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ОглавлениеHalland war in den Tagen seines Vaters ein Teil des Reiches des dänischen Königs, aber mit weit reichender Selbstständigkeit. In bestimmten Zeiten war es unsicher, zu welchem König man gehörte, dem dänischen oder dem Sveakönig. Manchmal gab es viele Könige, kleinere und größere, die einander in die Haare gerieten, und dann herrschte keiner. Lange Zeiten hatten Dänemark und Norwegen den gleichen König - oder einer der Könige erhob Anspruch auf beide Reiche. Zeitweise nannte sich einer König von Dänemark oder König von Norwegen, ohne über viel mehr zu herrschen als über einiges snesland um seinen eigenen „Königshof“ herum.
Es war nun so, dass Rollos Vater, Guttorm, Halland als Erbe von seinem Vater bekommen hatte. Jarl wurde er genannt - aber wessen Jarl war er? Kein König hatte von ihm den Lehnseid gefordert, und so lange er lebte, hatte er seine Hände nicht zwischen die eines Königs gelegt. Mit Hårik II. auf dem dänischen Thron sollte Guttorm genau gewusst haben, wohin er gehörte, weil er des Königs Neffe war. Aber als Guttorm auf die Aufforderung, an Håriks Hof zu kommen, nicht antwortete, und weil Håriks Kundschafter berichteten, Guttorm würde sich viele Hunderte gut bewaffneter Knechte hallten und konnte dazu rasch Vasallen aufbieten, ließ Hårik die Sache auf sich beruhen. Guttorm durfte sitzen, wo er saß, bis sich König Hårik stärker fühlte. Das eine oder andere Scharmützel an der Grenze zu Schonen hatte auch gezeigt, Guttorms Männer waren wachsam und legten keinen besonderen Wert auf die Verwandtschaft mit den Dänen.
König Hårik war über seinen Neffen auch nicht erfreut, als Guttorm begann, junge dänische Männer aufzunehmen und zu beschützen, die der König des Landes verwiesen hatte. Die dänischen Inseln waren übervölkert, genauso Schonen; größere Teile von Jylland waren Wildnis und konnten nicht für so viele Nahrung geben. Also beschlossen der König und seine Jarle, ein alter Brauch sollte wieder aufleben: Durch Wurf eines Loses wurde bestimmt, welche der Bauernsöhne gezwungen sein würden, das Land zu verlassen, um ihr Glück außerhalb des Landes zu finden.
Viele der Betroffenen weigerten sich jedoch und es wurden Hiebe und Schläge ausgeteilt. Wenn sich die Verwiesenen nicht mehr wehren konnten, flohen sie auf ihren Schiffen hinüber zu Guttorm nach Halland.
Guttorms beide Söhne, Rollo und Gurim, waren dabei, erwachsen zu werden. Sie stützten ihren Vater und versprachen ihren dänischen Brüdern all die Hilfe, die sie in Zukunft benötigen würden.
„Ihr habt die gleichen Rechte auf dänisches Land wie jeder andere“, meinten Rollo und Gurim. „Kommt ihr in unseren Dienst, so werden wir uns rüsten und nehmen das zurück, was euer rechtmäßiges Eigentum ist.“
Bald danach starb Guttorm Jarl. Und kaum hatten die Söhne sein Grabbier getrunken, als sie erfuhren, König Hårik hatte befunden, es sei an der Zeit, die Guttormssöhne zu unterdrücken und Halland erneut unter seinen Gehorsam zu zwingen. Eine große Flotte rüstete sich auf beiden Seiten des Öresundes, um an der halländischen Küste zu landen.
Angriff ist die beste Verteidigung! Zusammen mit den Landesverwiesenen zogen Rollo und seine Männer über die Grenze nach Schonen und verheerten und brandschatzten. Eine Menge karver und wohlgerüstete sessor überraschten sie in den Häfen entlang der Bärjehalbinsel und in den Buchten südlich davon - die wurden in Brand gesetzt und vom Land gestoßen oder wurden in die raume See bugsiert und durften brennend gegen Seelands Küste treiben.
Darüber konnte König Hårik keine Nachsicht walten lassen. Er ließ eine große Truppe an Land setzen, welche Rollo und Gurim von Süden her angriff. Die beiden Heere schlugen sich über mehrere Tage, aber die Halländer waren besser mit der Natur und dem Terrain vertraut. Das gab zuletzt den Ausschlag: Der König kehrte um und zog sich mit seinen Männern in die befestigten Orte zurück.
Rollo und Gurim setzten ihr Toten in Hügeln bei, aber die Gefallenen des Königs ließen sie liegen.
