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„Hölle und Verdammnis …“

Ed Carberry flüsterte nur. Seine Kiefermuskeln traten wie Stränge hervor, und er zerrte wütend, aber vergeblich an den Stricken, die ihn an die Palme fesselten. Hasard tat das gleiche, obwohl er wußte, daß es sinnlos war. Was nutzte es ihnen, wenn es dem einen oder anderen gelang, sich zu befreien? Die Piraten brauchten nur ihre Musketen auf die anderen zu richten, und schon würde alles vorbei sein.

Mit zusammengebissenen Zähnen starrte Hasard Jean Morros Rücken an. Der Bretone stand breitbeinig am Strand und blickte zu der friedlich dümpelnden „Isabella“ hinüber. Auch die anderen Seewölfe konnten das Schiff beobachten. Sie sahen das Boot, dessen Vorleine an einer Sprosse der Jakobsleiter belegt war – und sie sahen die Männer, die einer nach dem anderen abenterten.

Luke Morgan, der Kutscher und Al Conroy. Dann Bill, der Schiffsjunge, Will Thorne, der weißhaarige Segelmacher, und Old O’Flynn, der den anderen seine Krücken zugeworfen hatte und sich trotz seines Holzbeins verblüffend geschickt bewegte.

Arwenacks aufgeregtes Keckern war selbst aus der Entfernung zu hören. Der Papagei Sir John flatterte eine Weile unschlüssig über dem Schanzkleid, dann stieß er ebenfalls auf das Boot hinunter und ließ sich auf Will Thornes Schulter nieder.

Hasard kniff die Augen zusammen.

Sein Blick hing am Schanzkleid der Kuhl. Er wartete auf Ben Brighton, Big Old Shane und Stenmark, aber niemand schwang sich mehr auf die Jakobsleiter.

Das Boot legte ab.

„He!“ zischte Ferris Tucker. „Das ist doch …“

„Still!“ murmelte Hasard mit einem warnenden Blick auf die Piraten, die sich in Hörweite befanden.

Der rothaarige Schiffszimmermann verschluckte, was er noch hatte sagen wollen.

Auch die anderen schwiegen. Sie alle starrten zu dem Boot hinüber, und als es den Strand erreichte, hatte auch der letzte begriffen, was das Fehlen von Ben Brighton, Shane und Stenmark bedeutete.

Hasards blaue Augen funkelten flüchtig auf. Er sah zu Ferris Tucker hinüber. Der kniff die Lider zusammen und zog ganz leicht die Lippen von den Zähnen.

„‚Santa Barbara‘“, flüsterte er nur.

Und Hasard nickte knapp. Denn weder er noch Ferris noch einer der anderen, die dabeigewesen waren, hatten die Ereignisse auf der „Santa Barbara“ jemals vergessen.

Es war die erste Prise gewesen, die der Seewolf als Kapitän gesegelt hatte. Und beinahe wäre es seine letzte geworden, denn die Spanier schienen mit ihrem tollkühnen Trick zunächst Erfolg zu haben.

„Trojanisches Vorschiff“, hatte Hasard das völlig abgeschottete Versteck damals genannt, aus dem die Dons hervorgebrochen und über die ahnungslosen, vom Sturm völlig erschöpften Seewölfe hergefallen waren. Auf der „Isabella“ würde es vermutlich eine „trojanische Vorpiek“ geben. Dicht abschließen ließ sich dieses finstere Loch im Vorschiff des Schiffes nicht. Aber die Wahrscheinlichkeit war gering. daß Big Old Shane, Ben Brighton und Stenmark dort vor der Zeit entdeckt wurden.

Hasard atmete tief durch.

Er wußte, daß die Chancen schlecht standen. Aber die hatten schon öfter schlecht gestanden. Und drei Kerle, die notfalls dem Teufel selber den Sonntagsbraten aus der Hölle geklaut hätten, konnten vielleicht auch mit Jean Morro und seinen Halunken fertigwerden.

„Nggrr!“ machte Batuti.

Mehr konnte er nicht sagen, weil man ihm einen Knebel zwischen die Zähne gerammt hatte. Dan ging es nicht besser. Die beiden Männer stolperten vor ihren Bewachern her, die sie immer wieder mit Stößen und Tritten antrieben, und die hilflose Wut erstickte sie fast.

Geknebelt waren sie, um ihnen die Möglichkeit zu nehmen, ihren Kameraden etwas zuzurufen. Dan O’Flynns blaue Augen waren fast schwarz vor Wut, als er die gefesselten Männer am Strand sah. Auch die Gruppe aus dem Boot war an Palmenstämme gebunden worden. Höhnisch grinsend hatte ihnen Jean Morro erklärt, daß sie es sicher schaffen würden, sich zu befreien, bevor sie verdurstet seien. Dan suchte Hasards Blick – und er runzelte die Stirn, als er in den eisblauen Augen des Seewolfs so etwas wie eine stumme Ermunterung las.

