Читать книгу Rechtsanwaltsvergütung - Sabine Jungbauer - Страница 163
1. Erteilung einer Vergütungsrechnung
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Mit Abschluss der anwaltlichen Tätigkeit ist der Rechtsanwalt berechtigt, eine durch seine Unterschrift bestätigte anwaltliche Tätigkeit entsprechend den gesetzlichen Vergütungsbestimmungen schriftlich abzurechnen. In der Praxis wird hier häufig gesprochen von einer:
• | Kostenrechnung |
• | Abrechnung |
• | Kostennote |
• | Kostenabschlussnote |
• | Vergütungsrechnung |
• | Vergütungsberechnung |
• | Gebührenrechnung oder |
• | Berechnung der Gebühren und Auslagen. |
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Auch wenn grundsätzlich wohl immer „dasselbe“ gemeint ist. Am Korrektesten dürfte der Begriff „Vergütungsberechnung“ sein, da dieser Begriff der Legaldefinition der anwaltlichen Vergütung des § 1 RVG sowie § 10 RVG entspricht. Gleichwohl haben sich in der Praxis die Begriffe „Kostenrechnung“ oder „Kostennote“ durchgesetzt.
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Der Vergütungsanspruch entsteht mit der ersten Tätigkeit des Rechtsanwalts, und mit Abschluss des anwaltlichen Vertrages zur entgeltlichen Geschäftsbesorgung nach § 675 BGB erhält der Rechtsanwalt zugleich das Recht, einen angemessenen Vorschuss sicherungshalber im Voraus zu fordern.
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Die anwaltliche Vergütungsrechnung setzt voraus, dass die mit dieser Rechnung geltend gemachten Gebühren auch fällig (§ 8 RVG) sind, so dass man entstandene, aber noch nicht fällige Gebühren allenfalls als Vorschuss nach § 9 RVG fordern kann. Bei mehreren Auftraggebern ist das Haftungsverhältnis anzugeben. Dabei ist die Rechnung stets auf den Auftraggeber auszustellen, auch wenn Dritte (Gegner/Versicherungen) erstattungspflichtig sind, vgl. auch Rn. 283 ff. in diesem Kap.
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Der Rechtsanwalt kann die Vergütung nur aufgrund einer von ihm unterzeichneten und dem Auftraggeber mitgeteilten Berechnung einfordern, § 10 Abs. 1 S. 1 RVG. Solange die Vergütungsberechnung den Anforderungen des § 10 RVG nicht genügt (zum Inhalt siehe Rn. 263 ff. in diesem Kap. sowie Kap. 8, Rn. 489), kann der Rechtsanwalt daher seine Vergütung nicht einfordern, d.h. im Zweifel auch nicht wirksam gerichtlich durchsetzen.
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Nach Ansicht des LG München I sowie OLG München ist § 10 RVG auch bei einer vereinbarten Vergütung anwendbar.[1] Im vorliegenden Fall hatte das OLG München eine Berufung als offensichtlich unbegründet zurückgewiesen, nachdem das LG München I die Honorarklage mangels korrekter, § 10 RVG entsprechender Abrechnung, abgewiesen hatte. Das LG München I hielt die Honorarforderung zunächst für nicht einklagbar, da die dem Mandanten übermittelte Kostenrechnung als „Abschlagsrechnung“ bezeichnet war und auch mit der Klageschrift nicht hinreichend klar wurde, welche geleisteten Beträge als Vorschüsse Berücksichtigung finden sollten, bzw. was genau der Endbetrag sein sollte. Das OLG München ging zwar davon aus, dass im Berufungsverfahren mit der Berufungsbegründung nunmehr die erforderliche Abrechnung nach § 10 RVG erfolgt war, im vorliegenden Fall aber dennoch der Anspruch zu versagen war, weil es an einer wirksamen Vergütungsvereinbarung fehlte.
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Tipp
Vor Einreichung einer Honorarklage immer prüfen, ob eine ordnungsgemäße Endabrechnung nach § 10 RVG erfolgt ist.