Über gut und gern fünf Jahre wurde der Kampf fortgesetzt, ohne dass eine Seite ein Übergewicht gewann. Mit dem Recht des Alters steuerte Rollo das Jarltum und Gurim war Oberbefehlshaber des Heeres. Eine Beendigung des Streites war nicht abzusehen, außer wenn sie nach Dänemark gezogen wären und Hårik vollständig geschlagen hätten; andererseits besaßen sie dafür nicht genügend Kräfte, wenn sie keine Hilfe von außen in Anspruch nehmen wollten. Aber das war ihnen zuwider; es war schlimm genug, dass Verwandte gegeneinander kämpften.
Es blieb nichts anderes übrig, als Frieden zu schaffen, indem man sich auf Gnade und Ungnade ergab - aber wie der Frieden für sie aussehen würde, konnten sie sich leicht ausrechnen. Und die vom dänischen König Verwiesenen wollten auf diesem Ohr gar nicht hören; die hatten nur den Tod für ihren Aufruhr zu erwarten.
Da kam Botschaft von König Hårik. Der Bote wandte sich an Rollo:
„König Hårik lässt dieses bestellen: „Du und ich, wir sollten uns beide über die Verwandtschaft freuen und nicht länger gegenseitig bekriegen.“ Hierzu hat der König einen Vorschlag, den ich sofort vorlegen werde, wenn ich zuerst Bier bekomme!“
Der Bote bekam sein Bier und gab dann seines Königs Wunsch bekannt: Der wollte das haben, was sein Vater besessen hatte; worüber Rollos Großvater geherrscht hatte, durften sie, Rollo und Gurim, behalten. Doch sollten sie dann in Frieden leben und ein Bündnis miteinander eingehen. Auch für die des Landes Verwiesenen hatte der König einen Vergleichsvorschlag, und nachdem diese und Rollos Hauptleute den Vorschlag gehört hatten, gaben sie ihre Zustimmung. Der Tag wurde festgesetzt, an dem Frieden geschlossen und Eide geschworen werden sollten.
Hårik und Rollo trafen sich an der Grenze; während der Jahre der Fehde war sie längs der Laga entstanden, und dort hatte Rollo eine Festung auf einer der Inseln bauen lassen, wo der breite Strom eine Querbiegung machte. Lagaholm nannte er diese Festung. Er bot dem König an, auf Lagaholm Quartier zu nehmen, aber Hårik zog es vor, zusammen mit seinen Knappen im Lager südlich des Hafenortes zu wohnen.
Am Südende der Laga trafen sie sich also, der König und Rollo, tauschten wertvolle Geschenke aus und schlossen mit kräftigen Eiden Frieden. Das nachfolgende Fest wurde am Strand abgehalten, weil so viele Gäste keinen Platz im Hause hatten. Als das Fest zu Ende war, schieden beide Parteien, und alles war Frieden und Freude.
Aber während der dunkelsten Stunde der Nacht fielen die Männer des Königs die Festungswälle an. Rollo und Gurim waren auf den Angriff völlig unvorbereitet, und zuerst wussten sie nicht, woher er kam. Waren es wirklich die Männer des Königs oder war es eine dritte Partei, die nun dachte, zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen zu können.
Wie auch immer, sie begannen, sich zu verteidigen. Da wandten sich die Angreifer um und flohen. Rollo und seine Leute hinterher, sie wollten wenigstens wissen, wer die Angreifer waren. Und vielleicht brauchten die Knappen des Königs ihre Hilfe, wenn es so war, dass das Lager des Königs bedroht war?
Da! Aus geschütztem Hinterhalt wälzten sich Feinde im Rücken der Verteidiger hervor, wie sich die Fliehenden gleichzeitig rasch umwandten und auf Rollos Leute einschlugen. Der dänische König hatte in aller Heimlichkeit sein Heer zu den Wäldern nördlich des großen Hügels geführt, und in der Unschuld seiner Jugend hatte Rollo nach so teuren Eiden nicht mit Verrat gerechnet.
Die Festung brannte bald hinter Rollos Männern, und die Übermacht war zu groß - in zwei Richtungen vermochte man nicht besonders lange standzuhalten. Die Männer um Rollo fielen auf allen Seiten. Als er Gurim fallen sah, zog er sich mit vielen Wunden aus dem Kampf zurück und floh zusammen mit einer Hand voll Überlebender. Während Hårik befestigte Orte und Dörfer niederbrannte und das Land unter sich legte, zogen sich Rollo und seine Leute zur Flussmündung zurück. Dort hatten sie sechs Schiffe liegen, versteckt unter Laubzweigen. Mit diesen Schiffen segelten sie nordwärts zu einer Insel im Götafluss, die dem Sveakönig gehörte.
