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Sir Peter Ustinov – Waschen Sie doch einen Elefanten

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Durch meine langjährige Tätigkeit in einem so renommierten Haus wie dem Vier Jahreszeiten hatte ich das Glück und die Ehre, die Bekanntschaft vieler mehr oder weniger bedeutender Persönlichkeiten aus allen Bereichen von Kultur, Politik und Zeitgeschehen zu machen. Das waren häufig sehr anregende Erfahrungen, an die ich gerne zurückdenke.

Zu den Menschen, die bei mir einen unvergesslichen Eindruck hinterlassen haben, gehört auch Weltenbürger und »Universalgenie« Peter Ustinov. Zum ersten Mal bin ich ihm während meiner Wiener Zeit im Nobelrestaurant zu den »Drei Husaren« begegnet. Als ich dann 1976 nach Hamburg kam, traf ich ihn im Hotel Vier Jahreszeiten wieder, wo er Stammgast war. Sogar eine Suite heißt heute nach ihm: die Sir Peter Ustinov Suite. Wenn Sir Peter den Grill betrat und mich sah, dann begrüßte er mich mit dem Titel »Exzellenz«. Er wusste, dass man in Wien großen Wert auf Titel legt.

Einmal kam er mit einer jungen Journalistin in den Grill, um zu Mittag zu essen und dabei ein Interview zu geben. Nachdem er mich mit »Exzellenz« begrüßt hatte, ließ er, noch während ich ihn zu seinem Tisch begleitete, gleich eine ganze Reihe verbaler Kunststücke aus sich heraussprudeln, indem er französische Politiker imitierte. Dies beeindruckte die junge Dame so sehr, dass sie beim Platznehmen ehrfurchtsvoll sagte: »Sir Peter, diese Stimmen, die Sie machen, diese Töne, man möchte fast nicht glauben, dass Sie das alles mit dem Mund machen.« Ustinov zuckte kurz mit der rechten Schulter und meinte: »Na, ich hoffe doch.«

Das Essen sollte serviert werden. Leider war der Tisch mit vielen Papieren und Notizblättern belegt, es war ein sogenanntes Arbeitsessen. Herr Ustinov nahm die an seinem Platz liegenden Blätter und warf sie einfach zu Boden. Dagegen war nichts einzuwenden, nur wie sollte ich nun servieren, wie den Teller an seinen Platz setzen? Ich musste, um an den Tisch zu gelangen, mit einem großen Schritt über die am Boden liegenden Blätter steigen. Was ich auch tat. Sir Peter sieht das, schaut mich regelrecht dankend an und sagt: »Herr Nährig, soeben haben Sie meine Schriften übersetzt.«

Als einmal das Gespräch auf Ehrungen und Orden kam, erzählte er mir Folgendes. Eines Sonntagnachmittags hatte sich der Gemeinderat aus seinem Wohnort in der Nähe des Genfer Sees zu einem Besuch bei ihm angemeldet. Nach einer kurzen Präambel eröffnete ihm einer der Herrn, man habe beschlossen, nachdem die Ansässigkeit seiner berühmten Person dem Ort Glanz und eine gewisse Popularität gebracht habe, ihm, dem Künstler, eine Straße zu widmen. Ustinov hörte interessiert zu, schüttelte dann bescheiden den Kopf und sagte: »Lassen Sie das mit der Straße, ein Haus würd’ mir genügen.«

In den neunziger Jahren gab Peter Ustinov eine »One Man Show« in der Musikhalle. Heute heißt sie Laeiszhalle. Tout Hamburg hatte sich Karten für den Auftritt besorgt. Ein epochales Ereignis. Zusammen mit seiner Frau und einem befreundeten Ehepaar hatte auch der Logistik-Unternehmer Thomas Hoyer die Show besucht und für danach einen Tisch im Grill reserviert. Bei seinem Reservierungsanruf bat mich Herr Hoyer eindringlich um einen Platz in der Nähe von Peter Ustinov, für den Fall, dass auch er nach der Vorstellung zum Essen kommen sollte. Da ich wusste, wo Ustinov gerne saß, konnte ich das gut einrichten. Ja, Sir Peter kam tatsächlich nach der Vorstellung in den Grill und saß nun genau neben den Hoyers, die sich gleich für den wunderschönen Abend und für die herrliche Show bedankten.

