Читать книгу Seewölfe Paket 6 - Roy Palmer - Страница 30

4.

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„Mannomann!“ sagte Smoky andächtig.

Ferris Tucker grinste und fuhr sich leicht verlegen durch das rote Haar. Hasard schlug ihm krachend auf die Schulter. Sie hatten alle wie die Wilden gearbeitet, aber daß das Ergebnis tatsächlich wie ein Boot aussah, war in erster Linie das Verdienst des Schiffszimmermanns.

Das Kernstück des abenteuerlichen Fahrzeugs stammte von dem Wrack auf dem Riff: ein Stück des Kielschweins, an dem noch der halbe Fockmast hing. Drumherum hatten sie unter Ferris Tuckers Anleitung ein Mittelding zwischen Auslegerboot und Floß gebaut. Ein ausgesprochen stabiles Fahrzeug, nicht kentersicher natürlich, aber unsinkbar, da es keine Hohlräume gab, die volllaufen konnten. Sechs bis acht Mann hatten Platz darauf.

Wenn der Teufel es wollte, daß sie tatsächlich keine andere Möglichkeit fanden, die Insel zu verlassen, würden sie drei von diesen Konstruktionen brauchen, und deshalb waren sie vor allem mit der Segelfläche sparsam gewesen.

Sie bestand aus einem kleinen dreieckigen Lateinersegel, das sie aus der einigermaßen heilgebliebenen Fock des Wracks herausgeschnitten hatten. Beim nächsten Mal würden sie sich mit der Persenning begnügen müssen, die im Lager der Piraten zurückgeblieben war. Übermäßig seetüchtig sah die ganze Konstruktion nicht aus, aber es grenzte ohnehin an ein Wunder, daß die Seewölfe binnen kürzester Zeit geschafft hatten, was der Piratenbande während ihres ganzen Aufenthalts auf der Insel nicht gelungen war.

„Probieren wir es aus“, sagte Hasard trocken. „Zuerst nach Nordosten, damit wir sehen, ob man mit dem Ding überhaupt an den Wind gehen kann. Dann nach Nordwesten …“ Er lächelte matt. „Könnte ja sein, daß wir dem schwarzen Segler begegnen.“

„Du willst ihn suchen?“ fragte Carberry skeptisch.

Hasard schüttelte den Kopf. „Das dürfte ziemlich sinnlos sein. Vielleicht hilft uns der Zufall. Aber vor allem möchte ich sehen, ob das Ding hier funktioniert. Falls nicht, müssen wir uns beim nächsten Versuch etwas anderes einfallen lassen.“

„Es wird funktionieren“, erklärte Ferris Tucker überzeugt.

„Klar“, sagte Carberry ebenso überzeugt. „Wenn du Ferris einen Bugspriet in die Hand drücken und ihm befehlen würdest, er soll eine Kutsche daraus bauen, würde das Ding garantiert auch rollen. Also was ist? Hieven wir den Waschzuber ins Wasser?“

Hasard nickte nur. Der „Waschzuber“ war ziemlich schwer, aber schließlich schwamm er auf der Lagune. Der Seewolf suchte drei Mann aus, die mit an Bord gingen: Ferris Tucker, Carberry und Matt Davies. Etwas mißtrauisch kletterten sie auf die Gräting, die das Deck bildete, und der Seewolf bediente das reichlich provisorische Fall, mit dem die Gaffelrute hochgezogen wurde.

Das Boot setzte sich tatsächlich in Bewegung.

Mit dem Ruder, das eigentlich seinen Namen nicht verdiente, ließ es sich sogar einigermaßen sicher aus der Lagune steuern. Hasard peilte das Strömungsluv an, korrigierte gefühlvoll den Stand des Segels, und Minuten später schaukelte das seltsame Fahrzeug in der sanften Dünung.

