Читать книгу Rechtsanwaltsvergütung - Sabine Jungbauer - Страница 172
5. Nachweise sichern/Zurückbehaltungsrecht
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In bestimmten Fällen empfiehlt es sich, ungeachtet der notwendigen vorgenannten gesetzlichen Erfordernisse, die Gebührenberechnung mit dem Mandanten in einer gemeinsamen Abschlussbesprechung zu erläutern und bei dieser Gelegenheit einen gemeinsamen Besprechungsvermerk zu verfassen. Im Falle einer gerichtlichen Auseinandersetzung (Honorarklage) kann man diesen sodann als Urkundsbeweis verwenden.
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Tipp
Frühzeitig Nachweise sichern!
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Des Weiteren besteht zudem auch die Möglichkeit, ein Anerkenntnis mit gleichzeitigem Verzicht auf Einreden und Einwendungen zu vereinbaren.
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Weiterhin gehört es gemäß § 93 ZPO zum Nachweis des anwaltlichen Klagebedürfnisses, dass der Rechtsanwalt dem Mandanten grundsätzlich zuvor unter Wahrung einer angemessenen Frist eine ordnungsgemäße Berechnung übersandt hat. Das gilt auch in den Fällen, in denen der Rechtsanwalt die Festsetzung seiner Gebühren nach § 11 RVG gegen den Mandanten beantragt. Fehlt es an einer Mitteilung der Gebührenberechnung, so ist eine Honorarklage abzuweisen.[26] Die Berechnung kann jedoch bis zum letzten Schluss der mündlichen Verhandlung im Prozess noch nachgeholt werden, vgl. Rn. 240 in diesem Kapitel.
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Tipp
Ausübung des anwaltlichen Zurückbehaltungsrechts bei fehlender Zahlung!
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Zahlt der Mandant die geforderte Vergütung nicht, so hat der Rechtsanwalt das Recht, Geschäftsunterlagen (Handakten) des Mandanten bis zur vollständigen Zahlung zurückzubehalten (§ 50 Abs. 3 BRAO). Dieses Recht stellt sich gegenüber dem Zurückbehaltungsrecht nach § 273 BGB als besonderes Zurückbehaltungsrecht dar. Es bezieht sich nämlich auf sämtliche Geschäftsunterlagen, allerdings nur wegen Gebühren, die in derselben Angelegenheit anfallen.[27] Das Recht nach § 50 Abs. 3 BRAO ist ein Sonderrecht, das weiter geht als das allgemeine Zurückbehaltungsrecht nach § 273 BGB und es dem Rechtsanwalt ermöglicht, seine berechtigten Ansprüche gegen den Auftraggeber auch ohne Prozess und ohne Anrufung der Gerichte durchzusetzen. Demzufolge darf der Rechtsanwalt, was nach § 273 BGB nicht erlaubt ist, die Geschäftsunterlagen des Mandanten als Druckmittel zur Begleichung seiner Vergütungsansprüche verwenden. Allerdings darf die Zurückbehaltung nicht zu einer besonders schweren Beeinträchtigung des Auftraggebers führen.
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Rechtsanwälte können ein Zurückbehaltungsrecht sowohl nach § 273 BGB als auch nach § 50 Abs. 3 BRAO geltend machen. Voraussetzungen und Folgen sind jedoch unterschiedlich:[28]
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Übersicht Zurückbehaltungsrecht – Gegenüberstellung
a) § 273 BGB
• | bezieht sich auf alle Forderungen des Rechtsanwalts, jedoch müssen diese fällig sein, |
• | verlangt lediglich ein „einheitliches Lebensverhältnis“ (Konnexität) für die Ausübung, |
• | kann durch die Natur des Schuldverhältnisses ausgeschlossen sein; dies gilt insbesondere für alle Geschäftsunterlagen des Mandanten, die dieser benötigt, |
• | kann durch Sicherheitsleistung abgewendet werden, allerdings nicht durch Bürgschaft, § 273 Abs. 3 BGB |
b) § 50 Abs. 3 BRAO
• | bezieht sich nur auf die Ansprüche des Rechtsanwalts aus derselben Einzelangelegenheit, |
• | erfordert nicht, dass die Ansprüche des Rechtsanwalts bereits fällig sind, |
• | erlaubt nur die Zurückbehaltung von Handakten (§ 50 Abs. 4 BRAO), |
• | darf nicht wegen nur geringer Forderungen, bei hohen Nachteilen für die Partei oder rücksichtslos ausgeübt werden, |
• | kann nicht durch Sicherheitsleistung abgewendet werden, |
• | gilt nicht bei Insolvenz des Mandanten, wenn nicht der Insolvenzverwalter dieses Mandat fortsetzt. |
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§ 50 Abs. 3–6 BRAO:
„(3) Der Rechtsanwalt kann seinem Auftraggeber die Herausgabe der Handakten verweigern, bis er wegen seiner Gebühren und Auslagen befriedigt ist. Dies gilt nicht, soweit die Vorenthaltung der Handakten oder einzelner Schriftstücke nach den Umständen unangemessen wäre.
