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Paul Schmidt, Hitlers Chefdolmetscher, berichtet, wie er am 3. September 1939 in der Reichskanzlei die britische Kriegserklärung übersetzte

Aus: Schmidt, Statist auf diplomatischer Bühne 1923–45, S. 473f.

Als ich geendet hatte, herrschte völlige Stille […] Wie versteinert saß Hitler da und blickte vor sich hin. Er war nicht fassungslos, wie es später behauptet wurde, er tobte auch nicht, wie es wieder andere wissen wollten. Er saß völlig still und regungslos an seinem Platz. Nach einer Weile, die mir wie eine Ewigkeit vorkam, wandte er sich Ribbentrop zu, der wie erstarrt am Fenster stehen geblieben war. „Was nun?“, fragte Hitler seinen Außenminister mit einem wütenden Blick in den Augen, als wolle er zum Ausdruck bringen, dass ihn Ribbentrop über die Reaktion der Engländer falsch informiert habe. Ribbentrop erwiderte mit leiser Stimme: „Ich nehme an, dass die Franzosen uns in der nächsten Stunde ein gleichlautendes Ultimatum überreichen werden“ […] Göring dreht sich zu mir um und sagte: „Wenn wir diesen Krieg verlieren, dann möge uns der Himmel gnädig sein!“

Unerwarteter Zweifrontenkrieg

Umso mehr kam es darauf an, die Kampfhandlungen auf polnischem Gebiet rasch zu beenden, jeden Widerstand rücksichtslos zu brechen und die Bildung einer Untergrundbewegung in Polen nach historischen Vorbildern zu verhindern. Dadurch wurde die Wehrmacht frei, um durch einen Aufmarsch an der Westgrenze die an sich kritische Zweifrontensituation zu entschärfen und vielleicht doch noch eine Verständigung mit den Westmächten zu erreichen. Es hatte ein europäischer Krieg begonnen, der sofort globale Konsequenzen zeigte (Kriegserklärung der britischen Dominions und Kolonien). Da aber die beiden Flügelmächte USA und UdSSR neutral blieben, gewann dieser Krieg militärisch noch keine weltweiten Dimensionen.

Wehrmacht ist zum Weltkrieg nicht gerüstet

Eine „Blitzkriegs-Armee“ war die Wehrmacht zu diesem Zeitpunkt nicht. Deutschland hatte 4,6 Millionen Mann mobilisiert. Von den 103 Divisionen des Feldheeres sicherte knapp die Hälfte (43 Infanteriedivisionen) die Westgrenze, gestützt auf den notdürftig vollendeten Westwall mit seinen Bunkerlinien, die vom Saargebiet bis zur Schweizer Grenze reichten. Für die Risikophase von etwa vier Wochen waren 55 Großverbände, darunter alle 4 Panzerdivisionen, im Osten gebunden. Die französische Armee hatte etwa gleich starke Kräfte mobilisiert (5 Millionen Mann mit 94 Divisionen), die in der Deckung der gigantischen Maginot-Linie aufmarschierten. Ihre Schlagkraft war nicht geringer als die deutsche, doch fehlte es in Paris an der Entschlossenheit, der Wehrmacht entgegenzutreten. Mit dem Eintreffen des britischen Expeditionskorps wurden weitere 400.000 Mann gegen die Deutschen in Stellung gebracht, ein Drittel der in Großbritannien 1939 mobilisierten Kräfte (1,3 Millionen Mann). Polen schickte ebenfalls 1,3 Millionen Mann ins Feld.

Die britische Stärke lag in der Flotte. Gegen ihre 15 Schlachtschiffe (plus 7 französische) konnte die deutsche Kriegsmarine unter der Führung des Großadmirals Erich Raeder lediglich 2 Schlachtschiffe einsetzen. Selbst auf dem Sektor der U-Boote bestand auf Seiten der Alliierten eine Überzahl. Diese hatten vor Görings Luftwaffe einen übertriebenen Respekt, was vom Zahlenverhältnis her aber nicht gerechtfertigt war (4093 Frontflugzeuge gegen 3195 auf britisch-französischer Seite). Angesichts der fieberhaften Rüstungsbemühungen der Westmächte, die von amerikanischer Seite unterstützt wurden, war in diesem Bereich zudem eine rasche Verbesserung zu erwarten.

Westmächte opfern Polen

Um ihre Kräfte für den zu erwartenden Zusammenstoß mit der Wehrmacht zu erhalten, entschlossen sich die Alliierten, entgegen ihrer Zusage an die Polen keinen massiven Angriff gegen den deutschen Westwall zu führen. Die tapfer kämpfende, technisch aber hoffnungslos veraltete polnische Armee wartete vergeblich auf die versprochene Entlastung aus dem Westen. Ihr Defensivkonzept einer linearen Rundumverteidigung erwies sich als illusionär. Nur wenigen Truppen gelang es, sich hinhaltend kämpfend auf das Zentrum, die Festung Warschau, durchzuschlagen. Hier wollte man sich behaupten, bis ein alliierter Angriff im Westen die Deutschen zum Abzug ihrer stärksten Verbände zwingen würde. Doch stattdessen fiel ab 17. September die Rote Armee den Polen in den Rücken.

Warschau kapitulierte nach mehr als zweiwöchiger Belagerung am 27. September, nachdem schwere Luftangriffe den Widerstandswillen der Verteidiger gebrochen hatten. Am 6. Oktober ergaben sich die letzten Truppenteile. Etwa 90.000 Mann konnten über Rumänien ausweichen und schlossen sich den französischen Streitkräften an. Sie bildeten den Kern einer neuen Armee, die von der polnischen Exilregierung unter General Władyslaw Sikorski in London aufgestellt wurde.

