Читать книгу Verlorenend - Fantasy-Epos (Gesamtausgabe) - S. G. Felix - Страница 6

Die fremde Stimme

Оглавление

Nach einer halben Mondstunde wurde Antilius’ anfänglicher Enthusiasmus jäh gedämpft. Das Gepäck, das er sich zuvor schwungvoll aufgeladen hatte, fühlte sich an, als hätte es sein Gewicht in der kurzen Zeit verdreifacht. Es zog immer stärker an seinen Armen. Sein Rücken schmerzte mehr als zuvor, und seine Fußsohlen brannten ebenfalls heftig. Er stöhnte auf. Schließlich unterbrach er seinen Marsch, schaute kurz prüfend zu Boden und ließ sich dann einfach auf den sandigen Untergrund plumpsen, wo er erst einmal eine Weile sitzen bleiben wollte, um zu verschnaufen. Antilius hatte nicht gedacht, dass der Weg so beschwerlich sein würde. Es ging fast die ganze Zeit bergauf. Der Weg, dem er folgte, bestand aus grobkörnigem Sand, der das Seinige dazu beitrug, dass sich ein paar kleine spitze Steine in seine Schuhe geschlichen hatten und dadurch den Fußmarsch zusätzlich erschwerten.

Er fluchte leise, zog seine Schuhe aus und schüttelte den Sand heraus. Als er gerade einen weiteren Fluch gen Himmel schicken wollte, fiel ihm dabei ein schwarzer Metallmast auf, der wie ein auf dem Kopf stehendes Y geformt war und dessen oberes Ende eine quer verlaufende Schiene trug.

Er atmete auf. Das musste die Schienenbahn sein. Er rappelte sich wieder hoch und lief die letzten hundert Meter zum Bahnhof, wobei er sein Gepäck achtlos hinter sich her schleifte.

Durch eine Schneise, die in den Wald geschlagen war, führte eine kupferfarbene Schiene, die etwa drei Meter über dem Boden an weiteren Trägern montiert war. Sie lief direkt auf eine Lichtung zu, auf der sich die Schiene gabelte. Die abzweigende Schiene selbst war verbunden mit mehreren Abstellgleisen, unter denen jeweils eine Transportgondel an einer Haltevorrichtung hing. Rechts neben den Gondeln erspähte er eine kleine Holzhütte, deren Fenster so stark verschmutzt waren, dass Antilius nicht in das Innere sehen konnte. Über dem Dach der Hütte war ein großes verwittertes Schild befestigt, auf dem Immerfestbaum Station geschrieben stand. Antilius wunderte sich über den Namen, denn soweit er wusste, gab es hier auf Truchten keine Immerfestbäume, aber vielleicht hat es sie früher gegeben.

Sollte das etwa der ganze Bahnhof sein? Eine lumpige Hütte?

Und noch viel wichtiger: Wo waren die Reisenden? Er war ganz allein.

Plötzlich bemerkte Antilius ein seltsames rotes Leuchten am Boden. Er näherte sich ihm verwundert. Das rötliche Leuchten entpuppte sich als eine kleine Blume, deren kreisrunde Blätter strahlend rot schienen. So ein wunderschönes Gewächs hatte er noch nie zuvor gesehen. Er vergaß plötzlich die Hütte, den Transporter und seine Mission; da war nur noch diese Blume.

Er kniete sich langsam vor ihr nieder, ohne sie aus den Augen zu lassen.

Eine Stimme tauchte plötzlich auf. Sie schien tief aus ihm selbst herauszukommen. Aber sie war fremd. Verzerrt. Und vorwurfsvoll.

»Wie konntest du nur?«

Antilius wurde ein wenig blass. Er hatte bisher noch nie eine derartig vergleichbare Halluzination gehabt - wenn es denn eine war - mit Ausnahme des merkwürdigen Traums von letzter Nacht mit dem Mann ohne Gesicht. Aber dies war kein Traum, es war anders. Und er war sich ziemlich sicher, dass diese Stimme nicht dem Mann ohne Gesicht gehörte. Und damit sollte er recht haben. Antilius wusste nicht, wem diese anklagende Stimme gehörte. Es würde noch eine sehr lange Zeit vergehen, bis er es herausfinden würde. Er würde auf viele weitere Mysterien stoßen, ehe sich alles zu einem Bild zusammenfügen würde. Dieses Erlebnis war nur ein Teil davon.

Verlorenend - Fantasy-Epos (Gesamtausgabe)

Подняться наверх