Читать книгу Der Normannenfürst - Rune Pär Olofsson - Страница 20
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ОглавлениеDas Kind wurde geboren. Ein Mädchen. Es war so kläglich und schwach, dass Rollo sofort Rat wusste:
„Wir setzen sie im Wald aus!“
Popa keuchte vor Abscheu und Zorn. Also war es wahr, was sie über die Normannen gehört hatte, wovon sie aber geglaubt hatte, es sei Gerede. Er war doch ein Hund und Heide!
„Unser Christus hat gesagt: „Lasset die Kinder zu mir kommen“, und ich habe gelernt, dass der Herr keinen dahinsiechenden Docht auslöscht. Aber wenn es dein Befehl ist, da gehe ich selbst mit dem Kind hinaus und komme nie wieder. Ich ahne jetzt, warum du keine Erben hast - und auch keine lebenden Geliebten!“
Er starrte sie unter seinem Sandsturm von einem Schopf hervor an.
„Das kann die Strafe dafür sein, dass du über Frei gelacht hast“, murmelte er.
„Nein, aber die Strafe dafür, dass ich mich freiwillig mit dir abgebe! König Davids erstes Kind mit Batseba, das durfte auch nicht leben ... Aber du brauchst dich nicht zu beunruhigen - das Kind stirbt wohl bald, so schwach, wie es ist.“
Das Kind wollte die Brust nicht nehmen und wahrscheinlich hatte sie auch keine Milch, so aufgerührt, wie sie war.
„Beunruhigen?", äffte er nach. „Danke dem Teufel, dass ich beunruhigt bin! Ich habe dich nicht geheiratet, damit du schwache Kinder bekommst und dazu noch von weiblichem Geschlecht. Ich in meinem Alter ..."
Dann ging er seiner Wege und Popa sandte nach Denis. Wollte er das Mädchen taufen?
„Dazu habe ich kein Recht“, antwortete der Bruder, „aber ich kann dein Kind nottaufen. Dann kann ein Priester die Taufe bestätigen, wenn sie überleben sollte.“
„Haben wir denn keinen Priester in Rouen?“, klagte sie.
„Keiner hat sich hier hergewagt, seit Rollo kam“, antwortete Denis. „Obwohl er selbst beim Erzbischof in Reims darum gebeten hat.“
„Ja, das ist Scham und Schande, dass Priester und Bischöfe zu bequem sind, nicht mal ein paar Meilen reisen zu können, um vor den Heiden zu predigen. Wie sollen die Normannen einmal friedliche Christen werden, wenn keiner versucht, vor ihnen das Wort Gottes zu verkünden?“
Denis seufzte. Er hatte daran gedacht, sie an die Mönche in Jumièges zu erinnern, aber da waren nur noch drei - und selbst war er wegen seiner Sünden aus dem Brüderkreis ausgeschlossen. Aber das Herz, das Popa mitzuteilen, hatte er nicht. Oder nicht den Mut.
Das notgetaufte Kind starb am dritten Tag, wie Popa es vorausgesagt hatte.
Rollos Sinne waren verdunkelt und er sprach während der darauf folgenden drei Tage zu keinem. Dann nahm er seine Leibwache mit sich und ritt unter Friedenszeichen nach Süden. Auch Denis war dabei. Er schlug ein Lager am Fluss Oise auf und sandte Botschaft zum Erzbischof von Reims. Nachdem beide Seiten Geiseln gestellt hatten, kam der Erzbischof zum Fluss. Rollo ließ Denis erklären, er und sein Volk wollten Priester im Seineland haben. Und weshalb hatte Rouen weiterhin keinen Erzbischof?
