Читать книгу Aus dem bösen Wirtschaftsleben - Rolf Anton Bartonek - Страница 5
Der blöde Chef
ОглавлениеDein Chef ist ein Idiot? Halt bloß den Mund! Der darf nicht mal ahnen, dass du so etwas denkst. Schon der leiseste Verdacht wäre tödlich. Du willst doch auch mal ein Häuschen bauen und ein Auto kaufen. Deine Frau stellt gewisse Ansprüche ans Leben, und Urlaub machst du richtig gern. Außerdem wird alles teurer. Glaubst du wirklich, dass sich deine Vorstellungen von einem guten Leben mit schlechten Gedanken über deinen Chef vertragen?
Nehmen wir mal an, er ist wirklich blöd. Kommt ja vor. Na und? Ist doch Privatsache. Der Chef darf alles und natürlich alles sein. Oder etwa nicht? Diese ewige Besserwisserei bringt dich garantiert nicht weiter. Stattdessen brauchst du positive Gedanken. Positive! Weißt du überhaupt, was das ist? Betrachte es doch mal von der günstigen Seite: Wenn jemand so viel Verantwortung trägt wie dein Chef, dann ist Dummheit etwas Außerge-wöhnliches.
Dein Chef ist also außergewöhnlich. In jeder Hinsicht. Alles, was er sagt, fällt aus dem Rahmen. Auf so was wärst du nie gekommen. Das darfst du ihm ruhig kundtun. Aber Vor-sicht, nicht zu plump. Du sollst schon schmeicheln, dein Chef erwartet das. Er ist in dieser Hinsicht sensibel wie eine Frau. Nur beachte gefälligst: Beide legen Wert auf glaubwürdige Unterwerfung. Sätze wie „Wenn Sie wüssten, wie recht Sie haben!“ bringen auf Dauer nichts. Denn der Chef weiß sowieso, dass er recht hat.
Von seinen Untertanen verlangt er mehr als bloßes Nachplappern. Logisch, wozu sonst bezahlt er all diese Dilletanten? Das viele Geld könnte er auch anderweitig einsetzen und es beispielsweise auf den Malediven verprassen. Aber nein, er plagt sich mit euch herum. Damit ihr was zu beißen habt, ihr undankbares Volk. Dafür könntet ihr ruhig ein bisschen nachden-ken. Für dich kommt es also darauf an, die Aussagen des Chefs nicht nur zu bestätigen, son-dern sie gleichzeitig intellektuell anzureichern. Der Chef muss sich darüber freuen können, was er gesagt hat.
Ein einfaches Beispiel: Dein Chef hasst Querulanten. Deshalb will er keinen Betriebsrat. Du greifst seine Idee auf und erklärst, dass ein Betriebsrat unötig ist bei so einem guten Chef, der stets die wirtschaftliche Gesamtlage und die Arbeitsplätze im Blick hat. Du machst also aus einer ungesetzlichen generellen Ablehnung eine auf den Einzelfall zugeschnittene konkrete, verbunden mit einer Brise Dankbarkeit. Mit dieser Korrektur ist dein Chef in der Öffentlichkeit tolerierbar, und diese Sozial-Faulenzer haben trotzdem verstanden, was die Stunde geschlagen hat.
Bei so einer Grundhaltung wird das eher was mit deinem Häuschen, deinem Auto, deiner anspruchsvollen Gemahlin und deinen Urlaubsreisen. Aber pass auf, was du bei deiner Rede für eine Grimasse ziehst. Dein Chef darf um Himmels Willen niemals den Verdacht schöpfen, dass du etwas nicht so meinst, wie du es sagst. Gelächter auf seine Kosten, das wäre dein sofortiger Untergang. Du würdest schneller absaufen als die Titanic. Andererseits darfst du beim Beipflichten auch nicht dreinschauen wie ein Trottel. Versetz' dich doch mal in die Lage des Chefs: Wie steht er in der Öffentlichkeit da, wenn ihm zuallererst immer ein Trottel zustimmt?
Also rein mit dir ins Schlafzimmer, und hin vor den großen Spiegel. Üben, üben, üben. Sprich tausend-, besser zehntausendmal den Satz: Mein Chef ist der klügste Mensch auf der ganzen Welt. Du wirst sehen, am Anfang lachst du dabei noch wie wild, dann grinst du eine Weile. Aber später, mit wachsender Erschöpfung vom lauten Wiederholen dieses Satzes, wirst du ernster und ernster. Der Satz gräbt sich in jede Furche deines Hirns und formt sich schließlich zum zentralen Betriebssystem in deinem Schädel. Erst jetzt vermagst du die Außergewöhnlichkeit deines Chefs voll zu begreifen und erkennst, wer tatsächlich der Trottel ist: Er steht vor dem Spiegel.