In den dänischen Landen waren sie nunmehr vogelfrei, dorthin konnten sie nicht zurückkehren. Sich unter den Sveakönig zu begeben, dazu hatten sie auch keine Lust. Die Frage war: Wohin sollten sie ihren Weg nehmen?
Während sie ihre Wunden versorgten, kam einer nach dem anderen von den Dänen, die König Hårik früher verwiesen hatte. Das Gerücht, wohin Rollo geflüchtet war, hatte sie erreicht. Rollo war darüber nicht besonders froh; je mehr sie wurden, desto schwerer war es, alle mit Essen zu versorgen - und bald würde auch König Hårik erfahren, wo sich Rollo befand. Hatten sie Pech, würde einer von den Jarlen des Sveakönigs kommen und sie vorher vertreiben.
Rollo war noch von seinen Wunden erschöpft und schlief mehr, als er wach war. Träumte er oder hörte er wirklich eine Stimme? „Rollo, steh auf, sei guten Mutes und zieh sofort über das Meer nach England!“
Den Gedanken konnte er jedenfalls selbst gedacht haben - und hatte es auch getan, mehr als einmal! Aber nun wurden auf einmal alle die Neugekommenen ein Zuwachs. Sechs Schiffe mit genug Volk, sie zu bemannen, voll bewaffnet – ja, gewiss würden sie rüber nach England ziehen können.
Ganz willkommen in England waren sie nicht! Sie mussten harte Kämpfe austragen, dort wo sie landeten, aber sie hatten nichts anderes als das Leben zu verlieren und schlugen sich mit dem Mut der Verzweiflung, bis die Angeln - oder wer diese waren - flohen, Gefallene und Gefangene hinterlassend. Nun konnte Rollo wenigstens verhandeln! Er sandte Botschaft zum König der Angeln und versprach seine Gefangenen frei zu lassen, wenn sie über Winter bleiben durften; dann würden sie weiterziehen - sie hatten nichts Böses gegen das Volk von England im Sinne, sie waren nur arme dänische Landesflüchtlinge, vertrieben von ihrem König.
Den Rest kann man hier nun auslassen: die Jahre in Friesland und Flandern, mal mit dem einen, mal dem anderen nordischen Heerführer, die Rückkehr nach England und seinem großen Glück bei König Gudrum in Ostangeln. Er wollte auf den Traum zurückkommen, für den er abgelehnt hatte, ein mächtiger Jarl bei König Gudrum zu werden, der Traum, der schuld war, dass er sich nicht zurück nach Dänemark oder Halland mit seinem ständig wachsenden Heer begeben hatte – das wäre nicht geschehen, bevor er nicht selbst Dänemarks König gewesen wäre!
Den Traum hatte er während eines widrigen Winters in England:
Er befand sich plötzlich in einer wunderbaren fränkischen Stadt oben auf einem hohen Berg. Hier wollte er wohnen! Er ging zwischen den Häusern umher und fand alles bemerkenswert und vortrefflich. Das einzige Verwunderliche war, dass er ganz einsam war. Es war nicht ein einziger Mensch zu sehen ... Aber gerade das bekümmerte ihn nicht. Er ging zur Stadtmauer und bewunderte ihre Stärke und ihre Befestigungstürme. Was für eine Stadt konnte das sein? Gerade als er stand und das schöne Stadttor betrachtete, fühlte er, wie es begann, am ganzen Körper zu jucken. Er kratzte sich, wo er hinkommen konnte, aber das hatte keine Wirkung, brachte keine Linderung. Da sah er auf seinen Körper herunter, er betrachtete seine Hände und riss sein Hemd auf und schaute: Ja, überall war er von den widerwärtigen Zeichen des Aussatzes bedeckt.
Vielleicht waren alle vor seinem Anblick geflohen? Drinnen in der Stadt durfte keiner mit Aussatz sein, soviel er wusste. Raus und weg! Aber - wie hatte er diese furchtbare Krankheit so plötzlich bekommen können?
Er rettete sich auf die Spitze des Berges hinauf, während er seine arme Haut kratzte, bis sie blutete. Während er den Hang hinaufzog, hörte er Wasser rauschen. Der Laut kam immer näher, je höher er kletterte. Und da, da lag eine Quelle, von der das Rauschen kam. Er legte sich auf die Knie, um zu trinken, aber zuerst spiegelte er sich in dem klaren Wasser und bemerkte, wie das Wasser duftete. Wie Rosen, wie ... Er hatte keinen Vergleich. Gewiss war: Einen so lieblichen Duft hatte er vorher nicht gekannt!
