Читать книгу Aus dem bösen Wirtschaftsleben - Rolf Anton Bartonek - Страница 6
Scheiße gebaut
ОглавлениеDeine Frau weiß das schon lange. Und du trittst auch schnell einen neuen Beweis dafür an. Du hast mal wieder Scheiße gebaut und die falschen Rohlinge bestellt. Jetzt sind die Bohrun-gen zu klein, und alle müssen nacharbeiten. Das kostet Zeit und Geld. Die Suche nach dem Schuldigen hat begonnen. So blöd ist der Chef nun auch wieder nicht, er wird dich bald im Visier haben. Eine Abmahnung ist fällig, vielleicht sogar eine Versetzung zu den Ma-schinenputzern, selbst eine Entlassung liegt im Bereich des Möglichen.
Jetzt musst du umsichtig agieren, viel umsichtiger als bei der Materialbestellung. Überleg doch mal, wer außer dir noch schuld sein kann an der Misere. Nimm dir ein Beispiel an der Politik. Dort ist auch nie jemand zuständig, wenn etwas schief läuft. Sitzen etwa die Verantwortlichen an der Finanzkrise oder die (T)Euro-Konstrukteure hinter Schloss und Rie-gel? Was? Bei dir in der Firma sind die Pflichten viel eindeutiger verteilt? Naja, so geht es eben den kleinen Leuten. Pech gehabt.
Aber irgend etwas wirst du doch machen können. Konzentriere dich erst mal auf das Computerprogramm. Software ist immer scheiße. Du hast garantiert die richtigen Daten eingegeben. Aber diese Elektronik spinnt wieder mal, die hat die Zahlen von vorgestern mit denen von heute verwechselt. Kannst du nichts dafür, darf der Chef eben nicht immer so billige Programme kaufen. Der arme Mann lebt teuer.
Still. Vermeide solche Sätze. Der arme Mann bist vorerst du. Wenn du das mit dem Com-puter nicht hinkriegst, kannst du einem wirklich leid tun. Vielleicht liegt der Fehler ja auch bei anderen Personen. Jemand muss dir doch mitgeteilt haben, welche Rohlinge du bestellen sollst. Wenn der das nicht schriftlich gemacht hat, bist du fein raus. In so einem Betrieb gibt es haufenweise Kommunikationsprobleme. Jemand sagt „muh“, und alle verstehen „mäh“. Zu diesem Thema haben schon etliche Politiker ihre Dissertationen abgeschrieben. Die Ein-deutigkeit der Sprache ist ein Problem, mit dem sich dein Chef mal beschäftigen müsste.
Gesetzt den Fall, das mit dem Computer klappt nicht und außerdem hat dich dein Auf- traggeber schriftlich festgenagelt: Kann es sein, dass eine dritte Person in deinem Zimmer war? Schließlich hast du ausgiebig Mittagspause gehalten, dein Computer war an und das Zimmer nicht verschlossen. Das darf zwar nicht sein, ist aber nicht ganz so schlimm wie falsche Rohlinge bestellen. Allerdings, wenn du auf der Manipulation deines Rechners beharrst, dann wird die Lage sehr ernst. Das riecht dann nämlich nach Sabotage. In solch einem Fall wird besonders gründlich nachgeforscht. Günstig ist das nicht.
Eine gute Ausrede zu finden, ist so ziemlich das Schwierigste auf der Welt. Jetzt schlurft dein Chef schon den Gang entlang. Gleich ist er da. Warst du nicht mal in der Laienspielgruppe? Was habt ihr alles für Blödsinn auf die Bühne gebracht. Wie wäre es jetzt mit einem kleinen Zusammenbruch? So ein bisschen Herzinfarkt? Da kann der Chef nicht herumtoben, da muss er sich kümmern. Vielleicht denkt er sogar, dass du dich schon tagelang krank herumschleppst, um im Betrieb deine Aufgaben zu erfüllen. Bestimmt konntest du in deinem Zustand die Rohlinge gar nicht mehr voneinander unterscheiden.
Was macht man mit so einem pflichtbewussten Menschen? Der Chef wird hin- und her-gerissen sein – und dann wahrscheinlich überhaupt nichts machen. Wer schwerkrank in treuem Arbeitseifer Fehler begeht, der darf auf Milde hoffen. Nebenbei sieht der Chef auch gleich, was er angerichtet hat mit seinem ewigen Kostensenkungs- und Produktivitätswahn. Arbeitshetze, Stress, Krankheit, Fehler, Nacharbeit, erhöhte Kosten bei Produktivitätsverlust, das ist die verheerende Handlungskette. Vielleicht gibt das dem Chef einen wichtigen Denk-anstoß, etwa in der Art: Langsamer arbeiten ist profitabler.
