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4. Vom Sitzkrieg zum Blitzkrieg

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Vorbereitung der Westoffensive

Die bisherigen militärischen Unternehmungen waren für die Wehrmacht keine ernsthaften Herausforderungen gewesen, sondern kurze Kampfhandlungen einen unterlegenen Gegner, teils sogar kampflose Besetzungen. Als Hitler im Oktober 1939 befahl, innerhalb weniger Tage den Angriff im Westen zu eröffnen, musste er zu seiner Überraschung feststellen, dass der deutsche Generalstab – anders als 1914 – über keinen vorbereiteten Plan verfügte. Die Generalität hatte nach den Erfahrungen des Ersten Weltkriegs großen Respekt vor den Briten und Franzosen. Von der Möglichkeit eines schnellen Sieges war sie nicht so leicht zu überzeugen. Hitler musste sich den Bedenken gegen ein Antreten noch im Herbst und Winter beugen. Immer wieder wurden Angriffstermine für den Fall „Gelb“ verschoben, insgesamt 29-mal.

„Sitzkrieg“

In der schwelenden Vertrauenskrise war ein möglicher militärischer Staatsstreich nicht ausgeschlossen. Dem Widerstand fehlte freilich die treibende Kraft, und die Heeresspitze hielt sich bedeckt. Die Verschiebung des Angriffs auf das Frühjahr 1940 ließ Zeit für zusätzliche Rüstungen, mit denen sich die Erfolgsaussichten verbesserten. Es war – neben den erkannten Mängeln in der Ausbildung und Ausrüstung – vor allem der geringe Vorrat an Munition, der bedenklich schien. Jetzt rächte sich die zögerliche wirtschaftliche Mobilmachung, mit der die Partei den Besorgnissen in der eigenen Bevölkerung entgegenkam. Zwischen Westwall und Maginot-Linie herrschte ein „Sitzkrieg“, der die Angst vor blutigen Materialschlachten verdrängte.

Manstein-Plan

Mit der Ernennung von Fritz Todt zum Munitionsminister unterlief Hitler die Mahnungen und Bedenken der Militärs. Ein baldiger Hochlauf der Rüstung schien gesichert. Das OKH beschäftigte sich mit Variationen des alten Aufmarsch- und Operationsplans von 1914. General Erich von Manstein kritisierte am schärfsten diesen Ansatz und hatte im Januar 1940 eine scheinbar „verrückte“ Idee präsentiert, die ihm flugs die Versetzung auf einen unbedeutenden Posten einbrachte. Er wollte mit dem rechten Flügel Holland besetzen und den Gegner dadurch verleiten, seine wertvollen beweglichen Verbände in Richtung Belgien in Marsch zu setzen. Die eigenen schnellen Divisionen sollten als „starker Sturmbock“ zusammengefasst werden, einen kühnen Stoß durch die waldreichen Ardennen führen und den Raum Arras-Boulogne erreichen. Damit wäre das alliierte Expeditionskorps von seiner Ausgangsbasis abgeschnitten. Das würde die Entscheidung bringen.

Vor allem Heinz Guderian, der sich als Panzerführer bereits in Polen einen Namen gemacht hatte, zeigte sich für die Idee aufgeschlossen. Manstein erhielt Gelegenheit, Hitler persönlich den Plan vorzutragen. Dieser fand Gefallen daran, doch entgegen manchen alten Legenden wurden Mansteins Vorstellungen nur teilweise umgesetzt. Auch Generalstabschef Franz Halder, der sich nach 1945 rühmte, der eigentliche Schöpfer des „Sichelschnitt“-Plans zu sein, war zunächst ein strikter Gegner der Ideen Mansteins gewesen.

