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4. Die Mobilisierung für den totalen Krieg

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Umstellung auf den Krieg

Großbritannien hatte bereits 1940 unter dem Druck deutscher Luftangriffe die Bevölkerung auf einen totalen Krieg eingestellt. Stalin folgte ein Jahr später, als ein Zusammenbruch der UdSSR drohte. Die erfolgreiche Anfangsphase des Zweiten Weltkriegs hatte bei den Achsenmächten den Elan gemindert, die eigene Gesellschaft auf einen langen Abnutzungskrieg einzustellen und alle Kräfte auf den Krieg zu konzentrieren. Seit der Wende vor Moskau intensivierte das NS-Regime solche Anstrengungen, aber erst nach der Katastrophe von Stalingrad propagierte Goebbels den totalen Krieg. Auch Japan intensivierte jetzt seine weitergehende Umstellung auf die Kriegsbedürfnisse.

Speer, der als Heeresrüstungsminister begonnen hatte und erst im Sommer 1944 die Verantwortung für die gesamte Kriegswirtschaft in Händen hielt, hatte es versäumt, auch den Arbeitskräftesektor rechtzeitig unter seine Kontrolle zu bringen. Als Ausgleich für die unternehmerfreundliche Politik von Speer hatte Hitler die Verantwortung für die Arbeiter in die Hände der Partei gelegt. Sie unterstanden der Regie des „Generalbevollmächtigten für den Arbeitseinsatz“ Fritz Sauckel. Anders als im Ersten Weltkrieg blieben die Arbeiter dem politischen System weitgehend verbunden, weil die Partei den Eindruck zu wecken verstand, dass sie sich der Interessen der Arbeiter annahm.

Selbst nach der Niederlage von Stalingrad entwickelte das NS-Regime nur eine begrenzte Entschlossenheit, die eigene Bevölkerung stärker für den totalen Krieg zu mobilisieren. Eine Arbeitspflicht für Frauen und die Umsetzung von Arbeitskräften in die Rüstung wurden auf regionaler Ebene vielfach behindert und unterlaufen. Auch die Stilllegung von mehr als 20.000 Handwerks- und Versorgungsbetrieben brachte nicht die von Speer geforderten Zahlen freigesetzter Arbeitskräfte, provozierte aber eine erhebliche Unruhe unter der Bevölkerung. So musste die verstärkte Einberufung männlicher Arbeitskräfte zur Wehrmacht weiterhin hauptsächlich durch den massiven Einsatz von „Fremdarbeitern“ ausgeglichen werden.

Speers Versuch, im Herbst 1943 die Gauleiter an seine Direktiven zu binden und damit die hemmenden regionalen Kräfte gegen eine stärkere Mobilisierung zu überwinden, scheiterte. Hitlers „Kronprinz“ hatte seine Kräfte überschätzt und erlebte einen politischen Absturz, der ihm im Frühjahr 1944 fast das Amt und womöglich das Leben gekostet hätte. Die Unternehmer fürchteten für die bevorstehende Schlussphase des Kriegs eine radikale Alternative und drängten den erkrankten Speer zum Bleiben. Mit einem „Siegesprogramm“ der Rüstung konnte dieser dann im April 1944 den „Führer“ wieder für sich gewinnen. Sein schärfster Konkurrent und enger Mitarbeiter Karl Otto Saur musste ein Jahr warten, bis er in Hitlers Testament zum neuen Rüstungsminister ernannt wurde.

Totale Mobilmachung

Die Verschärfung der Kriegslage zwang Speer 1944 dazu, die gesamte Kriegswirtschaft in den Dienst der Rüstung zu stellen und auch die letzten Reserven aus der Rüstung selbst zu mobilisieren. Unter dem Einfluss des Bombenkriegs verringerten sich dennoch die Zuwachsraten der Rüstungsproduktion, wobei sich auch der zunehmende Verlust auswärtiger Versorgungsbasen auszuwirken begann. Im Juli 1944 erreichte die Produktion von Kriegsmaterial – von Speer zahlenmäßig manipuliert – ihren absoluten Höhepunkt während des Zweiten Weltkriegs. Sie lag jetzt dreimal so hoch wie zur Zeit der Blitzkriege. Es war ein Leistungsgipfel durch Rationalisierung und Konzentration der Rüstung, ein letztes „Aufbäumen“, das keineswegs fortgesetzt werden konnte und auch nicht ausreichte, die zu diesem Zeitpunkt dramatischen Verluste auszugleichen.

