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I. Das geschützte Rechtsgut
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Lesen Sie die zitierten Normen und verschaffen Sie sich anhand des Gesetzestextes einen ersten Überblick über das Thema!
Das geschützte Rechtsgut der Tötungsdelikte ist das menschliche Leben. Dieses menschliche Leben wird geschützt vor
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Das Grundgesetz hat dem menschlichen Leben unter allen Rechtsgütern den höchsten Rang eingeräumt. In Art. 2 Abs. 2 S. 2 GG heißt es: „Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit“. Das menschliche Leben genießt damit absoluten Schutz ohne Rücksicht auf das Lebensinteresse, die Lebenserwartung oder die Lebensfähigkeit des Einzelnen. Dieser absolute Schutz kommt zum einen darin zum Ausdruck, dass das menschliche Leben auch vor der Tötung auf Verlangen geschützt ist, bei welcher das Opfer mit der tötenden Handlung respektive dem Unterlassen des Täters nicht nur einverstanden ist, sondern den Täter geradezu um diese Handlung bittet. Darüber hinaus hat der Gesetzgeber Ende 2015 die geschäftsmäßige Förderung der Sterbehilfe in § 217 unter Strafe gestellt und damit eine eigentlich straflose Beihilfehandlung zur eigenständigen Haupttat gemacht.
Damit sind mit Ausnahme der indirekten Sterbehilfe und des medizinischen Behandlungsabbruchs (dazu unter Rn. 98 ff.) sämtliche Formen der Tötung durch einen anderen strafbar. Straflos ist lediglich die Selbsttötung. Dies ergibt sich, anders als bei den Körperverletzungsdelikten, nicht schon aus dem Wortlaut der Normen. Es ergibt sich aber zwingend aus der Menschenwürde. Der Gesetzgeber hat dazu ausgeführt: „Jeder Mensch hat dem Staat gegenüber zwar ein Lebensrecht, jedoch keine Lebenspflicht“.[1]
Hinweis
Da die Selbsttötung nicht strafbar ist, kann auch grds. die Teilnahme an einem straflosen Selbstmord nicht strafbar sein, da es insoweit an der vorsätzlichen rechtwidrigen Haupttat fehlt, die für jede Teilnahme unabdingbare Voraussetzung ist. Eine Ausnahme dazu bildet § 217, der eine Beihilfehandlung unter Strafe stellt, sofern sie „geschäftsmäßig“ erfolgt. Von einer straflosen Teilnahme muss jedoch in den Fällen, in denen das Opfer die Tötungshandlung selbst vornimmt, eine strafbare Tötung in mittelbarer Täterschaft sowie eine ebenfalls strafbare Tötung auf Verlangen durch Unterlassen abgegrenzt werden. Hierbei handelt es sich um einen „Klausurklassiker“, welchen wir unter Rn. 104 ausführlich erörtern werden.
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Das Leben beginnt nach strafrechtlicher Definition, sobald bei der Geburt die Eröffnungswehen eingesetzt haben. Bei einer operativen Entbindung wird auf die Vornahme des die Eröffnungswehen ersetzenden ärztlichen Eingriffs, also auf die Öffnung des Uterus abgestellt.[2] Ab diesem Zeitpunkt ist das menschliche Leben über die §§ 211 ff. geschützt.
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Vor diesem Zeitpunkt spricht das Gesetz nicht von menschlichem Leben, sondern von Leibesfrucht. Diese Leibesfrucht ist über die §§ 218 ff. geschützt. Der Beginn der Geburt stellt damit für die strafrechtliche Beurteilung eine Zäsur dar. Inwieweit eine Handlung den §§ 218 ff. oder den § 211 ff. unterfällt, hängt vom Zeitpunkt der schädigenden Einwirkung ab.[3]
Da die Abtreibungsstraftaten nicht sonderlich klausurrelevant sind, werden sie in diesem Skript nicht dargestellt. Lesen Sie sich aber zwecks Orientierung die §§ 218 ff. aufmerksam durch.[4]
Beispiel
§ 218 ist z.B. verwirklicht durch das Abtöten der Leibesfrucht im Mutterleib, durch Herbeiführen des vorzeitigen Abgangs einer nicht lebensfähigen Leibesfrucht oder durch Tötung der Schwangeren.[5]
JURIQ-Klausurtipp
Denken Sie in der Klausur auch immer an die Körperverletzungsdelikte. Die Leibesfrucht wird nicht über die §§ 223 ff. geschützt, eine Abtreibung führt aber in der Regel auch zu einer Verletzung der körperlichen Integrität der Mutter. Sofern diese eine Einwilligung erteilt hat, wird § 228 relevant. Aus den Wertungen der §§ 218 ff. kann entnommen werden, dass eine Körperverletzung der Mutter im Zuge einer illegalen Abtreibung gegen die guten Sitten verstößt.
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Der strafrechtliche Schutz des Lebens endet mit dem Tod. Aufgrund des medizinisch-technischen Fortschrittes kann auf den klassischen Todesbegriff, der auf den Stillstand von Kreislauf und Atmung abstellte, nicht zurückgegriffen werden. Entscheidend ist heute der Gehirntod, dass heißt das endgültige Erlöschen aller Gehirnfunktionen, welches stets irreversibel ist und damit zum Verlust des Lebenszentrums des Menschen führt.[6]
Die §§ 168, 189 schützen nach dem Tod das Pietätsempfinden gegenüber dem Verstorbenen. Das menschliche Sein unterliegt damit vom Anbeginn seiner Entstehung bis über dem Tod hinaus einem strafrechtlichen Schutz.
2. Teil Straftaten gegen das Leben › A. Einführung › II. Verhältnis der Tötungsdelikte zueinander