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Gedankenmuster

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Der italienische Soziologieprofessor Francesco Alberoni (* 1929) sieht denn auch eine Geschlechterdifferenz, wenn es um die Zufuhr erotisch wirksamer Impulse geht.

Der Mann, schreibt der Autor, »imaginiert die Frau als mit typisch männlichen Impulsen ausgestattetes Wesen«, was bedeutet: »Das Begehren ist stets präsent und wird stets befriedigt. Pornografie ist das erotische Gegenstück zum Schlaraffenland, jener Fantasie, in der der Hungrige Flüsse aus Milch, Wein und Honig sieht und Bäume erblickt, an denen statt Früchten gebratene Hühner und Würste hängen.« – »In diesem Universum ist kein Platz für irgendein anderes Gefühl, irgendeine andere Art von Beziehung.«19 Dieses Image werde nicht nur durch die Männergruppe, sondern auch medial vermittelt, erklärt der Wissenschaftler – aber ebenso würden Frauen analog mit »rosaroter Literatur«20 bedient: »In Serienschnulzen lösen sich Schicksalsschläge immer als Missverständnisse oder Zweifel auf.« – »Eine solche Erotik hat nahezu nichts mit Sex zu tun. Sexuelle Beziehungen dürfen aber vorkommen. Vor allem in den neueren Romanen dieser Art ist die Heldin auch im körperlichen Sinn eine geradezu verzweifelt Liebende. Aber die tiefen Gefühle – also das, was an diesen Geschichten spezifisch erotisch ist – kommen nicht aus der sexuellen Beziehung, sondern aus Sehnsüchten und Schaudern.«21 Ich ergänze: und ebenso aus den audiovisuellen Modellen – beispielsweise aus der TV-Werbung für Internet-Partnerbörsen.

Jede erfolgreiche Werbung propagiert Verhaltensvorbilder, denen die Adressaten gleichen wollen. Gemeinsam statt einsam – und der Weg dorthin geht über den Kauf eines bestimmten Produkts oder einer Dienstleistung, und daher richtet sich die Inszenierung von Beziehungsidyllen an die Zielgruppe Frauen, während beispielsweise bei Deodorants für Männer vorgegaukelt wird, dass ihnen alle Frauen, betört vom Duft der herben Männlichkeit, nachlaufen würden – und man(n) wie in Alberonis Schlaraffenland gar nichts dazu tun müsse.

In der Realität sieht alles dann anders aus. Denn wenn der paarungsinteressierte Mann auf die beziehungsfreudige Frau trifft, sind deren beider Nervengespinste bereits voll von den medialen Vor-Bildern und werden unbewusst nachgeahmt. Fehlt aber ein Modell, macht sich ein Gefühl von Unbeholfenheit breit, das nur zu oft zu einer Art Schockstarre führt: Ideal-Ich und Real-Ich sind unbeachtet auseinandergedriftet und haben eine Leere eröffnet, die den Rückzug in Einsamkeit fördert – außer man hebt diese Situationsreaktion ins Bewusstsein und mag sich selbst, auch wenn man nicht dem propagierten Modell entspricht. Auch das zählt zur Selbstliebe.

Der einsame Mensch

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