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V. Strafprozessrecht – materielles Strafrecht
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Im Gegensatz zu vielen anderen Staaten enthält das deutsche Strafgesetzbuch (StGB) im Wesentlichen nur das materielle Strafrecht. Anders verfuhren insbes. frühere Strafgesetze, die sowohl das materielle als auch das formelle Strafrecht beinhalteten, so zB:
– | die Constitutio Criminalis Carolina (CCC) aus dem Jahre 1532, die ihren Namen von dem damals regierenden Kaiser Karl V. erhielt, und |
– | das Preußische Landrecht von 1620 und von 1721. |
Aber auch das StGB enthält nicht nur Regelungen materiell-rechtlicher Natur. So gehört zB das Strafantragsrecht gem. §§ 77 ff StGB zum formellen Recht[14].
Überdies ist die Rechtsnatur einzelner Rechtsinstitute umstritten, insbesondere die der Verjährung (§§ 78 ff StGB). Nach Art. 103 II GG, §§ 1 und 2 StGB kommt es für die materielle Strafbarkeit auf das Gesetz an, das zur Tatzeit gilt[15]. Wenn nun eine Straftat nach dem Recht des Tatzeitpunkts bereits verjährt ist, nicht aber nach dem jetzt geltenden Recht, ist fraglich, ob einer Anwendung des zur Zeit der Aburteilung geltenden Rechts das im Rahmen des materiellen Strafrechts zu berücksichtigende Rückwirkungsverbot entgegensteht. Entscheidend ist also, ob das Rückwirkungsverbot auch für das Rechtsinstitut der Verjährung gilt. Bedeutung erlangte dieses Problem insbes. im Hinblick auf die NS-Straftaten sowie uU hinsichtlich in der ehemaligen DDR begangener Delikte[16].
Eine Mindermeinung hält die nachträgliche Verlängerung der Verjährungsfrist für unzulässig. Der lange Zeitablauf führe zu einem Schwinden der materiellen Strafberechtigung. Deshalb handele es sich bei der Verjährung um eine Regelung des materiellen Rechts, nämlich einen Strafaufhebungsgrund. Bei der Aburteilung gelte daher die Verjährungsregelung des Tatzeitpunktes[17].
Die hA hält die nachträgliche Verlängerung der Verjährungsfrist für zulässig, weil es sich bei der Verjährung um ein Prozesshindernis, also um eine Regelung des formellen Rechts handele, auf die sich das Rückwirkungsverbot grundsätzlich nicht bezieht (ebenso wenig wie auf die Zuständigkeit bestimmter Gerichte, etc)[18]. Bei einer nachträglichen Verlängerung der Verjährungsfrist gelte das Recht des Aburteilungszeitpunktes[19]. Dies ist zutreffend, denn das Institut der Verjährung rechtfertigt sich maßgeblich mit der Vergänglichkeit der Beweismittel. Auf die Beibehaltung dieser bloßen Prozessvoraussetzung darf sich niemand verlassen. Ein schutzwürdiges Interesse an der Fortgeltung der bisherigen Verjährungsfrist ist nicht anzuerkennen.
§ 1 Einführung in das Strafprozessrecht, Ziele des Strafverfahrens › VI. Internationale Bezüge