Thomas Hoyers Frau ist Australierin, und aus welchem Grund auch immer verstanden sich Penelope Hoyer und Peter Ustinov auf Anhieb. Als Penelope auf Peters Stuhllehne saß, ahmte er ihr zu Ehren sofort das australische Nationaltier Känguru nach, was ihm in Anbetracht seines fortgeschrittenen Alters nicht ganz leicht fiel. Ich glaube, auf die Sprünge verzichtete er. Doch er war so »super drauf«, dass wir schließlich mehr oder weniger die ganze Show nochmals erleben durften.

Einmal wartete er vor seiner Abreise aus dem Hotel auf seinen Chauffeur, der ihn zum Flughafen bringen sollte. Er waren an diesem Tag kaum Gäste im Grill, und so konnten wir ein wenig plaudern. Ich nahm dies zum Anlass, ihm einmal zu sagen, wie sehr ich von ihm und seinem Leben beeindruckt bin. Von den vielen verschiedenen Sachen, die er in seinem Leben gemacht hat. Er war unter anderem Schauspieler, Regisseur, Autor, Stimmenimitator, Komödiant, ja sogar Rennfahrer. Er habe in seinem Leben, so teilte er mir mit, alle schönen Autos der Welt gefahren. Besonders gern die PS-starken und schnellen.

All das hat einen kleinen Schatten auf mein demgegenüber vergleichsweise armes Leben geworfen, was ich ihn auch wissen ließ. Am Ende meiner Lamentationen verkündete ich, dass ich im Leben, ehe es zu Ende gehe, noch einmal etwas Großes, Schönes und Reines machen möchte. Das sei so ein Wunsch von mir, setzte ich erklärend hinzu. Er sah mich mit seinem verschmitzten Lächeln an und meinte, etwas mitleidsvoll: »So waschen Sie doch einen Elefanten«, worauf wir beide sehr herzlich lachten. Dass er hierbei feinsinnig eine Erwiderung zitierte, welche einst Else Lasker-Schüler ihrem Dichterkollegen Gottfried Benn auf eine recht ähnliche Frage gegeben hatte, wurde mir erst viele Jahre später bewusst. Sir Peter war eben auch ein sehr belesener Mann.

Peter Ustinov gehörte zu dem kleinen Kreis von Prominenten, bei denen ich mir erlaubte, sie um ein Autogramm zu bitten. Als er einmal alleine am Tisch saß, nutzte ich die Gelegenheit, mein Anliegen vorzubringen. »Oh«, sagte er mit seinem dezenten englischen Akzent, »recht gern.« Aber dann ließ er sich Zeit. Ich wartete und wartete. Fürs viele Warten wurde ich schließlich wahrhaft »fürstlich« belohnt. Er hatte die gereichte Visitenkarte des Hotels nicht nur mit seinem Namenszug versehen, sondern dazu auch noch ein recht gut getroffenes Porträt von mir gezeichnet. Darunter setzte er den Schriftzug: »Rudolf Nährig, dem Kronprinzen der k. u. k. Oberkellner.«

Noch eine allerletzte kleine Ustinov-Geschichte: Sir Peter war mit einigen Gästen zum Mittagessen verabredet. Da wenig Zeit war – es sollten hinterher gleich wichtige Gespräche stattfinden –, hatte man sich für ein vorbestelltes Menü entschieden. Eine Gemüsesuppe und danach Wiener Tafelspitz. Die Suppe ist gegessen, es kommt der Tafelspitz. Einer der Gäste isst nur Kartoffeln und Gemüse und würdigt den schönen Tafelspitz keines Blickes. Als Ustinov das sieht, fragt er seinen Gast: »Schmeckt Ihnen das Fleisch denn nicht?«

»Nein«, antwortete der Gast, »durch eine fleischlose Ernährung möchte ich mein Leben verlängern.«

»Komisch«, gab Ustinov zurück, »und ich dachte immer, euch Vegetariern macht es Spaß, ins Gras zu beißen.«

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