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Genie auf Jobsuche

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Die anderen Firmen brauchen aktuell eigentlich keine neuen Leute. Am wenigsten geholfen wäre ihnen mit dir. Es sind vor allem die Neugier und die Schadenfreude der Konkurrenten, die dir zu Vorstellungsgesprächen verhelfen. Schließlich wundert sich die ganze Branche, wie es möglich war, die Perspektiven eines ehemals gesunden Unternehmens so nachhaltig zu versauen. Das ist doch nicht einfach. Wie zum Teufel habt ihr das nur geschafft?

Jetzt musst du wieder sehr aufpassen, denn die Frage ist mit einem heimtückischen Lä-cheln verbunden. Dahinter verbirgt sich arrogantes Händereiben. Zugleich will die Bande einige Dinge herausfinden. Worüber seid ihr gestolpert und wie lässt sich solche Blödheit am besten vermeiden? Ein wenig werden denen ja auch die Hosen feucht bei dem Gedanken, es könnte sie selbst einmal erwischen. Unausgesprochen interessiert es die Herrschaften ferner, ob es außer deinem großen Chef und dir noch mehr Trottel gibt in der untergehenden Firma, vor denen sich die übrigen Unternehmen hüten müssen.

Du hast natürlich keine Ahnung, wie sich Blödheit vermeiden lässt. Aber das ist im kon-kreten Fall nicht ganz so schlimm. Denn die großen Chefs der anderen Firmen erwarten von dir als einem kleinen Chef eine große Loyalität zu dem Mann, dem du bisher unterstellt warst. Vom persischen König Xerxes ist überliefert, dass er einen Griechen, der seinen Herrn an ihn verriet, hinrichten ließ. Die Majestäten lieben den Verrat, nicht den Verräter.

Du brauchst also die Frage nach der Blödheit nicht so gezielt beantworten. Das würde so-gar deine letzten Hoffnungen zerstören, eventuell doch noch Sympathie zu ernten. Außerdem ist das Urteil über euer mieses Management ohnehin gefällt. Es bleibt nur noch ein wenig un-klar, wie sich die Dummheit prozentual auf die einzelnen Verantwortlichen verteilt. Du stehst also unter einem schlimmen Verdacht, den du irgendwie von dir abwälzen musst, sonst kannst du dich künftig höchstens als Müllkutscher bewerben.

Wichtig ist, dass du jetzt vielsagend lächelst. Dabei musst du den Kopf leicht senken, damit es nicht überheblich, sondern demütig und ein wenig resigniert wirkt. Damit sym-bolisierst du, dass dir schon immer genau bekannt war, wie sich der ganze Schlamassel hätte abwenden lassen. Dann sprich über deinen Herrn. Aber, wie gesagt, ohne jede vordergrün-dige Kritik.

Lobe ihn. Lobe ihn von Herzen, aber vernichtend: Er ist ein Mann von überragender Menschlichkeit, dem es außerordentlich schwer fällt, einmal nein zu sagen. Für so einen guten Menschen ist die Welt viel zu schlecht. Dir tut es in der Seele leid, dich von ihm trennen zu müssen. Leider haben sich deine Befürchtungen bestätigt, dass Gutmenschentum und wirtschaftlicher Erfolg miteinander auf Kriegsfuß stehen.

Wenn es dir gelingt, das in etwa so rüberzubringen, steigen deine Chancen auf einen gut dotierten neuen Job erheblich. Du warst loyal, hast deinen Chef gepriesen, dich aber gleichzeitig von ihm abgehoben. Nein, du bist nicht der trottelige Gutmensch, du bist ein harter Wirtschaftskerl, der den Erfolg sucht. Du hast natürlich gesehen, was da alles schief- läuft. Aber wie große Chefs nun mal so sind, sie wollen alles alleine bestimmen.

Sobald deine Gegenüber das geschluckt und verinnerlicht haben, schickst du noch einen Schmatzer hinterher. Betone, wie sehr du die Firma, bei der du dich bewirbst, bewunderst. Die Produkte, das technische Know-how, alles eine Augenweide und genau deine Kragen-weite. Kaum vorstellbar, dass es Kunden geben könnte, die da nicht zugreifen. Es würde dir eine Ehre sein, in solch einem herausragenden Unterenehmen Verantwortung zu tragen.

Nach dieser Rede verliert das Lächeln deiner Prüfer seine Heimtücke. Sie denken jetzt, dass sie dich vielleicht zu unrecht vorverurteilt haben. In ihren Augen bist du vom Trottel auf Arbeitssuche zum brauchbaren Kerl auf der Suche nach einer neuen Herausforderung mutiert. Die ahnen ja nicht, dass es vor allem für sie eine Herausforderung werden wird, mit dir zu arbeiten.

