Читать книгу Seewölfe Paket 6 - Roy Palmer - Страница 36

10.

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„Zehn Minuten später schallte Ed Carberrys Donnerstimme über das dunkle Wasser.

„Hool weg! Hoool weg! Wollt ihr wohl pullen, ihr müden Helden? Was denkt ihr, wie lange wir mit dem Schiffchen hier herumliegen wollen, verdammt und zugenäht?“

Hasard lächelte leicht, als er wieder auf die Kuhl hinuntersprang.

Zusammen mit Ben Brighton und Ferris Tucker hatte er die Karavelle einer ersten kurzen Musterung unterzogen und festgestellt, daß sie ein schnelles, zuverlässiges, rank und wendig gebautes Schiff war. Mochte Capitan Correggio auch ein schlechter Seemann sein – auf Ordnung und penible Sauberkeit mußte er wohl großen Wert legen. Die Geschütze – drei an jeder Seite, Vierpfünder mit gegossenen Bronzerohren – waren bestens gepflegt, genau wie die Serpentinen vorn und achtern.

Al Conroy fand am Zustand der Armierung nichts auszusetzen, wenn sie sich auch gegen die der „Isabella“ eher bescheiden ausnahm. Ferris Tucker hatte festgestellt, daß der Kasten hundertprozentig dicht war, und die Vorräte an Proviant, Pulver, Munition und Waffen konnten sich ebenfalls sehen lassen.

Und noch etwas hatte Hasard entdeckt: einen sehr großen, sehr dicken Mann, der beim Geräusch der Schritte nicht mit Gebrüll, sondern mit salbungsvollen Bibelsprüchen aus der Vorpiek hervorbrach.

Der einunddreißigste Mann an Bord war Kaplan und wurde von den Spaniern auf der Kuhl nicht gerade freundlich empfangen. Die Sprache verschlug es ihm nicht: Hasard hörte amüsiert zu, wie der Bursche etwas von „gerechter Strafe des Himmels“, Fluchen und Saufen und einem halben Dutzend anderer Sünden faselte, die die jetzige Katastrophe verursacht hätten. Unterdessen war das Boot längsseits gegangen, und die Seewölfe enterten auf. Sir John hockte sichtlich zufrieden auf Ed Carberrys Schultern, und Arwenack fegte keckernd über die Kuhl, in der vergeblichen Hoffnung, seinen Freund Dan zu entdecken.

Der Kaplan warf einen Blick auf das braune, zottige Biest, bekreuzigte sich und jumpte außenbords.

Wie ein Hund paddelte er in Richtung auf die Landzunge. Hasard lächelte den Capitan an und wies einladend auf das Schanzkleid.

„Sie dürfen schwimmen“, sagte er trocken. „Auf der Insel haben wir Waffen zurückgelassen. Ihr erster Offizier weiß, wo sie liegen. Es gibt Trinkwasser, und Sie werden nicht verhungern, bis man Sie findet. Ferris, wirf zwei Balken außenbords, damit die Gentlemen ihre Toten und Verwundeten mitnehmen können.“

Tucker nickte nur.

Minuten später klatschten zwei Balken ins Wasser, und die ersten Spanier sprangen mit grimmigen Gesichtern über das Schanzkleid. Es hatte nur einen Toten gegeben, und die meisten von den Verletzten waren lediglich zerschrammt und mehr oder weniger benommen. Die meisten schienen froh zu sein, daß sie überhaupt mit dem Leben davonkamen. Der einzige, der jammerte und protestierte, war der Capitan. Aber als Jeff Bowie die Absicht erkennen ließ, ihn ein bißchen mit seinem Haken zu kitzeln, raste auch er wie angestochen über die Kuhl und jumpte außenbords.

Mit ein paar langen Schritten stand Philip Hasard Killigrew wieder auf dem Achterkastell, warf das schwarze Haar zurück und witterte in den Wind. Hatte es wirklich aufgebrist, oder erschien ihm das nur so, weil er endlich wieder Planken unter den Füßen hatte? Sein Blick glitt über das Schiff, über die funkelnden Augen seiner Männer, und mit einem tiefen Atemzug reckte er die Schultern.

„Übernimm das Ruder, Pete! Klar bei Anker, klar bei Brassen und Fallen! Na los, hoch mit dem Anker, oder wollt ihr hier übernachten?“

Die Männer grinsten.

Ed Carberry begann in gewohnter Weise zu toben, lüftete die Ankergasten an und brüllte, ob sich Stenmark und Bob Grey einbildeten, der verdammte Besan setze sich von selber – was, wie?