Er wölbte die Hand und trank. Das Wasser war nicht kalt, wie er erwartet hatte, und doch war es kühl. Sonderbar! Vielleicht würde es sein Jucken lindern, wenn er in die Quelle stieg? Es war vielleicht einem Aussätzigen nicht erlaubt, dieses herrliche Wasser zu besudeln, aber er sah sich um und fand immer noch keinen Lebenden in Sicht. Also zog er seine Lumpen aus und ließ sich in die kühlende und doch lauwarme Quelle sinken. Er schauderte, als er seine aufgeschwollene, schwammartige Haut mit den dunklen Flecken sah. Er konnte sich auch gleich in die Quelle sinken lassen und sich darin ertränken.
Er sank nicht! Er taucht erneut unter die Oberfläche, aber die Quelle hob ihn gleichsam auf ihren Händen. Er legte sich auf den Rücken, während er darüber nachdachte, was für eine merkwürdige Quelle das sein konnte. Als er so lag, sah er seinen Körper in voller Länge. Er sah und sah nicht; das konnte keinesfalls sein Körper sein, weil der ganz frei von den unheimlichen Zeichen des Aussatzes war. Er hob seine Hände; auch die waren sauber. Er sprang aus der Quelle, so schnell er vermochte, und wartete angestrengt darauf, dass sich die Quelle wieder beruhigte, um sein Angesicht in ihrem Spiegel sehen zu können. Nicht einmal dort konnte er Zeichen der Krankheit finden. Und das Jucken - das war auch vollständig verschwunden!
Er warf sich auf den Rücken und lachte laut: Er hatte eine wundertätige Quelle gefunden! Da sah er, der Raum über ihm war voller Vögel. Ja, es waren Vögel überall um ihn herum: Es mussten Tausende sein. Einige erkannte er wieder, andere waren ihm fremd, ja, es gab alle Arten, kleine und große, schwarze und weiße und blaue und rote und grüne und ... Das Sonderbarste war, manche der Vögel hatten dunkelrote linke Flügel, während der Rest weiß war.
Staunend vor Verwunderung sah er die Vögel sich über ihm in immer engeren Runden schwingen. Gedachten sie, ihn zu überfallen? Nein, sie senkten sich in die Quelle, so viele, wie Platz finden konnten - und nun schien es, als ob sich die Quelle zu einem gewaltigen See weitete, wo alle Vögel Platz hatten. Sie schüttelten sich, sie rüttelten sich, sie schlugen mit den Flügeln, sie plusterten ihre Federn auf, um sich ganz und gar baden zu können. Genauso hatte er Vögel gesehen, wie sie sich im Sand putzten. Das sah unermesslich lustig aus; kurz vor dem Regen, wurde gesagt, baden Vögel am ganzen Körper im Sand.
Da sah er, die roten linken Flügel waren weiß geworden. Sofort waren alle Vögel aus dem See heraus - und der sah nun wieder aus wie die Quelle von Anfang an. Dicht, dicht saßen sie alle zusammen um ihn herum, ganz ohne Angst; es war so, als ob es ihn nicht gab. Sie flatterten mit den Flügeln und plusterten sich erneut auf, nun, um überall mit den Schnäbeln hinzukommen, um sich trockene oder lose Federn auszuzupfen. Art saß mit Art vermischt, Habichte und Tauben untereinander, ein Bussard und ein Spatz standen sich gegenseitig darin bei, den Körper zu zupfen - um besser heranzukommen, musste der Spatz auf den Kopf des Bussards flattern und putzen; es sah aus, als ob der Spatz den Bussard kämmte.
Rollo lag zurückgelehnt, sah und lachte. Das Merkwürdige wurde in das Muntere vertauscht; er sah nicht weiter das Sonderbare, er lachte nur und fühlte sich wohl.
Aber bald nahm die Verwunderung erneut überhand. Der stellenweise kahle Berg war auf einmal mit Kräutern und Beerenbüschen übersät. Und sofort setzten sich die Vögel in Gang, um zu fressen. Keiner hackte den anderen, und alle schienen reichlich Futter zu finden, ohne sich im geringsten anzustrengen.
Was sollte hiernach geschehen? Nun fühlte sich Rollo wie auf einem Großfest: Er war bereits satt, aber lag und wartete auf das nächste Gericht, um zu sehen, welche Leckereien angeboten würden.