„Na also“, sagte der Profos, über das ganze zernarbte Gesicht grinsend. „Läuft doch wie Samt und Seide, was, wie?“

Das war zwar übertrieben, aber Hasard fand, daß in diesem Fall etwas Optimismus nicht schaden konnte.

Siri-Tongs Mandelaugen funkelten.

Sie war in die Wanten geentert und spähte durch das Spektiv nach Südwesten – dorthin, wo die überlangen Masten der „Isabella VIII.“ jetzt deutlich zu erkennen waren. Die ranke Galeone lag über Backbordbug auf Nordkurs. Flüchtig überlegte Siri-Tong, was den Seewolf dazu bewogen haben mochte. Dann ließ sie das Spektiv sinken, enterte ab und trat neben den Wikinger ans Schanzkleid des Vordecks.

Thorfin Njal kratzte hingegeben an seinem Kupferhelm – eine Angewohnheit, die speziell Ed Carberry immer wieder in Rage bringen konnte.

„Wieso sind die auf Nordkurs?“ fragte er gedehnt. „Ich hätte eher damit gerechnet, daß sie nach Westen voraussegeln würden.“

„Das dachte ich auch.“ Siri-Tong furchte flüchtig die Stirn. „Vielleicht suchen sie uns.“

„Auf Nordkurs? Der Pazifik ist doch keine Waschschüssel.“

Die Rote Korsarin zuckte mit den Schultern. „Wir werden es erfahren, Thorfin. Spätestens in einer Stunde. Laß etwas anluven! Wir gehen auf Parallelkurs.“

Thorfin Njals Stimme dröhnte über die Decks. Siri-Tong kehrte zurück aufs Achterkastell und warf dem Rudergänger einen prüfenden Blick zu, während „Eiliger Drache“ um eine Kleinigkeit nach Backbord herumschwang. Der schwarze Segler lief jetzt ebenfalls mit halbem Wind, und stetig wurden die beiden Schiffe aufeinander zugetrieben.

Die Stimmung an Bord des „Eiligen Drachen“ war ausgezeichnet.

Kein Mensch ahnte etwas Böses. Man würde mit der „Isabella“ zusammentreffen, es würde eine Wiedersehensfeier geben, Rum für alle, und dann konnte es endlich weitergehen, dem fernen Ziel entgegen. Gespannt starrten Siri-Tongs Männer zu der ranken Galeone hinüber. Schon ließen sich Einzelheiten erkennen, hastige Bewegungen an Bord. Selbst der Wikinger strahlte jetzt über sein ganzes bärtiges, wettergegerbtes Gesicht. Er hatte aufgehört, sich über den Kurs der Seewölfe den Kopf zu zerbrechen.

Siri-Tong stand am Steuerbord-Schanzkleid des Achterkastells.

Ihr Blick suchte Hasard. Noch hatte sie ihn nicht entdecken können. Mit einem weichen, ungemein weiblichen Lächeln hob sie von neuem das Spektiv, aber sie kam nicht mehr dazu, einen Blick hindurchzuwerfen.

Denn genau das war der Moment, in dem drüben auf der „Isabella“ die Stückpforten hochgingen und die schwarzen Mündungen der Siebzehnpfünder-Culverinen wie drohende Augen über das Wasser starrten.

Ben Brighton, Stenmark und Big Old Shane wußten genau, daß sie um ihr Leben schwammen.

Die erste häßliche Dreiecksflosse hatten sie vor einer halben Stunde gesehen. Der Anblick ließ sie versteinern, atemlos und fast ohne Bewegung trieben sie in der See, bis der Hai vorbeizog. Stenmark hielt das Messer zwischen den Zähnen, das in seinen längst auf dem Meeresgrund verschwundenen Stiefeln verborgen gewesen war und das die Piraten nicht entdeckt hatten. Es war die einzige Waffe, über die die drei Männer verfügten, und sie wußten, daß sie ihnen im Notfall nicht viel nutzen würde.

