Читать книгу Der Dynamitkönig Alfred Nobel - Rune Pär Olofsson - Страница 15
4
ОглавлениеImmanuel Nobel erholte sich langsam von dem Fiasko in Carlsborg. Er sah ein, daß sich die Mischung aus Pulver und Nitroglyzerin nicht zur Lagerung eignete und daß er noch keinen Weg kannte, um diese Mischung zu stabilisieren. Dennoch fuhr er mit seinen Versuchen fort. Obwohl Alfred und nun auch Emil ihm beweisen konnten, daß Pulver und Nitroglyzerin durch das Lagern nicht an Kraft verloren, falls sie in der Bombe oder der Mine selbst getrennt voneinander gehalten wurden.
Noch hatte Alfred keine größeren Erfahrungen mit der Lagerung seines getrennten ›Pulvers‹ – aus verständlichen Gründen; die Erfindung war ja erst kürzlich gemacht worden. Doch war Alfred jetzt nicht interessiert, Bomben oder Minen herzustellen. Er gedachte, das Nitroglyzerin, so wie es war, zu fabrizieren und zu verkaufen! Er nannte es Sprengöl.
Die Absicht war, das Öl direkt an die Bergwerksgesellschaften und Tunnelprojekte zu verkaufen. Eine ausführliche Beschreibung unterrichtete, wie man vorzugehen habe. Im Spätwinter 1864 saß er in Andriettes Küche und schrieb alternative Instruktionen für die Ladung bei unterschiedlichen Verwendungszwecken; es konnte so intrikate Fälle betreffen wie horizontale oder nach oben gerichtete Bohrlöcher, Unterwassersprengungen, Sprengungen von Eisenblöcken, Stahlblöcken, Bergnasen u.a. ... Für jede Möglichkeit fertigte er erklärende Zeichnungen an.
»Deine Zeichnungen sind häßlich!« meinte Immanuel. »Das könnte ich bedeutend hübscher und instruktiver machen!«
»Diese hier sind auch nicht für den Zaren gedacht«, wandte Alfred ein, »sondern für kluge und praktische Leute – wie Grubeningenieure und Sprengmeister ...«
»Hm ...«, brummte Vater. »Es wird teuer, solche Zeichnungen drucken zu lassen – wer soll das wohl bezahlen?«
Alfred gab keine Antwort. Statt dessen verwarf er eine ›Erklärung‹, die nicht einmal er selbst verstand, und schrieb ganz oben auf ein neues Blatt:
Notwendige Gerätschaften:
1 Ein graduiertes Maß, 1 Skålpund Sprengöl fassend, von welchem je 10 Ort ablesbar sind.
2 Ein langes Rohr, durch welches das Öl ins Bohrloch gefüllt wird.
3 Patentierte Zündhütchen.
4 Zündpfropfen.
5 Zündschnur.
6 Patronen mit zugehörigen Zündpfropfen für horizontale oder liegende sowie für undichte Bohrlöcher ...
»Ha, die Hälfte davon existiert überhaupt nicht in der Welt der Sinne!«
Immanuel hatte Alfred über die Schulter gespäht.
»Es wird existieren, wenn wir nur erst diesen unglückseligen Fachwerkbau haben! Sie, Vater haben schon vor Mittsommer im vorigen Jahr behauptet, er sei zugesichert – und noch immer können wir nicht hinein ...«
Diesmal schwieg Immanuel, er war in der Sache zu voreilig gewesen ... Doch sonst wäre Alfred nicht nach Hause gekommen – und vielleicht wäre das ja ebensogut gewesen.
Alfred wandte sich geduldig wieder seiner Beschreibung zu und notierte: ›Über die Ladung‹, Alternative 1. Mit Zündhütchen und Wasserlage. Das Sprengöl wird durch das obengenannte Rohr in das Bohrloch gefüllt. Anschließend wird Wasser aufgegossen. Das Zündhütchen wird auf das eine Ende der Zündschnur aufgezogen und mit Pech, Wachs oder ähnlichem abgedichtet, worauf es dicht unter die Oberfläche des Sprengöls gesenkt wird.
Dazu fügte er eine Zeichnung, die den Schnitt durch ein Bohrloch zeigte; die verschiedenen Momente und Teile sind mit a) bis f) ausgezeichnet und seitlich eine Erklärung der Zeichnung notiert. Es dürfte nicht möglich sein, etwas falsch zu machen! Es durfte kein Unglück geschehen!
Er neigte den Kopf und hielt sein Werk gegen die Petroleumlampe, um es besser sehen zu können; ja, so ging es ... Obwohl! Er hatte vergessen, eine Alternative zur Wasserlage aufzunehmen. Also schrieb er: ›Beachte. Eine Sandlage ist ebenfalls anwendbar; in dem Fall wird die Zündschnur mit einer Scheibe aus Holz oder Kork versehen, um das Herabfallen des Sandes in das Sprengöl zu verhindern.‹
»Patentierte Zündhütchen!« spottete Immanuel. »Wer, zum Teufel, hat dir ein Patent für so etwas bewilligt – und was, verdammt, sind Zündhütchen?«
»Sei so lieb und hör auf, Immanuel!« mahnte Andriette aus der Sofaecke vom Strümpfestopfen her. »Du weißt doch, daß Alfred ein Patent für all das angemeldet hat.«
»Nein, das weiß ich nicht! Alfred erzählt mir ja nie etwas.«
Alfred ließ den Stift sinken. »Was, in aller Welt, soll das?« stieß er in schrillem Falsett hervor. »Ich habe Ihnen doch jedes kleine bißchen gezeigt! Doch Sie lesen meine Beschreibungen ja nie – oder nur, um sie zu zerpflücken. Was hatte ich auch hier in Stockholm zu suchen! Waren nicht wir es, die ›zusammenarbeiten‹ wollten?«
Er warf den Stift in den Kasten und sammelte seine Papiere ein.
»Ja ja ja«, lachte Immanuel glucksend, »das wird schon alles gut, nur fertig werden müßte es. Aber – ich werde mit jedem Tag älter, und nichts wird, wie ich es mir vorgestellt habe.«
»Ich arbeite Tag und Nacht, Vater, damit es so wird, wie wir es uns vorgestellt haben. Daß wir nicht einmal ein Gebäude für die Fabrikation haben, ist faktisch nicht meine Schuld. Man soll ein williges Pferd nicht schlagen. – Gute Nacht jetzt, und danke für den heutigen Tag, Mutter!«
Er küßte Andriette auf die Wange und ging in seine Kammer; Immanuel verdiente keinen Dank für den Tag.
»Wenn ich noch ein paar Skålpund Sprengöl mehr zusammenhabe, dann werde ich mich auf den Weg machen und es verkaufen«, murmelte er vor sich hin. »Wie ein richtiger Hausierer!«
Er zog seinem eigenen Spiegelbild über der Waschschüssel eine Grimasse. In dem flackernden Kerzenlicht bemerkte er, daß seine Hände und Arme bis zu den Ellbogen hinauf gelb waren. Wirkte das kränklich? Würden die künftigen Käufer unschlüssig werden, wenn sie diese Farbe des Todes an seinem Körper bemerkten? Reichte seine Erklärung, daß die Verfärbung vom häufigen Kontakt mit der Salpetersäure herrührte? Wer mit dem fertigen Sprengöl zu tun bekäme, würde kaum noch etwas von der Farbe bemerken.