„Auf und nieder!“ ertönte Ben Brightons Stimme von der Back. „Aus dem Grund!“

Bob Grey und Stenmark hingen am Besanfall, die Brassen waren zum Laufen klargelegt. Knatternd entfaltete sich das große dreieckige Lateinersegel, Pete Ballie legte Ruder, und der einfallende Wind drückte das Heck der Karavelle über Steuerbordbug von der Landzunge weg.

„Hoch mit der Fock! Anluven auf den anderen Bug, Pete! Recht so!“

Die „Santa Monica“ ging über Stag, knarrend schwangen Fockrah und Gaffelrute herum. Mit halbem Wind zog die Karavelle an der vorspringenden Landzunge vorbei, die Insel blieb achteraus, und Hasard ließ Blinde, Groß- und Marssegel setzen.

Wie eine verlorene Hammelherde standen die Spanier zwischen den Felsen und starrten ihrem Schiff nach.

Die „Santa Monica“ rauschte mit halbem Wind über Backbordbug nordwärts. Der Kurs war klar. Chiapas! Das geheimnisvolle Land der Maya! Dorthin wollten die Piraten Jean Morros mit der „Isabella“ segeln, und dorthin würden ihnen die Seewölfe mit der gekaperten „Santa Monica“ folgen.

Der Kutscher nahm sofort die Kombüse in Besitz, um endlich wieder eine ordentliche Mahlzeit zu kochen.

Bill enterte in den Großmars. Hasard hatte ihm eingeschärft, die Augen offenzuhalten. Denn noch bestand die Möglichkeit, einem weiteren versprengten Schiff des spanischen Verbandes zu begegnen, und die „Santa Monica“ war alles andere als eine schwimmende Festung.

Eine Viertelstunde später klang Bills helle Stimme aus dem luftigen Ausguck.

„Deck!“ schrie er erregt. „Schiff Steuerbord voraus! Ich glaube, es ist ein Viermaster!“

Hasard hob den Kopf.

Ein Viermaster? Hatte der schwarze Segler sie am Ende doch noch gefunden? Mit einem Sprung setzte der Seewolf auf die Kuhl, enterte in den Hauptmars und suchte mit dem Spektiv die Kimm ab.

Ein paar Sekunden später atmete er tief durch.

Es war der schwarze Segler. Unverkennbar, schon weil er fast mit der Nacht verschmolz. Er glitt über das Wasser wie ein unheimlicher dunkler Schatten. Hasard enterte wieder ab und nickte Ben Brighton zu, der ihm gespannt entgegenblickte.

„Na bestens!“ sagte der Bootsmann zufrieden.

Hasard lächelte. „Oder auch nicht! Abwarten, Ben!“

„He, verdammt! Wieso …!!

Ben Brighton brach ab.

Denn auch ihm war eingefallen, daß sie sich schon einmal in einer ganz ähnlichen Situation befunden hatten. Damals, bei der Insel der Steinernen Riesen war ihnen um eine Kleinigkeit zu spät eingefallen, daß Siri-Tong und der Wikinger sie nicht auf einem spanischen Schiff vermuteten. Und ehe sie den Irrtum aufklären konnten, hatte ihnen der schwarze Segler schon die Beutegaleone unter den Füßen weggeschossen.

Damals war das nicht sonderlich schlimm gewesen, weil die „Isabella“ beigedreht auf sie wartete.

Diesmal durfte es nicht passieren. Hasard seufzte leicht.

„Streicht die Flagge!“ befahl er. „Und dann mannt ein paar Laternen an Deck! Aber ein bißchen plötzlich, sonst geht der Kahn hier gleich auf Tiefe.“

„Klar Schiff zum Gefecht!“ gellte die Stimme der Roten Korsarin durch die Dunkelheit.

„Klar Schiff, ihr müden Kakerlaken!“ brüllte Juan, der Bootsmann, drüben auf dem Vordeck. „Cookie, das Kombüsenfeuer aus! Klar bei Backbord- und Steuerbordgeschützen! Hilo, Jonny, Diego – wollt ihr wohl die verdammten Kugeln und Kartuschen mannen, oder glaubt ihr, die kriegen Beine und kommen von selbst, ihr Idioten?“

Der Wikinger grinste. Neben ihm starrte Siri-Tong geradeaus, das Gesicht hart und gespannt wie eine Marmormaske. Vor ein paar Minuten hatte Mike Kaibuk im Großmars das Holzkreuz entdeckt, das unter dem Bugspriet der fremden Karavelle baumelte. Für den schwarzen Segler mit seinen zwölf schweren Geschützen an jeder Seite war der Dreimaster dort vorn nur ein Schiffchen, ein weit unterlegener Gegner. Aber auch ein unterlegener Gegner konnte eine Menge Kleinholz verursachen, bevor er auf Tiefe ging – und Siri-Tong hatte noch mehr als genug von der Begegnung mit der „Isabella“.