Wenn er das endlich begreift, würden sich alle deine Kollegen sehr freuen. Und du hast mit der Scheiße, die du gebaut hast, die Grundlagen dafür geschaffen.
Wutauslöser
Wenn der Chef die Stirn in Falten zieht, sein Blick schärfer wird, die mit Zornesröte leicht gefärbten Wangen zucken, wenn es schnaufend aus seinen Nasenlöchern zischt und sich seine Hände zu Fäusten ballen – dann stehst du vor ihm und bittest um eine Gehaltserhöhung. Fürchte dich nicht, er wird trotz dieses Wutauslösers nicht beißen. Wissenschaftler haben längst herausgefunden, dass bestimmte Abwehrreaktionen den Chefs angeboren sind. Dein Herr kann also nichts dafür, wenn er sich über deine Dreistigkeit ärgert.
Und dreist ist deine Forderung allemal. Der Chef wird dir das vorrechnen: Das Jahr hat 365 Tage oder 8760 Stunden. Pro Tag schläfst du acht Stunden und hast mindestens acht weitere frei. Im Betrieb machst du außerdem täglich eine Stunde Pause. Eine weitere Stunde verquatschst du mit Kollegen, sitzt auf dem Klo oder surfst auf Kosten des Unternehmens privat im Internet. Das ergibt pro Tag 18 unproduktive Stunden oder 6570 im Jahr. Bleiben also 2190 Stunden. Zu berücksichtigen sind außerdem 52 Tage, die auf Wochenenden fallen sowie wenigstens neun Feiertage. Das macht 61 mal 24, also insgesamt 1464 Stunden. Deine Arbeitszeit reduziert sich folglich auf 726 Stunden. Drei Wochen bist du krank, das addiert sich zu 504 Stunden. Es verbleiben 176 Stunden oder etwas über sieben Tage, an denen du wirklich arbeitest. Und dafür willst du auch noch mehr Geld?
Nach dieser Frage hilft es dir nicht weiter, wenn du andere Gefühle hast. Du glaubst in deinem Wahn, dass du öfter im Betrieb bist. Es kommt dir sogar ziemlich häufig vor, auch wenn dein Chef behauptet, dich nur an sieben Tagen gesehen zu haben. Mit subjektiven Ein-drücken kommst du gegen Leitungs-Mathematik nicht an. Außerdem hat dein Chef ebenfalls Gefühle. Und die sagen ihm, dass du mit den sieben Tagen eigentlich gut bedient bist. Naja, vielleicht warst du ein paar mal außer der Reihe da. Aber insgesamt machst du ihn garantiert nicht reich.
Im Gegenteil: Du bist ein gewaltiger Kostenfaktor. Die Inder zum Beispiel, die sind viel billiger. Auch Chinesen verhalten sich genügsam. Was für ein arbeitsames Volk! Dir dagegen muss der Chef andauernd erklären, wie schwer das ist auf so einem Weltmarkt. Du solltest froh sein, dass du überhaupt noch Arbeit hast. Selbst ein schlecht bezahlter Job ist besser als Arbeitslosigkeit. Wenn du sonst gar nichts hast, hast du wenigstens Arbeit.
Der Chef selber kriegt etwas mehr als gar nichts. Kein Wunder, der arbeitet ja auch wie ein Teufelchen. Manchmal ist er sieben Tage rund um die Uhr unterwegs. Das macht 168 Stunden hintereinander. Das ist schon fast deine Jahresleistung. Fang jetzt nicht an zu strei-ten. Besserwisser und Nörgler würde der Chef am liebsten auf den Mond schießen. Denn sie bringen das Unternehmen auf der Erde nicht voran. Generell solltest du bezüglich der Mathematik deine Klappe halten. Willst du nun mehr Geld oder willst du deinen obersten Vorgesetzten belehren?
Am besten, du zeigst dich reuevoll. Von den Zahlen hast du bisher nichts gewusst, und auf dem Mond gefällt es dir auch nicht. Es hat dich überrascht, mit welchen Schwierigkeiten dein Chef zu kämpfen hat. Ach was heißt überrascht! Fasziniert hat es dich, wie er trotz der hohen Kosten das Unternehmen sicher durch die Widrigkeiten des Weltmarktes steuert. Du verspürst große Dankbarkeit, unter solch einer guten Führung arbeiten zu dürfen. Eigentlich bist du mit deinem Gehaltswunsch nur vorstellig geworden, um bei einem Genie etwas abzustauben.
Wenn du großes Glück hast, ändern sich mit dem Wort „Genie“ die Gefühle des Chefs für dich. Dein Anblick erweckt in ihm dann nicht mehr Leid, sondern Mitleid. Vielleicht kommt er zu dem Schluss, dass so ein armer Trottel wie du auch leben muss. Und dann ist alles möglich, sogar eine Gehaltserhöhung.
Gogol oder Heul-Bar