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Viele machen sich in der Praxis nicht mehr die Mühe, die Vorschussrechnung nochmals als Endabrechnung zu stellen (vor allem, wenn sich keine weiteren Gebühren oder Auslagen ergeben, d.h. die Endabrechnung inhaltlich der Vorschussrechnung entsprechen würde), wenn z.B. nach fehlender Vorschusszahlung das Mandat niedergelegt wird. Dann aber – nach Beendigung des Mandats – ist die Vergütung erst fällig im Sinne des § 8 RVG und eine Kostenabschlussnote nach § 10 RVG zu stellen.
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Die vorstehende Entscheidung war im Übrigen auch aus anderen Gesichtspunkten heraus interessant:[2]
• | Das OLG München hielt in seiner Entscheidungsbegründung fest, dass durch die Mitwirkung bei der Gestaltung von Verträgen eine Geschäftsgebühr entsteht und nicht lediglich eine Ratsgebühr. Dies entspricht Vorbem. 2.3. Abs. 3 VV RVG. |
• | Die Formmängel der Vergütungsvereinbarung waren daher vorliegend von Relevanz, da § 3a Abs. 1 S. 4 RVG, der die Formvorschriften für reine Beratungstätigkeiten, die nicht mit einer anderen gebührenpflichtigen Tätigkeit zusammenhängen der Sätze 1 u. 2 des § 3a Abs. 1 RVG für nicht anwendbar erklärt, hier nicht greifen konnte. |
• | Die Vergütungsvereinbarung hätte sich daher vorliegend an den Vorschriften des § 3a Abs. 1 S. 1 u. 2 RVG orientieren müssen. |
• | Die Formvorschriften des § 3a RVG gelten auch für „Verträge zu Gunsten Dritter“, da sie sonst ihren Schutzzweck nicht erfüllen könnten. |
• | Die Aufnahme der Vergütungsvereinbarung in einen „Mittelverwendungskontrollvertrag“ führte unter den hier gegebenen Umständen zur Unwirksamkeit der Vergütungsvereinbarung. |
• | Auch die spätere E-Mail-Bestätigung konnte den Formmangel „fehlende Bezeichnung als Vergütungsvereinbarung oder in vergleichbarer Weise“ nicht heilen. |
• | Eine E-Mail des Auftraggebers, in der dieser Zahlungsschwierigkeiten bezogen auf die Rechnung mitteilt, stellt kein etwaige Einwendungen der Beklagten ausschließendes kausales bzw. deklaratorisches Schuldanerkenntnis dar; da vorliegend weder aus dieser Mail noch aus dem Sachvortrag der Klägerin ersichtlich wurde, dass Streitpunkte bezogen auf die Rechnung bestanden hätten, die mit dieser Mail ausgeräumt hätten werden sollen. Das OLG München hierzu: „Unabhängig hiervon hat der Bundesgerichtshof zwar bislang offen gelassen, ob ein Mangel der von § 3a Abs. 1 (bzw. § 4 Abs. 1 a.F.) RVG geforderten Form einer Vergütungsvereinbarung „im Rahmen einer Schuldbestätigung verzichtsfähig“ ist (BGH, NJW 2003, 2386). Dies ändert jedoch nichts daran, dass nach ständiger Rechtsprechung auch ein deklaratorisches Anerkenntnis jedenfalls nur solche Einwendungen des Schuldners ausschließt, die dieser bei Abgabe der Erklärung kannte oder mit denen er zumindest rechnete (vgl. BGHZ 69, 328; BGH, WM 1998, 656; NJW 2006, 903; OLG Hamm, NJW-RR 2011, 694; OLG Celle, MDR 2010, 116; Palandt/Sprau, § 781, Rn. 4). Dass die Beklagte damit rechnete, das von der Klägerin berechnete Honorar mangels formwirksamer Vergütungsvereinbarung nicht zu schulden, und damit mit der E-Mail Anlage K 14 bewusst die Einrede der Formnichtigkeit aufgeben wollte, ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.“ |
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Eine Klage auf Erstattung von Kosten scheitert aber nicht schon dadurch, dass sich z.B. der Kostenerstattungsanspruch für die außergerichtliche Tätigkeit im Laufe des Prozesses reduziert, denn § 10 Abs. 3 RVG regelt lediglich die Einforderbarkeit der Vergütung gegenüber dem Auftraggeber. Die Vergütung entsteht mit der entsprechenden Tätigkeit des Anwalts; fällig wird die Vergütung gem. § 8 RVG; § 10 Abs. 1 RVG gilt nicht bei materiell-rechtlichen Kostenerstattungsansprüchen.[3]
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Die Anforderungen des § 10 RVG sind auch auf eine Berechnung gegenüber dem Rechtsschutzversicherer nicht anzuwenden.[4] Schließlich ist es möglich, dass der Auftraggeber (somit der Versicherte) auf die Mitteilung einer Berechnung verzichtet. Allerdings hat der Rechtsschutzversicherer Anspruch auf eine nachvollziehbare Aufstellung der Gebühren und Auslagen. Es bietet sich an, entweder die Rechnung an den Auftraggeber in Kopie dem Anschreiben der Rechtsschutzversicherung beizufügen oder aber im Anschreiben an die Rechtsschutzversicherung eine Aufstellung der Vergütungsberechnung aufzunehmen (dann ohne Rechnungsnummer!).