Er brauchte nicht lange zu warten. Gab es vorher Bäume und Büsche um ihn herum? Ja, vielleicht, aber nicht so viele. Nun gab es dort so viele, dass sie für alle Vögel reichten, wie groß sie auch waren und wie klein sie auch schienen. Und als alle fertig gefressen hatten, begannen sie Zweige und Spreu zu sammeln, rupften Daunen und Blätter ab. Sie webten die kunstfertigsten Nester, manche in den Bäumen und Büschen, andere auf der flachen Erde - viele von ihnen ganz nahe bei ihm. Immer noch ganz ohne Angst legten sich die Weibchen, um zu brüten. Er konnte die Hand ausstrecken und die nächsten berühren.
Da erwachte er aus dem Traum.
Der Traum war ihm so seltsam vorgefallen, dass er es nicht lassen konnte, ihn seinen Vertrauten zu berichten. Was konnte er bedeuten? Keiner von seinen Leuten hatte vermocht, ihm eine zufrieden stellende Deutung zu geben. Aber dann verbreitete sich der Bericht über seinen Traum unter den Gefangenen, und es gab einen Priester, der sich wissend glaubte.
„Franciens Berg, den du sich in den Himmel erheben sahst, das ist seine Kirche, erklärte der Priester. Die Quelle ist die Taufe. Und der Aussatz und das Jucken sind all deine Sünden, welche du abwaschen wirst in der Taufquelle. Die Vögel mit den roten linken Flügeln, was sind die nun? Natürlich die schildtragenden Männer deines eigenen Volkes. Und diese Schar, die keiner zählen kann, wird dir in die Taufe folgen und du wirst gleich Moses ihr Führer sein. Das Essen, das sie zu sich nahmen, war das Nachtmahl. Die Nester, die sie bauten, bedeuten Franciens verödete Städte, die du und die mit dir sind wieder aufbauen werden. Und das beinhaltet seinerseits, wenn der Traum dir viele Vogelarten zeigte, dass der Herr sagen will: Viele Völker werden kommen und in deinem Reich wohnen und dir gehorchen ..."
Ja, der Priester hatte den Traum noch mit vielen anderen Worten ausgelegt und von Kanaans Land und anderem gesprochen, was er von seiner Heiligen Schrift her hatte. Manches schien Rollo immer noch unglaublich zu klingen, aber den Kern des Traumes hatte er fest begriffen: Im Frankenreich lag das gelobte Land, welches der Gott der Christen für ihn vorgesehen hatte. Und als er das erste Mal in die Seinemündung fuhr und sich Rouen näherte, meinte er, die Landschaft vom Traum wiederzuerkennen. Vielleicht war es sogar so, dass er für eine Weile wieder zurück im Reich des Traumes war, weil er eine schimmernde Stadt sah, die sich den Berg hinaufzog - aber bald darauf sah er die Ruinen, die den Fluss säumten.
Vor der Taufe hatte er immer noch gezögert. Gleichzeitig, wie er glaubte, dass der Priester den Traum in etwa richtig gedeutet hatte, lebte ein anderes Gesicht auf seiner Netzhaut: Als sich sein Schiff der Seine näherte, hatte er eine rotgekleidete Walküre auf dem Vordersteven gesehen. Sie hatte nach Westen gezeigt. Da war es bereits zu spät zu parieren und gegen die Springflut zu steuern. Und sofort war die Walküre verschwunden.
Wie auch immer, wegen des verdammten Traumes war er im Land an der Seine geblieben, nicht westwärts weitergezogen. Nicht in Ehren beim König von England verblieben. Nicht nach Dänemark und Halland zurückgekehrt und hatte keine Rache an König Hårik genommen. Mit dem Beistand des Normannenheeres hätte er Hårik demütigen und seit langem selbst König von Dänemark werden können.
„Aber Hårik ist jetzt tot", murmelte er, „und ich weiß nicht einmal, wer in Dänemark herrscht ..."
Er war gottlos - er huldigte weder den Göttern seiner Väter noch ehrte er Christus. Er hatte den Goden erschlagen, aber nicht die Unterstützung des christlichen Gottes aus vollem Herzen gesucht. Mitten zwischen zwei Welten hing er völlig schutzlos. Gespannt zwischen vier Pferden in vier Himmelsrichtungen. Wankelmut hatte in seinem Geist eine Wohnung gebaut. War es das, weshalb sein Glück ihn zu verlassen schien?
War das der Fall, beruhte es wohl darauf, dass er Gurim ungerächt liegen lassen hatte. Wie er die Blutrache herausfordern könnte, hatte er keine Ahnung.