„Da!“ stieß Ben Brighton hervor. „Links voraus!“

„Hölle!“ murmelte Big Old Shane, der sorgfältig darauf achten mußte, nicht unterzuschneiden, damit kein Blut aus der Platzwunde an seinem Schädel ins Wasser geriet.

Schwarz und unheilvoll schnitt die dreieckige Flosse vor ihnen durch die See.

Für einen Augenblick verschwand sie und tauchte dann in bedrohlicher Nähe wieder auf. Die drei Männer bewegten sich so wenig wie möglich und hielten sich lediglich mit behutsamen Armbewegungen an der Oberfläche. Sie wußten, daß Geschrei und Gezappel Haie nicht abschreckten, sondern anlockten – und daß es außer einem Schuß in den Rachen nur eine Art gab, sie mit Sicherheit zu töten: indem man ihnen die Kehle durchschnitt.

Stenmark nahm das Messer in die Rechte.

Sein Gesicht hatte sich gespannt. Aus schmalen Augen beobachtete er den Hai, der sich jetzt als unheimlicher schwarzer Schatten unter dem Wasserspiegel abhob. Kein Zweifel, er hatte die Männer entdeckt und witterte Beute. Pfeilgerade schoß er heran, lautlos und geschmeidig – und dann war die Dreiecksflosse plötzlich verschwunden.

Stenmark holte Luft und tauchte. Zwei, drei Yards tief. Jetzt schwamm er tiefer als der Hai, der sich sofort nach der jähen Bewegung richtete. Stenmarks Muskeln verkrampften sich, als das Vieh auf ihn zuschoß wie eine schwarze Lanze, die ihn durchbohren wollte. Erst im letzten Moment vollführte der geschmeidige Leib eine Wendung, drehte ab und begann, die Beute zu umkreisen.

Stenmark spannte die Muskeln, dann tauchte er blitzartig tiefer.

Schräg von unten schoß er auf den Hai zu. Mit voller Wucht stieß er die Faust mit dem Messer nach oben und spürte, wie sich die Klinge tief in die empfindliche Kehle des Hais bohrte. Der schwarze Leib bäumte sich auf, wild peitschte die Schwanzflosse. Zwei-, dreimal riß Stenmark mit verzweifelter Kraft die Klinge hin und her, dann warf er sich herum und schwamm wie wahnsinnig, während hinter ihm eine Wolke von Blut die schimmernde grüne See färbte.

Als Stenmarks Kopf die Wasserfläche durchstieß, war der Todeskampf des Hais vorbei.

Ben und Big Old Shane atmeten erleichtert auf. Jedenfalls für den Augenblick, denn im Grunde wußten sie, daß sie zur Erleichterung keinen Anlaß hatten.

„Wir müssen hier weg“, sagte Ben gepreßt. „Das verdammte Blut wird ganze Rudel von Haien anlocken und …“

„Dem Himmel sei Dank!“ keuchte Stenmark im selben Augenblick mühsam.

„Dem Himmel … Bist du übergeschnappt? Hat dir der verdammte Hai eins mit der Flunke auf den Kopf gegeben?“

Stenmark grinste. Er war völlig außer Atem und beschränkte sich darauf, mit der Hand nach Süden zu zeigen. Ben Brighton und Big Old Shane warfen sich im Wasser herum, und ihre Augen weiteten sich ungläubig.

„Ein Boot!“ Bens Stimme klang heiser. „Verdammt, das ist doch …“

„Hasard!“ brüllte Shane mit voller Lungenkraft.

Und dann begannen die drei Männer aus Leibeskräften zu schwimmen.

Minuten später wurden sie von kräftigen Fäusten an Bord des abenteuerlichen Fahrzeugs gezogen.

Gerade noch rechtzeitig.

Denn ein paar Yards von ihnen entfernt schossen von allen Seiten pfeilschnelle schwarze Leiber auf die verschwimmende Blutwolke zu. Das Wasser verwandelte sich in eine brodelnde, aufgepeitschte Hölle.

Seewölfe Paket 6

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