„Wessen Fehler ist das?“, fragte der Erzbischof. „Die Bischofsburg in Rouen wurde bereits vor 50 Jahren geschliffen. Ist sie seit dem wieder aufgebaut worden?“
„Das soll schnurstracks geschehen. Aber der Erlöser begnügte sich mit einem Stall, habe ich gehört, da wird wohl sein Bischof nicht einen ganzen Palast benötigen?“
„Er benötigt auf jeden Fall eine Kirche. Aber die Kathedrale in Rouen benutzt ihr als Stall, wie ich gehört habe. Ist das in der Nachfolge des Erlösers?“
„Die Kathedrale war so stark beschädigt, als ich nach Rouen kam“, antwortete Rollo, „dass sie weder als Kirche noch als Stall taugte. Ich bot der ganzen Gegend auf des damaligen Bischofs Bitte Frieden an, und Frieden hat das Land gehabt, soweit es auf mich ankam. Aber wir hatten ja niemals genügend Frieden vor den Franken gehabt, um Kathedrale oder Bischofspalast aufbauen zu können. Es war nicht mein Fehler, dass Bischof und Priester flohen. Die Kirche von St. Quen habe ich jedenfalls wieder aufgebaut; die muss wohl für den Bischof so lange reichen.“
„Es befanden sich Bischöfe in vielen anderen Städten, erinnerte der Erzbischof. In Evreux und Bayeux, um nur einige zu nennen. Die Städte existieren genau genommen nicht mehr - und die wurden wahrlich nicht vor einigen fünfzig Jahren geschliffen! Und die Christen in den Städten hast du des Landes verwiesen und vertrieben. Wer konnte da glauben, du würdest dich nach Priestern sehnen?“
Rollo schwieg eine Weile, dann sagte er:
„Ich sprach jetzt nicht von Bayeux, sondern von Rouen. Bruder Denis hier kann dir berichten, dass christliche Mönche in Jumièges verblieben sind und ihr Kloster wieder aufgebaut bekommen haben. Die können nicht ein einziges schlechtes Wort über mich und mein Volk sagen. Aber keiner der Mönche hat das Recht, die Messe zu feiern und zu taufen. Ich habe viele Franken in meinem Dienst, und Bauern und Bürger sind in Rouen zurückgeblieben oder zurückgekehrt. Ich habe mir sogar eine christliche Frau genommen. Sie hat neulich ein Kind bekommen, das sich mit einer Nottaufe begnügen musste, bevor es starb. Was glaubst du, was sie dazu meint, wie sich ihre Kirche um sie kümmert? Und mich will sie überreden, mich taufen zu lassen - aber wie soll das geschehen? Ich kann wohl nicht notgetauft werden?“
„Dir eine christliche Frau „genommen“ war wohl das richtige Wort“, antwortete der Bischof verbiestert. „Die Ehe ist wie auch immer von der Kirche nicht gesegnet. Und was es heißt, normannische Fürsten zu taufen, damit haben wir schlechte Erfahrungen. War es nicht gar dein Onkel, der mit dem seligen König Odo einen Verbund schloss und sich dann mit dem König als Gevatter taufen ließ? Welche Art Frieden bekam der König von diesem Verbund!“
„Mein Onkel Hulk ist seit langem tot und begraben, aber ich gebe zu, das war von ihm schlecht getan. Aufgrund dieses Verrats habe ich mich auch von ihm geschieden. Und hast du irgendwo gehört, ich hätte seitdem das Land weit hinein ins Frankenreich beunruhigt?“
„Wer uns mit deiner Zustimmung oder ohne sie bekriegt, kann nicht einmal der Teufel wissen“, meinte der Bischof. „So viel ist jedoch sicher, kein Franzmann lebt sicher, weder entlang der Loire noch der Seine. Begnüge dich damit, in Rouen zu sitzen, und höre mit deiner Räuberei auf, so wirst du beides erhalten, Priester und Bischöfe.“
„Ich werde jetzt einen Bischof haben - und wenn ich einen von dir rauben muss!“, schrie Rollo. „Bei Gottes Gebein, das ist teuflisch, dass es keine Christen mehr gibt, die nach der Märtyrerkrone trachten!“
Der Bischof lachte.
„Du hast jedenfalls gelernt auf christliche Weise zu fluchen, so kannst du nicht weit von Gottes Reich sein. Deshalb sollst du bekommen, was du willst. Ich glaube, ich weiß einen, der Märtyrer werden will.“
„Einer ist besser als keiner“, antwortete Rollo. „Aber - das darf nicht irgendein Sauertopf sein. Da kann es leicht geschehen, dass er mehr für seine Dummheit als für seinen Glauben leiden muss, und da wird wohl nicht einmal ein Bischof ein Märtyrer?“
Die Geiseln wurden freigelassen und jeder kehrte zu den Seinen zurück. Es dauerte einen Monat aber letztendlich kam Witto und zog in den hastig gesäuberten Erzbischofpalast in Rouen ein. Er hatte einige Priester mitgebracht und so konnte dann endlich wieder die Messe in Rouen gefeiert werden und Popa geistliche Wegleitung erhalten. Die letzten Hinterlassenschaften der Pferde der Normannen hatten sie auch aus der Kathedrale geräumt, aber im Chor und über dem Altar lag immer noch der Regenschutz, den Rollo aus zusammengefügten Segeln nähen lassen hatte. Ganz dicht war das Dach ja nicht, besonders nicht, wenn es stürmte. Witto klagte. Mit den gewaltigen Steuern, wie Rollo und seine Männer sie den Franken abgezwungen hatten, ganz abgesehen von der unermesslichen Beute, die sie von Unschuldigen genommen hatten, sollte Rollo in der Lage sein, die Kathedrale instand zu setzen.