Die Roten Armee sichert Stalins Beute

Die in Ostpolen dislozierten Reservearmeen gerieten zumeist in sowjetische Gefangenschaft. Lange hatte Berlin Stalin zum Eingreifen gedrängt, um eigene Truppen für die Verlegung nach Westen freizubekommen. Als die Rote Armee mit dem Einmarsch in jene Gebiete begann, die Hitler Stalin als sowjetisches „Interessengebiet“ zugesichert hatte, tolerierten die Westmächte diesen Schritt, obwohl sie im März den Bestand Polens garantiert hatten. Sie wollten es nicht riskieren, durch eine Kriegserklärung an das verhasste Stalin-Regime ihre strategische Position noch weiter zu verschlechtern. Das „unnatürliche“ Bündnis zwischen Hitler und Stalin konnte nicht von langer Dauer sein.

Stalin zögerte nun nicht mehr, sondern wollte Schritt für Schritt auch andere Nachbarstaaten unterwerfen, die ihm Hitler ausgeliefert hatte. Unter massivem diplomatischem Druck zwang er die baltischen Republiken, der Einrichtung von sowjetischen Stützpunkten zuzustimmen. Dann wandte er sich gegen Finnland, das sich seinen Gebietsforderungen in Karelien verweigerte. Im finnisch-sowjetischen Winterkrieg erlitt die weit überlegene Rote Armee, die hier 1,2 Millionen Mann mit 3000 Panzern einsetzte, schwere Verluste gegen die rund 200.000 finnischen Soldaten. Nur mit Mühe konnte Moskau der finnischen Regierung unter Marschall Mannerheim am 13. März 1940 einen Annexionsfrieden aufzwingen. Finnland verlor 10 Prozent seines Territoriums und musste 400.000 Flüchtlinge aus Karelien aufnehmen.

Das Schicksal Polens blieb nicht lange unklar. Erneute Verhandlungen Ribbentrops in Moskau führten am 28. September 1939 zum deutsch-sowjetischen Grenz- und Freundschaftsvertrag. In verschiedenen Zusatzprotokollen, Briefen und Erklärungen wurden weitere Gebietsfragen und politische Probleme geklärt. Die Diktatoren teilten Polen gleichmäßig untereinander auf.

Massenmord und sowjetisches Okkupationsregime

Das härteste Schicksal erlebten zunächst die Menschen im sowjetischen Besatzungsgebiet. Die Sowjetisierung wurde als Klassenkampf organisiert, dem die bürgerlichen Eliten, vorwiegend polnischer Nationalität, zum Opfer fielen. Weil auch Stalin keine offizielle Kriegserklärung ausgesprochen hatte, wurden die entwaffneten polnischen Soldaten als Verbrecher behandelt und in Straflager deportiert. Offiziere, Geistliche, Gutsherren und andere „Klassenfeinde“ ermordete der NKVD. Katyn wurde später zum symbolischen Ort für diesen Massenmord, den die sowjetische Propaganda 50 Jahre lang leugnete. Die Gräber waren bereits 1943 von den Deutschen entdeckt und für ihre Propaganda genutzt worden. Erst das Ende des Sowjetimperiums machte den Weg für die Wahrheit seit 1990 frei.

NS-Rassenpolitik und Annexion polnischer Gebiete

Im Zuge der territorialen Umgestaltung wurden die 1919 abgetrennten preußischen Gebietsteile dem Reich wieder einverleibt. Zusammen mit weiteren polnischen Westprovinzen bildeten sie die „eingegliederten Ostgebiete“. Den größten Zusammenschluss stellte der neue Gau Wartheland dar, der als Vorreiter für die geplante Germanisierung galt. Aus diesen annektierten Gebieten sollte die polnische Bevölkerung in verschiedenen Wellen zwangsweise vertrieben werden. Teile wurden „eingedeutscht“ und durch volksdeutsche Umsiedler verstärkt, die nach den Absprachen mit Stalin aus dessen Einflussbereich auswandern durften. Es war der Beginn einer planmäßigen Siedlungspolitik, für die das besetzte Polen zum Experimentierfeld wurde. Obwohl die Besatzungspolitik der Nationalsozialisten klaren ideologischen Vorgaben folgte, blieb sie stets widersprüchlich und wurde in den unterschiedlichen Territorien mit teils erheblichen internen Konflikten umgesetzt.

Zentralpolen wurde als „Beuteland“ betrachtet und als „Generalgouvernement“ dem Reich angegliedert. Die Regierung unter Hans Frank mit Sitz in Krakau übernahm die Aufgabe, die polnische Kultur und Nationalität zu verdrängen, die durch die Deportationen aus den annektierten Gebieten rasch wachsende Bevölkerung auf einem unteren Lebensstandard zu halten und als Sklavenarbeiter dem Reich zur Verfügung zu stellen. Gleich nach Kriegsbeginn hatte die SS begonnen, polnische Führungskräfte und Aktivisten zu ermorden sowie unsystematische Pogrome und Massentötungen an der jüdischen Bevölkerung durchzuführen. Solange es eine starke Militärverwaltung im Lande gab, kam es wiederholt zu Protesten von Befehlshabern und Soldaten. Die Heeresführung ließ sich aber von Hitler abweisen und hielt sich auffällig zurück.

Der Zweite Weltkrieg

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