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1. Benannte minder schwere Fälle des „provozierten“ Totschlags
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In der ersten Alternative liegt ein minder schwerer Fall des Totschlages dann vor, wenn jemand ohne eigene Schuld durch eine ihm oder einem Angehörigen zugefügte Misshandlung oder schwere Beleidigung von dem getöteten Menschen zum Zorne gereizt und hierdurch auf der Stelle zur Tat hingerissen wurde. Die erste Alternative umfasst mithin die Fälle der Provokation. Liegen die genannten Voraussetzungen vor, so ist zwingend der gemilderte Strafrahmen der Vorschrift anzuwenden.
Es werden zwei Fälle der Provokation unterschieden: Zum einen die Misshandlung und zum anderen die schwere Beleidigung.
In beiden Fällen muss die Provokation von dem Getöteten selbst ausgegangen sein und den Täter selbst oder einen seiner Angehörigen betroffen haben. Sinn der Regelung ist es, den Affekttäter, dessen Verhalten als eine menschlich verständliche Reaktion auf eine vorausgegangene schwere Provokation erscheint, vor der vollen Totschlagsstrafe zu bewahren.
Tipp
Bei den Provokationen, insbesondere in Gestalt der Misshandlung, ist zu beachten, dass, solange diese noch andauern, auch ein gegenwärtiger rechtswidriger Angriff vorliegen kann, der den Täter gem. § 32 bei Vornahme seiner Tötungshandlung rechtfertigen kann. In diesen Fällen ist § 213 nicht relevant, da die Strafbarkeit schon wegen fehlender Rechtswidrigkeit der Handlung verneint wird.
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Ob eine Provokation vorliegt, ist nach objektiven Maßstäben zu beurteilen. Dabei sind der konkrete Geschehensablauf, die Beziehungen zwischen dem Getöteten und dem Täter sowie die kulturelle Zugehörigkeit und die Anschauungen des Lebenskreises der Beteiligten in die Bewertung mit einzubeziehen. Sowohl die Misshandlung als auch die schwere Beleidigung müssen Provokationen von erheblichem Gewicht sein.[15]
Beispiel
Ehemann M ist wiederholt von seiner Ehefrau E während des Sexualaktes verhöhnt und ausgelacht worden wegen seiner nach Ansicht der E nicht ausreichenden sexuellen Leistungsfähigkeit. Als er eines Abends seinen ganzen männlichen Mut zusammengenommen hat und sich wieder einmal seiner Ehefrau sexuell nähert, lacht diese ihm währenddessen ins Gesicht und erklärt ihm, dass sein Schwager im Vergleich zu ihm wahre Wunderwerke vollbringen könne. Dies wisse sie aus eigener Erfahrung. Ehemann M sieht in dieser besonderen Situation rot und würgt seine Ehefrau so lange, bis keine hämischen Bemerkungen mehr aus ihrem Mund zu ihm dringen.
In diesem Fall liegt eine schwere Beleidigung vor, die die Reaktion des Ehemannes M nachvollziehbar erscheinen lässt.
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Sexualbezogene Kränkungen und sexuelle Untreue nehmen bei der Anwendung des § 213 seit jeher einen großen Raum ein.[16] Daneben spielt auch immer wieder eine Alkoholisierung von Opfer und Täter eine erhebliche Rolle. Insbesondere bei Alkoholikern, die im Trunkenheitszustand zu Gewalttätigkeiten neigen, zermürbt deren regelmäßiges Verhalten den Täter mit der Folge, dass jede weitere Provokation „das Fass zum Überlaufen bringt“.[17]
Die Provokation muss den Täter ohne eigene Schuld getroffen haben. Dies ist zu verneinen, wenn der Täter den Getöteten in vorwerfbarer Weise zur Provokation veranlasst hat.
Beispiel
Hätte in obigem Beispielsfall der Ehemann die Ehefrau zuvor in dieser besonderen Situationen stets der Frigidität beschimpft, so lägen wechselseitige Provokationen vor mit der Folge, dass die Provokation der Ehefrau lediglich eine Reaktion auf die vorangegangene Provokation des Ehemannes darstellte und diesem die Berufung auf § 213 verwehrt wäre.
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Weitere Voraussetzung ist, dass der Täter aufgrund der Provokation zum Zorne gereizt, was nicht nur bei einem Affekt im engeren Sinne, sondern auch bei Wut und Empörung angenommen wird, und dadurch auf der Stelle zur Tat hingerissen wurde. Der Täter muss also bei der Tötung noch unter dem beherrschenden Einfluss der Provokation und der dadurch bedingten Gemütslage gestanden haben. Dafür braucht der Zorn nicht das einzige Motiv gewesen zu sein. Sofern jedoch auch andere Motive eine Rolle spielen (sog. Motivbündel) ist es erforderlich, dass der Zorn die maßgebliche Rolle gespielt hat.[18]
Beispiel
War der Ehemann M im obigen Fall sowieso schon zur Tötung der Ehefrau entschlossen, weil er in den Genuss einer Lebensversicherung kommen und sich sein Leben mit seiner Freundin und dem Geld versüßen wollte, so kann die Provokation unerheblich sein, wenn sie ihn nicht mehr aufregt als ein weiterer regnerischer Tag nach zwei vorangegangenen Regenwochen im August.