Kräftevergleich

Als die Wehrmacht am 10. Mai 1940 die Westoffensive eröffnete, befand sie sich gegenüber den Westmächten (einschließlich Belgiens und der Niederlande) in einer zahlenmäßigen Unterlegenheit. Die Gegner verfügten über 151 Divisionen mit 3,5 Millionen Soldaten, das deutsche Heer setzte 135 Divisionen mit knapp 3 Millionen Mann ein; davon blieben 45 Divisionen in der Reserve zurück. Bei der Artillerie war die alliierte Seite fast doppelt so stark wie die deutsche (13.947 Rohre gegenüber 7378). Sie verfügte über 4204 Panzer, zu einem großen Teil technisch überlegene Modelle. Die Deutschen konnten mit ihrer noch jungen Panzerwaffe lediglich 2439 Fahrzeuge einsetzen.

Die Legende von einer angeblichen deutschen Überlegenheit in der Luft als Erklärung für die Niederlage der Franzosen hat sich hartnäckig gehalten. Tatsächlich standen 3578 einsatzbereiten deutschen Flugzeugen 4469 alliierte gegenüber, die allerdings aus berechtigter Sorge vor einem deutschen Überraschungsangriff meist weit ins Hinterland zurückverlegt worden waren. Auf dem Schlachtfeld beherrschte Görings Luftwaffe den Himmel, weil die deutsche Seite stets rücksichtslos alle verfügbaren Maschinen einsetzte. Franzosen und Briten verfolgten dagegen eine Strategie des sparsamen Einsatzes, weil man sich auf eine längere Auseinandersetzung eingestellt hatte. Die modernen deutschen Jäger Messerschmitt Bf 109 konnten auch deshalb die Luftherrschaft erringen, weil die gleichwertigen britischen Spitfire-Maschinen zur Verteidigung der britischen Insel zurückgehalten wurden. So war das Verhältnis in der Luft 12:1 zugunsten der Deutschen.

Anfangserfolge

Die Luftwaffe hatte den ersten Schlag geführt. Rund 350 feindliche Maschinen wurden am Boden zerstört. Die Niederlande, Belgien und Luxemburg wurden aufgefordert, keinen Widerstand zu leisten. Ihre Neutralität werde von der Wehrmacht gesichert, verkündete Berlin. Dass der erneute Bruch des Völkerrechts – wie 1914 – dem deutschen Ansehen in der Weltöffentlichkeit schaden würde, schätzte man in Berlin geringer ein als die politisch-strategischen sowie ökonomischen Vorteile. Die Alliierten hatten vorsorglich ihre Kräfte bis zur Kanalküste vorgestaffelt und verstärkt, weil sie eine Umgehung der Maginot-Linie befürchteten. Eine Abstimmung mit den belgischen und niederländischen Streitkräften war bis zum Beginn der deutschen Offensive nicht möglich gewesen. Im Augenblick der höchsten Gefahr verfügte die größte Militärmacht infolge der Regierungskrise in Paris über keine starke Führung. In London war Premierminister Chamberlain wegen des Rückschlags in Norwegen zurückgetreten. Winston S. Churchill bildete eine Allparteien-Regierung und nahm das Heft fest in die Hand. Am 11. Mai 1940 beschloss das Kabinett die Eröffnung des strategischen Bombenkriegs gegen das deutsche Hinterland.

Bombardierung Rotterdams

Der deutsche Vorstoß gegen die „Festung Holland“ kam rasch voran, obwohl die Luftlandungen hohe Materialverluste forderten. Der schnelle Zugriff auf Den Haag scheiterte. Fallschirmjägern gelang es aber, wichtige Brücken einzunehmen. Die 9. Panzerdivision stieß zu deren Stützpunkten vor und schob sich dabei in den Rücken der holländischen Verteidigungslinie. Verzögerungen bei der Übergabe von Rotterdam führten zu einem schweren Luftangriff, bei dem die historische Altstadt niederbrannte und 814 Einwohner ihr Leben verloren. Die Regierung und Königin Wilhelmina wichen nach England aus. Die Streitkräfte kapitulierten am 15. Mai 1940. Luxemburg war bereits am 10. Mai innerhalb weniger Stunden besetzt worden.

Der Zweite Weltkrieg

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