Feinde und Offensiven

Obwohl du in der neuen Firma ziemlich weit unten beginnst, prüfen erst mal alle, ob du ihnen gefährlich werden kannst. Das ist wie in der Politik: Ein SPD-Mann findet seine persönlichen Feinde nie in der CDU. Denn deren Mitglieder können ihn auf der Karriereleiter nicht überholen. Solch ein widerliches Verhalten ist nur bei den eigenen Leuten denkbar. Der große Kampf findet also innerhalb einer Partei und weniger zwischen den politischen Fronten statt. So ist es auch in der Wirtschaft.

Als du noch bei der Konkurrenz warst, hättest du mit etwas mehr Intelligenz deinem jet-zigen Betrieb nur in seiner Gesamtheit schaden können. Nun bist du für jeden einzelnen Mitarbeiter im Kampf um gute Posten ein Widersacher. Für dich spricht, dass dein Ex-Unternehmen pleite macht. Aber das reicht nicht aus, deine neuen Kollegen von deiner Harmlosigkeit zu überzeugen. Du bist mal wieder in einer schwierigen Position. Dein jetziger Chef erwartet von dir Ideen. Dafür hat er dich eingestellt. Bei allen anderen Mitarbeitern wirst du nur punkten, wenn du überhaupt keine Ideen hast, nichts verändern willst und auch sonst in keiner Weise positiv auffällst.

In deren Erwartungsprofil passt du natürlich haargenau hinein. Es ist aber wichtig, dass der Chef das nicht gleich merkt. Noch setzt er Hoffnungen in dich. Irgendwie musst du die Probezeit überstehen. Am besten, du sagst möglichst wenig. Es ist günstig, wenn du den Bescheidenen mimst, der sich alles erst einmal gründlich ansehen will. Gucken darfst du, reden nicht. Deinen Kollegen wird das gefallen. Und beim Chef gehst du schweigend vielleicht sogar als großer Denker durch. Reden kann dagegen sehr entlarvend sein. Es ist unverzeihlich, in der Probezeit dummes Zeug zu schwätzen. Später bist du besser geschützt.

Allmählich kriegst du mit, was der Chef so für Vorstellungen hat. Die musst du dir zu eigen machen. Es bleibt dann fast unbemerkt, wenn du selber über keine Ideen verfügst. Im Gegenteil: Es ist sogar riskant, wenn du welche hast. In den schriftlich verankerten Werten des Unternehmens wird zwar auf Kreativität größtes Augenmerk gelegt. Damit ist aber keineswegs gemeint, Gedanken zu entwickeln, die sich wesentlich von denen des Chefs unterscheiden. Nur so können schließlich alle gemeinsam an einem Strang ziehen, was ebenfalls ein wichtiger Punkt auf der Werte-Skala ist.

Der Chef beurteilt die Befähigung seiner Untergebenen danach, inwieweit sie verstehen, was er will. Oft weiß er das allerdings selbst nicht so genau. In solchen Fällen startet er eine Offensive. Das Wesentliche daran ist, dass sich eigentlich nichts verändert. Es gibt Produktoffensiven, Qualitätsoffensiven, Marketingoffensiven Kommunikationsoffensiven und allgemeine Offensiven. Der Fußballtrainer Otto Rehhagel fügte noch die kontrollierte Offensive hinzu. Du solltest deinen Chef nie vor versammelter Mannschaft fragen, ob es sich bei seiner neuesten Offensive um eine kontrollierte handelt. Er fühlt sich dann nicht ernst genommen. In seinem Schlachtplan kämst du folglich nicht mal mehr als Gefreiter vor.

Mach es wie deine neuen Kollegen. Die wissen, wie sie sich bei Verkündung einer neuen Offensive zu verhalten haben: nicht grinsen, sondern ernst dreinschauen und weitermachen wie bisher. Merke: Alle Offensiven verlaufen alle im Sande. Sie sind nichts anderes als Zuckungen einer übernervösen und ratlosen Unternehmensleitung. Der Chef glaubt, dass er mal wieder mit kämpferischen Worten gegen den Alltagstrott anrennen muss. Der Chef glaubt so manches.

Störe ihn dabei nicht, sammle lieber Punkte. Erkläre alles, was du tust und sowieso getan hättest, zum Teil der Offensive. Deine Kollegen werden zwar über dich lachen. Doch wenn es später darum geht, die nächste Sprosse der Karriereleiter zu erklimmen, wird denen das La-chen schon vergehen. Die Offensive dürfte sich dann als sehr erfolgreich erweisen. Nicht für das Unternehmen, aber wenigstens für dich.

Aus dem bösen Wirtschaftsleben

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