Ein Stoß mit dem Lauf der Muskete ließ den blonden Jungen weiterstolpern.

„Kch!“ machte Batuti dumpf, aber Dan achtete nicht darauf. Sein Blick war über die anderen Männer geflogen, deren Gesichter er im Schatten er Palmen erkennen konnte. Siebzehn Männer! Dan hatte gezählt, weil er wissen wollte, ob jemand fehlte, vielleicht getötet oder schwer verletzt worden war – und jetzt durchfuhr ihn der Schrecken wie eine Stichflamme.

Siebzehn!

Drei Mann zu wenig!

Big Old Shane fehlte, Stenmark und Ben Brighton. Dans Magen krampfte sich zusammen. Er starrte Hasard an. Der Seewolf sicherte kurz in die Runde, stellte fest, daß die Piraten vollauf damit beschäftigt waren, in die Boote zu gehen – und lächelte.

Ein triumphierendes Lächeln.

Ganz kurz nur, aber Dan O’Flynn wußte glasklar, daß der Seewolf so nicht gelächelt hätte, wenn einem seiner Männer auch nur ein Haar gekrümmt worden wäre.

Ben Brighton, Shane und Stenmark lebten.

Und wenn sie nicht hier waren, hieß das …

Dan O’Flynn begriff.

Ohne den Knebel, der ihn fast erstickte, hätte er jetzt vielleicht einen triumphierenden Pfiff ausgestoßen.

So sah er nur Batuti an. Der schwarze Herkules hatte das Fehlen der drei Männer ebenfalls bemerkt. In seinen Augen lag ein Ausdruck von erschrekkender Wildheit, und Dan schüttelte unaufällig den Kopf.

Batuti runzelte die Stirn, hob fragend die Brauen und furchte die Stirn noch heftiger. Im nächsten Augenblick unterbrachen die Piraten das stumme Zwiegespräch. Dan und Batuti wurden in eins der Boote gestoßen. Als es ablegte, hatte sich der mörderische Ausdruck in den Augen des riesigen Gambia-Negers etwas gemildert, und Dan wußte, daß auch sein Freund zu begreifen begann.

Minuten später erreichten sie die „Isabella“ – ein verwaistes Schiff. So schien es wenigstens. Aber Dan und Batuti wußten, daß sich irgendwo im Bauch der Galeone drei zu allem entschlossene Männer verbargen – und daß sie zumindest noch eine Chance hatten.

Die Gefangenen wurden vorerst an die Wanten gefesselt.

Triumphgeschrei gellte über die Decks. Die Piraten nahmen die „Isabella“ in Besitz, verteilten sich, prüften, begutachteten, drängten sich vor allem um das Ruder, das sie in dieser Art noch nie gesehen hatten – und Dan mußte sich eingestehen, daß die Kerle zumindest etwas von der Seefahrt verstanden.

Jean Morro hatte das Achterkastell in Besitz genommen.

Valerio und Pepe le Moco waren bei ihm: die drei stellten offenbar so etwas wie die Schiffsführung dar. Zwei der Piraten waren im Kampf mit den Seewölfen getötet worden. Vierzehn Mann standen noch für die Bedienung des Dreimasters zur Verfügung. Sechzehn vielmehr, denn die Kerle hatten ja keinen Zweifel daran gelassen, daß auch die beiden Gefangenen würden schuften müssen. Trotzdem war die „Isabella“ hoffnungslos unterbemannt, und Dan fragte sich flüchtig, warum Jean Morro nicht noch mehr von der Insel mitnahm.

Vermutlich weil er am eigenen Leibe erlebt hatte, wie die Seewölfe zu kämpfen verstanden.

Zwei Gefangene, mochte er sich sagen, konnte er unter Kontrolle halten. Drei, vier oder gar noch mehr hätten ihn vor Probleme gestellt. Der Bretone war nicht dumm. Er unterschätzte einen Gegner nicht, er ging auf Nummer sicher, das zeigte sich auch daran, daß er nicht daran dachte, Dan und Batuti schon jetzt, in der Nähe der Insel, losbinden zu lassen.

Er brauchte nicht lange, um sich mit der „Isabella“ vertraut zu machen.

Das Ruder übernahm er selbst. Pepe le Moco teilte die Wachen ein, scheuchte die Männer auf ihre Plätze an Brassen und Fallen. Triumph glitzerte in den grauen Augen des Bretonen, und seine Stimme hallte laut über die Decks.

„Heißt Großsegel, Fock und Besan! Esmeraldo, Jacahiro – ans Spill! Hoch mit dem Anker!“

„Anker aus dem Grund!“ ertönte es wenig später.