„Alles zu seiner Zeit“, versprach er. „Aber einige Regentropfen über dem Altar sind wohl nicht die Welt; ihr mischt ja doch Wasser in den Abendmahlswein!“
„Das“, meinte Witto, „war eine schlechte Entschuldigung.“
Popa und Rollo versöhnten sich bald nach dem Unfrieden um das Neugeborene. Sie hatten es schwer als Mann und Frau voneinander zu lassen. Und als Popa herausfand, welch große Mühe Rollo aufgewandt hatte, einen Bischof oder Priester nach Rouen zu bekommen, wurde auch sie weich. Sie begriff, dass er das für sie getan hatte und sein Eifer eine Art Wiedergutmachung für seine Härte gegen das Kind und sie war.
Dennoch war es, als ob weder seine noch ihre Götter mit Gefallen auf ihre Umarmung sahen. Als Popa das nächste Mal schwanger wurde und ihr Kind schon über die Hälfte der Zeit war, bekam sie eine Frühgeburt.
Dieses Mal schwiegen sie beide und berührten nicht mit einem einzigen Wort, was geschehen war.
Aber Popa ritt nach Rouen, um mit dem Erzbischof ein ernstes Gespräch zu führen.
Witto lauschte geduldig ihrem Bericht.
„Habe Geduld, meine Tochter“, ermahnte sie der Bischof, als sie endlich ermüdete. „Du hast keine Schuld, weil du entführt wurdest. Nach kanonischem Recht lebst du mit Rollo in Sünde, aber der Herr sieht auf die Absicht und weiß, gerade du hattest keine andere Wahl. Dass die Kinder gestorben oder von dir gegangen sind, sollst du nicht als eine Sündenstrafe sehen - aber möglicherweise kann diese Prüfung so auf Rollos Gesinnung einwirken, dass er williger wird, die Taufe anzunehmen. Wer weiß - vielleicht kann seine Liebe zu einer christlichen Frau der Weg zu seiner Bekehrung sein. Und da bist du Werkzeug in der Hand des Herrn geworden!“
Popa saß und sah auf den Fußboden; jeweils ein Viereck war schwarz, das andere weiß. Sie konnte es nicht unterlassen, diese zu zählen. Wieder und wieder. Sechs schwarze und sieben weiße in der Länge und umgekehrt in der Breite ... Weshalb weckte der Teufel solche Gedanken in ihr, jetzt wo sie es nötig hatte, all ihre Aufmerksamkeit auf Wittos Antwort zu lenken!
„Eine Sache habe ich nicht bekannt“, antwortete sie leise. „Ich - ich leistete niemals Widerstand gegen Rollo. Ich gab mich ihm aus freiem Willen.“
Endlich war es gesagt.
Sie wartete auf seine Antwort, und als die nicht kam, war sie gezwungen aufzusehen und diese in seinem Gesicht zu lesen, obwohl sie das Schlimmste ahnte. Was sie sah, war Lächeln und Milde, da wo sie Abscheu erwartet hatte.
„Sei froh, dass du nicht die doppelte Bürde tragen musst, auch noch Widerwillen gegen die Normannen zu spüren! Und würde es besser für einen von euch sein, wenn Rollo sich dir mit Gewalt aufgezwungen hätte?“
Sie konnte es fast hören, wie ihr bei seinen Worten die Steine vom Herz fielen. Und schließlich wagte sie es, ihn anzulächeln.
„Ich habe deine Beichte gehört“, sagte er und erhob sich. „Nun werde ich dir die Absolution erteilen.“
Er ging zu einem kleinen Altar voran und bezeichnete ihr zu folgen. Dann nahm er die Stola und hängte sie über seine Schultern. Sie beugte die Knie und lauschte auf die Gebete, die er sprach. Dem Latein konnte sie nur stellenweise folgen, doch war es, wie der eigenen sicheren Muttersprache zu lauschen, und manchmal konnte sie in das Gebet einfallen und wusste, was die Worte bedeuteten: " ... mea culpa, mea culpa, mea maxima culpa ..."
Dann lag seine Hand auf ihrem Kopf und das Zeichen des Kreuzes auf ihrer Stirn verblieb wie ein Zeichen der Wonne. Erst jetzt kamen die Tränen. Erst jetzt sah sie ein, wie groß ihre Entbehrung gewesen war, das Vermissen des Sakramentes, Sehnsucht nach dem Heiligen. In Bayeux hatte sie einen Hauspriester gehabt - aber da hatte sie nicht weiter darauf geachtet und es nicht anders als zu den Selbstverständlichkeiten gezählt.
