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Man zählte das Jahr 1864. Das sommerliche Stockholm gärte und stank in der Hitze, doch bei den Nobels an der kleinen Mälarbucht wehte ein angenehmes Lüftchen. Die Besiedelung nahm auch in diesem Randgebiet der Hauptstadt zu, dennoch lagen die Gebäude relativ weit voneinander entfernt. Die Laubkronen der vielen Bäume verbargen barmherzig den abblätternden Glanz der Häuser, und unten am Ufer gediehen einige junge Bäume recht vielversprechend. Andriette scherzte, sie seien das ganze Jahr über in der Sommerfrische und brauchten die Verwandten auf Dalarö kaum zu beneiden!

Hunderttausend Franc waren jedoch eine erschreckend hohe Schuldsumme in ihren Ohren, als sie sich über den Wechselkurs schließlich klar geworden war. Immanuel meinte genau das Gegenteil und fühlte sich ein wenig gerechtfertigt nach all den Vorwürfen, die er sich wegen der ungeheuren Kredite in der Zeit seines russischen Abenteuers hatte anhören müssen. Zugleich konnte er sich nicht enthalten, Alfred darauf hinzuweisen, daß 25 000 Silberrubel weit mehr als 100 000 Franc seien: »Und die bekam ich als Belohnung – nicht als Kredit!« Für den Zuwachs, mit dem Alfred jetzt rechnete, war Heleneborg zu beengt, trotz weiterer Anbauten. Doch für den Umzug der Fabrik hatte man im Augenblick weder Zeit noch Geld. Daß sich Mutter Andriette an ihren Bäumen und Pflanzen erfreute, war gut. Daß sie traurig war, weil all die Kinder des Hauses ihren kleinen Garten zertrampelten, war schlecht. Doch Alfred hatte keine Zeit, sich Bäume und Pflanzen anzusehen – kaum daß er sie auf Heleneborg überhaupt bemerkt hatte. Er steckte bis über beide Ohren in seinen ausländischen Patentbeschreibungen und der Korrespondenz mit all seinen potentiellen Käufern.

In der Fabrik führte Emil ständig neue Verbesserungen des Nitrierungsprozesses ein – mit ständig anderen Problemen im Schlepptau, die Analysen und neue Maßnahmen erforderten. Die Einarbeitung all der Apparaturen nahm auch ihre Zeit in Anspruch. Alfred konnte nur zerstreut nicken, wenn ihm Immanuel und Emil eine ihrer Zeichnungen unter die Nase hielten. Ja, sicher! Vortrefflich, wenn die Ausbeute gesteigert werden konnte und die Kosten dennoch gesenkt wurden! Daß ihr nur die Sicherheit nicht außer acht laßt.

Alfred lehnte sich gefährlich weit auf seinem Arbeitsstuhl zurück und begann über all die Vorsichtssmaßnahmen zu dozieren, die er angeordnet hatte. Sogar einen Aushang hatte er im Fabrikgebäude angebracht: Das und das und das hatten all diejenigen zu beachten, die mit Nitroglyzerin und der Nitrierung umgingen. Das alles war so viel wichtiger geworden, nachdem der Betrieb neue Leute hatte anstellen müssen.

Emil versicherte, es sei alles unter Kontrolle, und Immanuel meinte wie gewöhnlich, er sei nicht von gestern und das Ei solle nicht klüger sein als die Henne. Und Alfred seufzte und sah ein, daß er allzu mißtrauisch und selbstgefällig war. Konnte er nicht überall seine Finger mit im Spiel haben, glaubte er einfach nicht, daß es lief, wie es sollte. Er mußte lernen, seinen Mitarbeitern zu vertrauen, wenn er sich überhaupt auf solch umfangreiche Vorhaben einlassen wollte!

Eine gute Kraft hatten sie in dem jungen Hertzman bekommen, einem frischgebackenen Zivilingenieur des Technologischen Institutes. Und das französische Geld hatte wahrhaftig auch ausgereicht, ein paar junge Leute als Hilfskräfte anzustellen. Herman und Marie hießen sie. Das war jedenfalls ein Anfang – auch wenn man noch Lichtjahre von der Großmachtzeit der Firma ›Nobel & Söhne‹ in Rußland entfernt war ...

Daß Alfred so oft und in so düsteren Farben über die Gefahren und Vorsichtsmaßnahmen predigte, hatte eine höchst prosaische Ursache. Der Eigentümer, Grossist Burmeister, hatte in einem fort hereingeschaut und all die Unruhe, dieeigene und vor allem die anderer, über die gefährlichen Experimente vorgebracht, die man in dem Vorstadthaus Heleneborg durchführte. Und mit der ausdauernden Regelmäßigkeit einer Kuckucksuhr hatte Alfred dem Grossisten versichert, niemand brauche eine Gefahr für sein Leben und Eigentum zu befürchten. Der Prozeß werde mit derartigem Sicherheitsspielraum betrieben, daß er als gänzlich ungefährlich angesehen werden könne! Ja, mit Immanuels und Emils einstimmiger Unterstützung dürfte der Kuckucksruf zu dieser Zeit schon zu einer auf Anhieb herzubetenden Litanei für alle und jeden geworden sein.

Alfred hatte schon daran gedacht, ein Minarett auf Heleneborg zu errichten: Von diesem könnte der Muezzin zu festgesetzten Gebetsstunden die Botschaft über Gläubige und Ungläubige erschallen lassen.

Er wußte: Der geringste unvorhergesehene Schlag, der eine Fensterscheibe zersplitterte, würde Burmeister veranlassen, die Nobels auf die Straße zu setzen – wie General Müller es in Petersburg getan hatte. Und sie hatten keine Zeit zu einem solchen Abbruch – und auch keine Mittel dazu!

Wie ein Refrain folgte am Schluß eines jeden Besuches von Burmeister der Satz: »Herr Grossist, Sie können zumindest in einer Hinsicht völlig sicher sein: Keiner von uns, der mit dem Sprengöl arbeitet, hat die geringste Lust, selbst in die Luft zu fliegen!«

Dazu sagte Burmeister vermutlich Amen – doch klang es in seinem Mund ein wenig kleingläubig: »Ja, ja – wir werden sehen!«

Was die Nobels nach Meinung Burmeisters die anderen ›sehen lassen sollten‹, war jedoch nicht ganz klar.

Der Dynamitkönig Alfred Nobel

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