„Alle Geschütze klar?“ fragte sie scharf.

„Klar!“ schrie der Boston-Mann.

„Klar!“ echoten Eike, Olig, Arne und der Stör, die an der Backbordseite als Geschützführer fungierten.

„Gut, Männer! Wir laufen unter Vollzeug auf die Karavelle zu. Sie werden versuchen, an unserem Bug vorbeizuscheren, um uns aus der Luvposition anzugehen. Dem kommen wir zuvor, indem wir abfallen und ihnen eine volle Breitseite servieren. Arne, Stör, Boston-Mann – ihr stanzt ihnen ein paar Löcher mittschiffs in die Wasserlinie. Die anderen halten auf die Stückpforten. Sie werden schneller auf Tiefe gehen, als sie denken können.“

„Bei Odin, das werden sie“, murmelte der Wikinger. „Wenn sie nicht schon vorher alle vor Schrecken umfallen, diese lausigen Kastanienfresser!“ Er setzte das Spektiv an und schüttelte den Kopf. „Drei Kanönchen an jeder Seite! Und vorn sehe ich zwei lächerliche Serpentinen. Diese armen Irren!“

„Abentern, Mike!“ rief die Rote Korsarin zum Großmars hinauf.

„Aye, aye, Madam!“

Mike Kaibuk verließ seinen luftigen Posten. Siri-Tong ließ noch einen prüfenden Blick über das Geschützdeck wandern. Der Wikinger spähte angestrengt durch das Spektiv – und plötzlich ging ein Ruck durch seinen mächtigen Körper.

„Ha!“ schrie er. „Der Don streicht die Flagge!“

„Er streicht die Flagge? Zeig her!“

Siri-Tong schnappte sich das Spektiv und starrte zu der Karavelle hinüber. Tatsächlich: Der vermeintliche Spanier hatte die Flagge gestrichen. Seine Stückpforten blieben geschlossen, jetzt flammten auf Achterdeck und Kuhl ein paar Laternen auf. Die Karavelle schien sich kampflos ergeben zu wollen, aber als Siri-Tong das Spektiv absetzte, funkelten ihre schwarzen Mandelaugen vor Mißtrauen.

„Das ist ein schmutziger Trick“, erklärte sie kategorisch. „Laß die Stückpforten öffnen, Thorfin. Wir werden …“

Der riesige Wikinger warf ihr einen Blick zu und kratzte seinen Kupferhelm.

„Eh!“ knurrte er. „Und wenn er sich nun wirklich ergeben will?“

„Sollen wir riskieren, daß er uns auch noch die letzte Rah abrasiert, die wir an Bord haben?“

„Hölle und Verdammnis! Und einen wehrlosen Gegner in Fetzen schießen – sollen wir das, in drei Teufels Namen?“

Siri-Tong preßte die Lippen zusammen. Ihre Mandelaugen funkelten den Wikinger an. Aber sie sagte nichts, sondern starrte statt dessen wieder durch das Spektiv nach vorn, wo die Karavelle inzwischen deutlicher zu erkennen war.

„Und ich sage dir, es ist ein Trick!“ stieß sie durch die Zähne.

„Klar“, erwiderte Thorfin Njal. „Und die Laternen zünden sie an, damit wir besseres Licht zum Zielen haben.“

„Es ist ein Trick! Sie wollen uns in Sicherheit wiegen, nahe genug heransegeln und …“

Sie verstummte.

Thorfin warf ihr einen Seitenblick zu. Er sah, wie sich ihre Züge von einer Sekunde zur anderen entspannten und die dunklen Augen plötzlich aufleuchteten. Als die Rote Korsarin endlich ihre Sprache wiederfand, konnte sie den Wikinger schon nicht mehr überraschen.

„Die ‚Isabella‘-Crew“, sagte sie tonlos. Und lauter: „Klar bei Brassen und geitauen! Es sind die Seewölfe! Sie haben sich ein spanisches Schiff unter den Nagel gerissen!“

Einen Augenblick war es still, dann brandete jäher Jubel auf. Ein Jubel, der von Bord der Karavelle erwidert wurde.

„Arwenack!“ dröhnte es wie Donnerrollen über das Wasser.

„He, ho!“ brüllte der Wikinger begeistert und schwenkte die Arme.

In den nächsten Minuten schien mitten in der Stille der Nacht ein Naturereignis abzurollen und die Besatzungen der beiden Schiffe nur noch aus Verrückten zu bestehen. Nur die Rote Korsarin starrte reglos durch das Spektiv.