Die erfolgreichen Angriffe der Alliierten gegen Schlüsselstellen der Kriegswirtschaft führten zu einem Wettlauf zwischen Reparatur und Zerstörung, der die Kräfte Speers überforderte. Vor allem der Mangel an Arbeitskräften schränkte die Produktionsmöglichkeiten ein. Auch jetzt waren moderne Fließbandproduktion und ein Mehrschichten-System auf wenige Betriebe beschränkt.

Propagandaminister Josef Goebbels stürzte sich als neuernannter „Reichsbevollmächtigter für den totalen Kriegseinsatz“ im Herbst 1944 mit Unterstützung der Partei in den Konflikt mit Speer und der Industrie. In dem Streit um die „Menschenverteilung“ zwischen Produktion, Schanzeinsatz und „Volkssturm“, zwischen Waffen oder Soldaten, hatte Speer Mühe, sein Imperium zusammenzuhalten. Hinter den Kulissen arbeiteten Wirtschaftsexperten bereits an Planungen für die Zeit „danach“, bereiteten sich die Unternehmen auf das Überleben vor und lösten sich still vom NS-Regime.

Zusammenbruch der Kriegswirtschaft

Gezielte Luftangriffe gegen das deutsche Transportsystem im Herbst 1944 beschleunigten den wirtschaftlichen Zusammenbruch. Die Alliierten hatten erkannt, dass Transport und Verteilung von Kohle, dem Schlüsselrohstoff der deutschen Kriegswirtschaft, die Achillesferse in dem komplizierten System Speers darstellten. Ein letztes „Notprogramm“ sollte für Volkssturm und Wehrmacht zumindest eine primitive Bewaffnung und Ausrüstung ermöglichen. In unterirdischen Anlagen, bei deren Bau Hunderttausende von Zwangsarbeitern ihr Leben verloren, sollten „Wunderwaffen“ gebaut werden, um dem Krieg doch noch eine Wende zu geben. Militärisch blieben diese Anstrengungen bedeutungslos.

Das NS-Regime hatte endgültig abgewirtschaftet. Das Volksvermögen war praktisch verschleudert worden, der materielle Schaden enorm, das menschliche Leid unermesslich. Bei allem, was auf die deutsche Wirtschaft durch Besatzung, Demontage und Reparationen noch zukam, waren ihre Aussichten auf eine baldige Erholung zumindest im westlichen Teil nicht gering. Der Rüstungsboom hatte in den Kriegsjahren einen beträchtlichen Modernisierungs- und Konzentrationsschub bewirkt. Zukunftsorientierte Branchen wie Elektrotechnik und Chemie hatten sich stark entwickeln können. Die traditionelle Wirtschaftslandschaft war durchgreifend verändert worden, zum Vorteil ganzer Regionen und Branchen. Das Facharbeiterpotential war erheblich gestiegen, rationelle Fertigungsmethoden hatten sich in breitem Umfang durchgesetzt.

Der Schaden, den der Bombenkrieg anrichtete, wurde durch die Erweiterung der Produktionsanlagen während des Kriegs wettgemacht. Es ist der deutschen Wirtschaft gelungen, ihren Produktionsapparat in einem Meer von Verwüstungen auf der Höhe des Friedensniveaus zu halten und nach der Niederlage in erstaunlich kurzer Zeit ein langanhaltendes „Wirtschaftswunder“ zu inszenieren, das – anders als in den dreißiger Jahren – nicht von der Rüstung getragen wurde. Den Preis für diese gelungene Operation hatten nicht zuletzt Millionen von Zwangsarbeitern zu zahlen, die während des Kriegs mit ihrer Gesundheit und ihrem Leben dazu beigetragen haben, die Grundlage für diesen Wiederaufstieg zu schaffen.

Der Zweite Weltkrieg

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