisions-Pyramide.

Aus dem bösen Wirtschaftsleben

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