Ihr Blick suchte den Mann, der hoch aufgerichtet auf dem Achterkastell der Karavelle stand.

Den Seewolf!

Sein schwarzes Haar flatterte im Wind, die Augen funkelten. Für einen Moment glaubte die Rote Korsarin, den Blick dieser eisblauen Augen ganz deutlich zu fühlen, und sie konnte nicht verhindern, daß ihr Herz plötzlich wie ein gefangener Vogel zu flattern schien.

Eine Viertelstunde später pullten Siri-Tong, Thorfin Njal, Juan und der Boston-Mann in einem Beiboot des schwarzen Seglers zu der Karavelle hinüber.

Die Rote Korsarin schwang sich als erste über das Schanzkleid. Der Seewolf war auf der Kuhl erschienen. Für eine endlose Sekunde tauchten ihre Blicke tief ineinander, aber weder Hasard noch Siri-Tong wären auf die Idee verfallen, sich hier und jetzt vor versammelter Mannschaft so zu begrüßen, wie sie es sich eigentlich gewünscht hätten.

Als sie sich die Hand reichten, waren sie, zumindest äußerlich, nichts weiter als zwei Verbündete, die sich nach langer Trennung wiedergefunden hatten.

Daß sich die Männer wesentlich stürmischer begrüßten, war etwas anderes. Der Wikinger hieb Hasard krachend seine Pranke auf die Schulter und röhrte, wieso, bei Odins Raben, er sich die „Isabella“ habe klauen lassen. Hasard verpaßte dem bärtigen Riesen einen freundschaftlichen Magenhaken, der ihm die Luft aus den Lungen trieb, und fragte ihn, seit wann der die Flöhe husten höre.

Daß eine Ration Rum für alle ausgeteilt wurde, verstand sich von selbst. Das allgemeine Begrüßungs-Hallo hatte sich immer noch nicht gelegt, als Siri-Tong, der Seewolf, Ben Brighton und Thorfin Njal wenig später in Hasards Kammer im Achterkastell saßen.

Der Wikinger nahm einen tiefen Schluck Rum und atmete auf.

„So“, brummte er. „Und jetzt erzählt mal, wer neuerdings mit der guten alten ‚Isabella‘ über den Pazifik segelt.“

„Ihr seid ihr begegnet?“ fragte Hasard erstaunt.

„Begegnet? Ha! Die hätten unseren ‚Drachen‘ beinahe zu Kleinholz verarbeitet. Das Verhältnis war etwas ungleich. Wir hatten Bierfässer und Rumbuddeln klargestellt, und die anderen waren gefechtsbereit.“

„Und was ist von der ‚Isabella‘ übriggeblieben?“ fragte Ben Brighton mit leicht belegter Stimme.

„Na, was wohl?“ Der Wikinger grinste. „Glaubt ihr vielleicht, wir zerschießen unseren alten Freunden das Schiff? Nein, die ‚Isabella‘ schwimmt noch! Sie konnte sogar ganz schön flott abhauen, während wir wie eine flügellahme Ente im Wasser lagen, sonst wären wir nämlich geentert und hätten Fischfutter aus den Kerlen gemacht. Nach Westen sind sie abgehauen. Aber das können sie natürlich auch getan haben, weil sie vor dem Wind verschwinden wollten, bevor wir sie doch noch auf Tiefe schickten.“

„Stimmt“, sagte Hasard. „Sie wollen nach Norden, nach Chiapas …“

In kurzen Worten erzählte er, was alles geschehen war, seit der Sturm die „Isabella“ von dem schwarzen Segler getrennt hatte. Thorfin Njal und die Rote Korsarin hörten schweigend zu, und Siri-Tongs Augen wurden sehr schmal, als Hasard von Dans und Batutis Entführung berichtete.

Danach war die Besprechung im Achterkastell ebenso schnell zu Ende wie die Wiedersehensfeier im Vorschiff.

Sie alle brauchten keine Worte, um sich zu verständigen. Der Kurs war klar. Und klar war auch, daß sie sich beeilen mußten, wenn sie noch eine Chance haben wollten, Jean Morros Piratenbande einzuholen.

Siri-Tong und ihre Leute setzten wieder mit dem Boot über.

Auf beiden Schiffen wurden Segel gehißt, schallten Kommandos, flitzten die Männer über die Decks, und wenig später liefen der große, düstere Viermaster mit den schwarzen Segeln und die kleine Karavelle bereits mit halbem Wind über Backbordbug nach Norden.

Jean Morro, der Bretone, hatte den Kampf schon so gut wie verloren …

Seewölfe Paket 6

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