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Eine Vorschussrechnung nach § 9 RVG muss sich ebenfalls nicht an die Voraussetzungen des § 10 RVG halten.[5] Die Auffassung des Amtsgerichts München, eine Vorschussrechnung müsse vom Anwalt persönlich unterschrieben sein, ist nicht richtig.[6] Vielmehr kann der Vorschuss sogar mündlich angefordert werden. Gleichwohl empfiehlt es sich in der Praxis, den Vorschuss schriftlich anzufordern und auch im Interesse eines guten Auftragsverhältnisses zum Mandanten die Berechnung zu unterschreiben und ggf. zu erläutern.
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Fraglich ist, ob der erstattungspflichtige Dritte Anspruch auf Erteilung einer Kostenberechnung nach § 10 RVG hat. Es wird die Auffassung vertreten, dass derjenige, der einen materiell-rechtlichen Kostenerstattungsanspruch hat, nicht zugleich auch einen Anspruch auf Erteilung einer Berechnung gemäß § 10 RVG hat.[7] Unerheblich für die Ersatzpflicht soll auch sein, dass dem Erstattungsberechtigten noch keine Kostennote nach § 10 RVG erteilt worden ist.[8] Hier ist allerdings nach meiner Auffassung zu differenzieren.
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Ein materiell-rechtlicher Kostenerstattungsanspruch, der einen Schadensersatz darstellt, kann als echter Schadensersatz m.E. erst dann gefordert werden, wenn der Schaden entstanden, d.h. die Zahlung durch den Auftraggeber erfolgt ist. Sofern Zahlung noch nicht erfolgt ist, kann allenfalls ein Freistellungsanspruch geltend gemacht werden. Lediglich wenn der Zahlungsverpflichtete sich ernsthaft und endgültig weigert, Zahlung zu übernehmen, geht der Freistellungsanspruch in einen Leistungsanspruch über, vgl. dazu Kap. 7, Rn. 241.
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Das OLG München sieht sogar grundsätzlich einen Leistungsanspruch:
„Rechtsanwaltskosten können wie bereits angefallene Sachverständigenkosten oder geschätzte Reparaturkosten im Schadensersatzprozess geltend gemacht werden. Der Geschädigte muss sich nicht auf einen Freistellungsanspruch verweisen lassen.[9]“
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Falsch ist auch die Auffassung vieler Ersatzpflichtiger, insbesondere wenn es sich um einen Gegner mit Vorsteuerabzugsberechtigung handelt, es sei eine Kostenrechnung zu erstellen, die eine Rechnungsnummer enthalte, damit gegenüber dem Finanzamt die in der Rechnung enthaltene Umsatzsteuer als Vorsteuer gezogen werden könne. Dies betrifft beispielsweise die Fälle, in denen der eigene Auftraggeber nicht vorsteuerabzugsberechtigt ist und daher die Umsatzsteuer von der Gegenseite erstattet verlangen kann. Einen Anspruch auf Erstellung einer Rechnung mit Rechnungsnummer hat der erstattungspflichtige Dritte nicht. Es bleibt dabei, dass ausschließlich der Auftraggeber als Leistungsempfänger die Rechnung mit Rechnungsnummer erhält. Unabhängig davon dürfte es darüber hinaus ohnehin nicht möglich sein, die Anwaltskosten, die im Rahmen eines materiell-rechtlichen Kostenerstattungsanspruches von einem Unternehmen oder anderen vorsteuerabzugsberechtigten Gegner zu erstatten sind, gegenüber dem Finanzamt zahllastmindernd anzugeben. Eine Vorsteuerabzugsberechtigung für Schadensersatzansprüche besteht nämlich nicht.
