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Paarungsmärkte

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Ich erinnere mich, wie in den späten 1950er Jahren, als ich ein Teenager war, der Begriff des »Dating« von den USA nach Europa importiert wurde: Uns war der Gedanke fremd, die Beliebtheit junger Menschen nach Aufforderungen zum Spazieren-, Tanzen- oder Ausgehen zu zählen. Europa war voll mit dem Wiederaufbau beschäftigt, Geld war (außer bei den Kriegsgewinnlern) knapp, wenn ein junger Mann ein Motorrad besaß, war das sensationell – und die Moralvorschriften waren streng. Dieser oberflächliche »American Style of Life« auf einem Partnerschaftmarkt mit Bewertung nach »Nachfrage« und »Umsatzhäufigkeit« prallte auf die europäischen Werte von Zurückhaltung, langen Wartezeiten und Treue. Erst mit der Verfügbarkeit hormoneller Antikonzeptiva änderten sich zuerst die Verhaltensweisen, und die Moralvorstellungen hinkten hinten nach … Und die Treue blieb als erste auf der Strecke. Flexibilität, behübscht als Mut zur Veränderung, wurde modern. Im Verlauf der nächsten zwanzig Jahre drang dieser Trend auch in die Arbeitswelt ein. Ich erinnere mich noch gut, wie mir ein renommierter Wirtschaftsjournalist in meiner Praxis gestand, er habe jahrelang für »hire and fire« geschrieben – aber jetzt, wo er selbst mit einem »golden handshake« verabschiedet worden war und erfahre, dass er »nichts mehr wert sei«, keine Einladungen mehr bekomme, niemand mehr an ihm interessiert sei, spüre er erst, wie brutal diese Vorgehensweise sei.

»Aus der Sicht des menschlichen Gehirns ist soziale Akzeptanz nicht minder überlebenswichtig wie die körperliche Unversehrtheit«, mahnt Joachim Bauer.56 Exklusion, Stigmatisierung, Isolation – all das sind massive Gefährdungen der psychosozialen Gesundheit und führen zu Folgekrankheiten, Suchterkrankungen inbegriffen. Je stärker jemand in der sozialen Gemeinschaft verankert und akzeptiert ist, desto eher wird er oder sie solche Krisen relativ heil überstehen. Nur: In der heutigen globalisierten Wirtschaft mit ihrer Forderung nach flexiblen Menschen schwinden diese Ressourcen: »Nix ist fix« lautet ein Slogan in der Glückspielwerbung, aber er wirkt auch in alle anderen Lebensbereiche hinein.

Der einsame Mensch

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