(4) Handakten im Sinne der Absätze 2 und 3 dieser Bestimmung sind nur die Schriftstücke, die der Rechtsanwalt aus Anlaß seiner beruflichen Tätigkeit von dem Auftraggeber oder für ihn erhalten hat, nicht aber der Briefwechsel zwischen dem Rechtsanwalt und seinem Auftraggeber und die Schriftstücke, die dieser bereits in Urschrift oder Abschrift erhalten hat.
(5) Absatz 4 gilt entsprechend, soweit sich der Rechtsanwalt zum Führen von Handakten der elektronischen Datenverarbeitung bedient.“
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§ 273 BGB regelt darüber hinaus das allgemeine Zurückbehaltungsrecht, das ebenfalls im Verhältnis zum Mandanten eine Rolle spielt, da der Anwaltsvertrag in der Regel ein Dienstvertrag ist auf den die allgemeinen Vorschriften des BGB Anwendung finden.
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Die Geltendmachung des Zurückbehaltungsrechts hat Grenzen. Das Zurückbehaltungsrecht endet dort, wo ein (etwaiger) Schaden des Mandanten und das Interesse des Anwalts an der Ausübung des Zurückbehaltungsrechts nicht mehr in einem vertretbaren Maße miteinander korrespondieren, so z.B., wenn dem Mandanten
• | aufgrund der Geltendmachung des Zurückbehaltungsrechts eine Notlage droht (z.B. Zurückbehaltung eines Titels) |
• | bei drohender Verjährung von Ansprüchen des Mandanten |
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Eine Akteneinsicht kann der Rechtsanwalt seinem Mandanten im Übrigen nicht verwehren, da sich dieses Recht aus den §§ 810, 811 BGB ergibt. Im Übrigen regelt § 17 BORA die Möglichkeit der Überlassung von Kopien bei Ausübung des Zurückbehaltungsrechts.
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§ 17 BORA:
„Wer die Herausgabe der Handakten ( § 50 Abs. 3 und 4 Bundesrechtsanwaltsordnung ) verweigert, kann einem berechtigten Interesse des Mandanten auf Herausgabe dadurch Rechnung tragen, dass er ihm Kopien überläßt, es sei denn, das berechtigte Interesse richtet sich gerade auf die Herausgabe der Originale. In diesem Fall darf der Rechtsanwalt anbieten, die Originale an einen von dem Mandaten zu beauftragenden Rechtsanwalt zu treuen Händen herauszugeben, wenn damit dem berechtigten Interesse des Mandanten Rechnung getragen wird.“
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Es besteht nach Ansicht des BGH eine grundsätzliche Berufspflicht zur Herausgabe der Handakten. Diese sei zwar nicht ausdrücklich in § 50 BRAO geregelt, sei aber aus der Generalklausel des § 43 BRAO i.V.m. §§ 675, 667 BGB und inzidenter auch der Vorschrift des § 50 BRAO zu entnehmen.[29] Im vorliegenden Fall sah der BGH den Anwalt in der Pflicht, die Handakten herauszugeben, da er auch wegen vollständiger Zahlung seiner Vergütung kein Zurückbehaltungsrecht mehr geltend machen konnte. Vgl. ergänzend auch die Ausführungen in Kap. 23, Rn. 181 ff.