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Darüber hinaus hat der Anwalt schließlich auch den Gegner nicht vertreten; dies sollte auch nicht durch Ausstellung einer Rechnung mit Rechnungsnummer an die Gegenseite suggeriert werden.
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Auch nach Auffassung von N. Schneider darf der Rechtsanwalt dem Wunsch eines Dritten, eine Vergütungsrechnung auf ihn auszustellen, nicht ohne Weiteres nachkommen, da Vergütungsschuldner allein der Auftraggeber bleibt, ein Dritter auch nicht werden kann. Es sei zumindest, so N. Schneider, nach § 379 Abs. 1 Nr. 1 AO der tatsächliche Leistungsempfänger, also der Auftraggeber, in der Rechnung ausdrücklich aufzuführen (§ 14 Abs. 4 S. 1 Nr. 1 UStG).[10] Sofern der Anwalt diese Angabe unterlasse, hafte er nach § 14 Abs. 3 UStG, wenn der Dritte zu Unrecht einen Vorsteuerabzug geltend macht.
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Ich vertrete darüber hinaus die Auffassung, dass hier streng genommen zwischen Auftraggeber und Mandant zu unterscheiden ist. Mandant ist der Vertretene; Auftraggeber ist derjenige, der den Rechtsanwalt beauftragt und damit auch die Vergütung schuldet.
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Tipp
Schuld-Mitübernahme aus Nachweiszwecken schriftlich einfordern!
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So kommt es z.B. in Strafsachen sehr häufig vor, dass z.B. Großeltern für den Enkel Anwaltskosten übernehmen.
Der Rechtsanwalt sollte dabei jedoch beachten, dass er aus Nachweiszwecken die Kosten-Mitübernahmeerklärung schriftlich erhält. Er sollte diese Kosten-Mitübernahme auch schriftlich genehmigen und sich nicht auf eine reine Kosten-Übernahme beschränken. D.h.: Es ist darauf zu achten, dass auch der Vertretene hier neben den Großeltern Kostenschuldner bleibt, damit der Anwalt seine Vergütungsansprüche möglichst weitgehend absichert. Darüber hinaus erspart man sich Ärger mit dem Mandanten. Zahlt nämlich der Schuld-Mitübernehmer die Vergütung nicht und versucht der Rechtsanwalt diese bei dem Vertretenen zu erhalten, erfolgt häufig die Ausrede, man hätte den Anwalt nicht beauftragt, wenn man davon hätte ausgehen müssen, dass man die Anwaltskosten selber trägt. Vielmehr habe man sich darauf verlassen, dass der Dritte, wie zugesagt, die Kosten übernimmt. In solchen Fällen wird es dann auch schwierig sein, den Vergütungsanspruch gegenüber dem Mandanten aus GoA einzufordern.
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Richtig ist, dass auch bei Schuldübernahme von Kosten der Leistungsempfänger in der Rechnung anzugeben ist, da ein Vorsteuerabzug nur dann erfolgen kann (wenn überhaupt), wenn eine anwaltliche Tätigkeit für gerade das Unternehmen erbracht worden ist, das den Vorsteuerabzug geltend machen möchte.
3. Kapitel Grundlagen des anwaltlichen Gebührenrechts › VIII. Voraussetzungen und Inhalt der Vergütungsrechnung, § 10 RVG › 2. Verjährung