Читать книгу Nordmord - Sandra Dünschede - Страница 10
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ОглавлениеProfessor Voronin blickte kurz auf, als Schwester Hansen sein Büro betrat.
»Hat Frau Andresen sich gemeldet?«
Die Schwester schüttelte bedauernd ihren Kopf.
»Was denkt die sich nur dabei?«
Der Professor lehnte sich in seinem Ledersessel zurück.
Schwester Hansen zuckte mit den Schultern. Sie konnte sich auch nicht erklären, warum die junge Ärztin seit gestern einfach nicht zum Dienst erschienen war. Dabei war sie doch in allem, was sie tat, so zuverlässig und verantwortungsbewusst. Bei den Patienten war sie genauso beliebt wie bei den Schwestern. Immer gut gelaunt, obwohl der Professor ihr viel Arbeit aufbürdete. Vielleicht waren dadurch die Sympathien zu erklären, die Heike Andresen nur so zuflogen. Voronin hingegen war hier nicht gerne gesehen, jedenfalls nicht beim Personal. Schon möglich, dass er auf seinem Gebiet eine Koryphäe war, aber die Art, wie er seine Mitarbeiter behandelte, kam nicht besonders gut an.
»Es ist nur so, Herr Professor, da Frau Andresen nun nicht da ist … Lisa Martens soll ja heute ihre erste Hämodialyse bekommen und es müsste noch jemand mit den Eltern sprechen.«
»Hat das nicht Zeit?«
»Leider nicht. Die Retentionswerte haben sich drastisch verschlechtert.«
»Dann sprechen Sie mit den Eltern!«
»Aber ich …«
Der Professor machte nur eine entsprechende Handbewegung und senkte seinen Blick wieder auf die vor ihm liegenden Akten.
»Nun gehen Sie schon! Gehen Sie! Ich habe für so etwas wirklich keine Zeit.«
»Thamsen.«
»Guten Tag. Mein Name ist Tom Meissner. Ich bin ein Bekannter von Heike Andresen. Mit wem spreche ich?«
»Kriminalhauptkommissar Dirk Thamsen. Kriminalpolizei-Außenstelle Niebüll.«
Tom zog überrascht seine Augenbrauen hoch. Polizei? Was hatte Heike denn mit der zu tun?
»Sagen Sie, ich habe hier einen Zettel gefunden, demzufolge wollte Frau Andresen sich am Dienstag mit Ihnen treffen.«
»Das stimmt. Aber wer sind Sie denn überhaupt?«
»Wenn Sie gerade Zeit haben, sollten wir das vielleicht lieber persönlich besprechen. Meine Freundin und ich könnten in 10 Minuten bei Ihnen sein.«
»Okay. Bis gleich.«
Tom drückte auf die rote Taste seines Handys. Marlene trat nervös von einem Fuß auf den anderen.
»Und, wer war das?«
»Polizei.«
»Polizei?« Marlene schlug erschrocken ihre Hand vor den Mund.
Er griff nach ihrem Arm.
»Komm, Herr Thamsen wartet auf uns.«
Tom zog sie aus der Wohnung. Da sie ein wenig durcheinander wirkte, nahm er ihr die Wagenschlüssel ab und fuhr das kurze Stück zur Polizeistation.
Herr Thamsen saß in Zimmer Nr. 13. Tom schätzte ihn auf Mitte 40. Er war groß, schlank und blond. Als sie den Raum betraten, stand er auf.
»Herr Meissner?«
Tom nickte.
»Und das ist Marlene Schumann, eine Freundin von Heike Andresen.«
Herr Thamsen bat sie, Platz zu nehmen.
»Ja, wie Sie ja bereits erwähnten, wollte Frau Andresen am Dienstag zu mir kommen. Sie muss es sich aber anders überlegt haben, denn ich habe gegen 13 Uhr hier vergeblich auf sie gewartet.«
»Was hat Heike denn von Ihnen gewollt?« Marlene rutschte unruhig auf ihrem Stuhl hin und her.
Der Kommissar zuckte mit den Schultern.
»Am Telefon hatte sie mir nichts sagen wollen. Es klang aber, als sei es sehr dringend. Deshalb habe ich mich ja auch gewundert, dass sie nicht wie verabredet gekommen ist.«
»Das ist ganz und gar nicht Heikes Art. Es muss etwas passiert sein. Wir müssen eine Vermisstenanzeige aufgeben!«
Tom legte seine Hand auf Marlenes Arm, versuchte, sie zu beruhigen. Herr Thamsen erklärte, dass sie zwar Anzeige erstatten könne, aber viel ausrichten würde das zunächst einmal nicht.
»Besteht denn Suizidgefahr oder hat Frau Andresen eine schwere Krankheit?«
Marlene schüttelte den Kopf. Nein, Heike war doch ein so lebenslustiger Mensch. Gut, die Krankheit ihrer Mutter zog sie schon manchmal ganz schön runter. Aber das konnte man verstehen. Schließlich war sie gerade einmal Anfang 50 und hatte, wenn es hoch kam, nur noch ein oder zwei Jahre zu leben. Aber dass Heike sich deswegen etwas antun sollte? Undenkbar. Sie liebte ihre Mutter über alles. Niemals würde sie sie im Stich lassen.
»Dann sollten Sie vielleicht erst einmal alle Familienangehörigen und Freunde anrufen. Vielleicht gibt es eine Erklärung für das Verschwinden von Frau Andresen.«
Herr Thamsen stand auf. Marlene blickte ihn ungläubig an. Das war alles? So wenig kümmerte man sich um das Verschwinden ihrer Freundin? Es musste etwas passiert sein. Sie spürte es doch. Warum glaubte man ihr nicht? Verzweifelt blickte sie zu Tom.
»Gut, wenn Sie etwas hören, sagen Sie uns doch bitte Bescheid.«
Er holte aus seiner Jackentasche eine Visitenkarte hervor. Der Kommissar nickte.
»Wenn es Sie beruhigt, ich kann mich ja mal mit den umliegenden Krankenhäusern und Polizeistationen in Verbindung setzen. Aber glauben Sie mir, es wird sich sicher alles aufklären.«