Knatternd entfaltete sich das Segeltuch. Der Wind wehte ablandig, die „Isabella“ erhielt ihn raumschots. Leicht und elegant begann sie, nach Nordwesten zu gleiten, und Jean Morro ließ Marssegel und Blinde setzen.

Unter Vollzeug rauschte die „Isabella“ davon.

Der Bretone stand am Ruder. Sein graues Haar wehte, und das Funkeln in seinen Augen verriet, daß er sich bereits als Sieger fühlte.

Erst als sie sich außer Rufweite der Insel befanden, übergab er das Ruder an den einäugigen Esmeraldo.

Ein paar knappe Befehle ertönten. Pepe le Moco schlenderte mit einem breiten Grinsen auf die beiden Gefangenen zu. Als erstes nahm er ihnen die Knebel ab, dann zerschnitt er mit einem langen Entermesser ihre Fesseln.

„So“, sagte er im Tonfall satter Zufriedenheit. „Jetzt dürft ihr anfangen, euch euer Fressen zu verdienen. Aber ein bißchen plötzlich, wenn ihr nicht die Neunschwänzige zu spüren kriegen wollt!“

Die Seewölfe zerrten keuchend an den Stricken, die sie an die Palmenstämme fesselten.

Ed Carberry fluchte, daß der Teufel errötet wäre. Ferris Tuckers Schläfenadern traten hervor, und der Atem pfiff scharf über seine Lippen. Sie alle wußten, daß es im Grunde sinnlos war und sie nichts mehr ändern konnten, aber der ohnmächtige Zorn verdoppelte ihre Kräfte.

Hasard spürte, wie der Palmenstamm in seinem Rücken nachgab.

Eine ziemlich junge Palme, wie er festgestellt hatte. Es war leichter, sie zu entwurzeln, als die Stricke zu zerreißen. Hasard spannte die Muskeln, stemmte die Füße gegen den Boden, warf sich mit aller Kraft nach vorn – und diesmal begann die Palme zu kippen.

Hasard hing schräg an dem knirschenden, ächzenden Baum. Und er spürte bereits, wie sich, die Fesseln nach oben verschoben, wo sich der Stamm verjüngte. Noch einmal bäumte sich der Seewolf auf, warf sich diesmal nach rechts – und landete mitsamt der Palme am Boden.

Trotzdem brauchte er noch eine Viertelstunde, um sich endgültig zu befreien.

Er zerschnitt sich Arme und Hände an den scharfen Palmwedeln, sah aus, als habe er auf einer Schlachtbank gewühlt, aber der brennende Schmerz drang kaum in sein Bewußtsein. Er mußte wissen, welchen Kurs die „Isabella“ nahm. Hastig schüttelte er die Reste der nur noch lose um seine Gelenke hängenden Stricke ab, sprang auf und rannte durch den kühlen Palmenschatten zum Westzipfel der Insel.

„Hasard!“ hörte er Carberrys Donnerstimme hinter sich. „Himmel, Arsch und Kabelgarn, willst du nicht erst mal …“

„Später!“ schrie der Seewolf zurück.

Geschickt wie eine Katze turnte er über die roten Felsen. Daß er sich an den sonnendurchglühten Steinen die Finger verbrannte, bemerkte er kaum. Minuten später kauerte er hoch oben auf einem steil aufragenden Felsblock und suchte mit zusammengekniffenen Augen die glitzernde, in der Sonne von unzähligen flirrenden Lichtreflexen sprühende See ab.

Die „Isabella VIII.“ war nur noch ein Flecken, fast verschwimmend im Sonnenglast.

Die Kerle hatten Vollzeug gesetzt. Über Backbordbug liegend segelte sie mit halben Wind nach Norden. Immer kleiner wurde sie, und schließlich schien sie sich in den opalisierenden Hitzeschleiern über der Kimm aufzulösen.

Hasard wischte sich mit dem Handrücken den Schweiß von der Stirn und war sich nicht bewußt, daß er das Blut aus den vielen kleinen Schnittwunden auf seinem Gesicht verteilte.

Er starrte immer noch nach Norden.

Seine Augen waren sehr kalt und sehr hart. Und jeder, der ihn in diesen Sekunden gesehen hätte, wäre wohl zurückgeschreckt vor der Intensität dieses wilden eisblauen Blicks.

In Philip Hasard Killigrews Gesicht zuckte kein Muskel. Seine Züge waren wie versteinert, und seine Stimme klang leise, tonlos, fast unhörbar.

„Jean Morro“, flüsterte er.

Mehr nicht.

Aber es klang wie ein Schwur. Hasard war sicher, daß er Jean Morro noch einmal begegnen würde – und dann würde der Bretone bereuen, sich jemals mit dem Seewolf angelegt zu haben …

Seewölfe Paket 6

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