Durch die Tränen hindurch küsste sie die Stola, die er ihr reichte. Dann tastete sie nach seiner Hand, fand diese und küsste auch seinen Bischofsring. Nicht nur einmal in bescheidener Andächtigkeit, sondern immer wieder, bis er seine Hand zurückzog und ihr auf die Füße half.
„Geh nun, mein Kind, geh nun im Frieden des Herrn - aber komm wieder, sobald du es nötig hast. Freue dich, dass der Herr dein Herz vor Verhärtung bewahrt und den Glauben darin gelassen hat. Jemand hat kraftvolle Gebete für dich gesprochen.“
Das erinnerte sie an einen anderen Schmerz.
„Ich vermisse die Meinen und besonders meinen Bruder Bernhard. Ich hätte es gern, wenn sie auf irgendeine Weise einen Gruß bekämen und ein ..."
Sie wusste nicht, wie sie es erklären sollte. Der Erzbischof legte seine Hand auf ihre Schulter und drückte diese leicht.
„Ich werde sehen, was ich ausrichten kann“, versprach er. „Senlis - nicht wahr? Gut! Nächstes Osterfest hoffe ich, dein Kind taufen zu dürfen - ein starkes und lebendiges Kind!“
Sie sah verwundert zu ihm auf. Noch war sie nicht schwanger, ja, sie hatte Rollo seit ihrer Fehlgeburt nicht einmal näher kommen lassen. Wie konnte der Bischof das so sagen?
Sie vergaß auf alle Fälle nicht, sich zu verbeugen, bevor sie in den gleißenden Sonnenschein hinaustaumelte.
Zu Ostern des folgenden Jahres musste der Erzbischof wirklich ein lebenskräftiges und lautstarkes Kind von Rollo und Popa taufen. Aber auch dieses Mal war es von weiblichem Geschlecht.
Wenn Rollo enttäuscht war, versteckte er es gut. Es war diesmal keine Rede davon, das Kind zu den wilden Tieren auszusetzen. Sobald er durfte, hob er das Mädchen hoch und lachte über ihr reichliches Haar, welches auf den Punkt seinem glich.
„Und starke Hände hat sie, obwohl sie noch so zart ist“, lachte er und ließ sie den Griff um seinen rechten Nasenflügel halten. Dann setzte er sie symbolisch aufs Knie und sagte: „Das ist meine Tochter, und sie soll nach meiner Mutter Gerlog genannt werden!“
Popa schwieg und ließ ihn, trotzdem sie gelernt hatte, der Name des Kindes sollte geheim gehalten werden, bis er in das Ohr des Taufeverrichters geflüstert wurde. Sonst konnte der Böse dem kleinen Ungetauften schaden, wenn er seinen Namen kannte. Dass sie beim Namen der Tochter kein Wort mitzureden hatte, musste sie wohl auch erdulden. Da war es genug, dass er sie zur Bestätigung seiner Vaterschaft aufs Knie gesetzt hatte. Sie musste es auch als eine Ehre auffassen, dass er das Mädchen nach seiner Mutter benennen wollte, obgleich ihr der Name ungewohnt im Mund lag. Rollo, der Anführer der Normannen hatte einen anerkannten Nachkommen, obwohl es bestimmt besser wäre, wenn der Nachkomme ein Sohn gewesen wäre. Popa verstand das genauso gut wie Rollo. Sie konnte nur hoffen, nicht eine zu sein, die nur Mädchen zur Welt brachte. Nächstes Mal! Sie würde Erzbischof Witto fragen, welchen Heiligen sie um Fürbitte anrufen konnte, um als nächstes einen Knaben zu gebären. St. Martin von Vertou vielleicht? Nein, der war als Schutzpatron für die unglücklich Verheirateten bestimmt - und das stimmte ja in ihrem Fall nicht, wenn auch ... Nein, sie konnte sich nicht erinnern. Es war so viel, was sie nicht kannte oder was sie vergessen hatte. Wenn sie nur besser zugehört hätte, als ihre Mutter lebte - oder als sie der Hauslehrer unterrichtete! Sie taugte nicht viel als „Werkzeug des Herrn“ unter den Heiden.
Es gelang ihr jedoch, Rollo davon abzubringen, Gerlog auf nordische Weise mit Wasser zu übergießen. Dagegen konnte sie nicht verhindern, dass er die Neugetaufte Salz von seiner Schwertscheide lecken ließ - was für ein Nutzen nun ein Mädchen von so etwas haben konnte!
Sobald die Tauffeier zu Ende und es Rollo gelungen war, wieder nüchtern zu sein, ritt er allein mit dem Pferd aus. Er würde ausreiten - wohin, sagte er nicht. Während des Festes hatte Rollo betrübt ausgesehen. Vielleicht musste er sich die Schwermut abreiten, worauf die nun auch immer beruhen mochte.