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ОглавлениеHaie saß am Küchentisch und blätterte in dem Buch, das Marlene und Tom ihm zum Geburtstag geschenkt hatten.
Es war eine Art Bildband über Nordfriesland und er las gerade interessiert in dem Kapitel über die großen ›Mandränken‹, als das Telefon klingelte.
Es war Elke. Sie fragte, ob er Lust habe, sie zu einem Theaterstück im Andersen-Haus zu begleiten. ›De Plaatdütschen‹ sollten am Abend dort auftreten und Elke hatte zwei Karten für das Stück.
»Oh, heute Abend sieht es schlecht aus«, log Haie.
Seit er und Elke getrennt lebten, unternahmen sie zwar mehr zusammen als in der Zeit davor, aber er wollte ihr auf gar keinen Fall Hoffnungen machen. Schließlich waren sie erst letzte Woche zusammen in der Stadthalle bei einem Konzert gewesen. Wenn er sich zu häufig mit ihr verabredete, würde sie sicher nur denken, dass sie wieder zusammenkämen. Und das wollte er unter keinen Umständen. Für ihn war es endgültig aus. Für Elke nicht, und das wusste er.
»Das ist aber schade. Nun weiß ich gar nicht, mit wem ich hingehen soll. Was hast du denn vor?«
Haie überlegte kurz.
»Ich bin mit Tom verabredet.«
Er versicherte Elke noch, das nächste Mal käme er sicherlich mit, und legte auf. Kaum hatte er sich wieder an den Küchentisch gesetzt, klingelte das Telefon erneut. Er dachte, es sei noch einmal Elke, die ihn überreden wollte, doch mit ins Andersen-Haus zu gehen, aber als er den Hörer abhob, meldete sich Tom.
»Kannst du uns helfen?«
»Klar!«
Als Tom eine halbe Stunde später vor dem kleinen Reetdachhaus in Maasbüll hielt, stand Haie bereits vor der Haustür.
»Und, was gibts?«
Tom wendete den Wagen und fuhr die Dorfstraße entlang.
Er erzählte von Marlenes verschwundener Freundin und dem Besuch auf dem Polizeirevier.
»Merkwürdig ist das ja schon.« Haie kratzte sich an seinem linken Ohr.
»Und was habt ihr nun vor?«
»Marlene ist wieder in Heikes Wohnung gefahren. Sie will dort warten. Vielleicht kommt Heike ja nach Hause oder meldet sich. In der Zwischenzeit will sie einige Leute anrufen. Freunde, Bekannte, Familienangehörige. Eventuell weiß ja einer von denen, wo Heike steckt, oder sie hat sich gar gemeldet.«
»Und was machen wir?«
»Wir suchen Heikes Wagen. Der steht nämlich nicht vor ihrer Wohnung und demzufolge muss sie weggefahren sein.«
»Aber wo willst du denn anfangen zu suchen? Und ist das nicht eigentlich Aufgabe der Polizei?«
Tom schüttelte seinen Kopf.
»Die Polizei wird erst aktiv, wenn entweder der Verdacht einer Straftat besteht oder das Leben von Heike in Gefahr ist und da es dafür momentan keinerlei Anzeichen gibt, müssen wir das selbst in die Hand nehmen.«
»Und wie?«
»Wir fahren erst einmal nach Husum.«
»Nach Husum?«
»Da war Heike am Montagabend im ›Einstein‹ verabredet. Das ist die letzte Spur, die wir von ihr haben.«
Vorsichtig, so, als hätte sie Angst, entdeckt zu werden, schloss sie die Wohnungstür auf.
»Heike?«
Keine Antwort. Sie ging ins Wohnzimmer, sammelte ein paar der herumliegenden Sachen auf und legte sie aufs Bett. Ratlos blickte sie sich um.
Sie betrachtete das kleine Bücherregal. Neben einem Stapel Fachzeitschriften stand eine Gießkanne. Marlene füllte Wasser hinein und begann, die Blumen zu gießen.
Über dem Schreibtisch fiel ihr das Foto auf, welches sie mit Heike in Rom an der Spanischen Treppe zeigte. Es war vor sieben Jahren aufgenommen worden.
Sie hatten sich beim Sporttag an der Uni kennengelernt. Marlene hatte mit der Damenmannschaft der germanistischen Abteilung Fußball gegen die Medizinstudenten gespielt. Heike hatte sie böse gefault. Mit dem Ellenbogen hatte sie Marlene außer Gefecht gesetzt und dafür eine rote Karte kassiert. Auf der Bank am Spielrand, auf welcher Marlene saß, um sich von dem Übergriff zu erholen, saß Heike wegen des Spielverbots und da waren sie ins Gespräch gekommen und hatten sich auf Anhieb hervorragend verstanden. In den Semesterferien hatten sie dann zusammen einen Trip durch Italien unternommen. Damals waren sie noch so richtig eng befreundet gewesen. Fast jeden Tag hatten sie zusammen verbracht, nicht nur in den Ferien. Sie musste lächeln, als sie daran zurückdachte. In letzter Zeit hatten sie sich nicht mehr so häufig gesehen. Auch nicht, nachdem Heike hierher nach Niebüll gezogen war. Jede hatte ihren Job und dann gab es da ja auch noch Tom. Marlene hatte sich Hals über Kopf in ihn verliebt und natürlich jede freie Minute mit ihm verbracht. Wie sehr sie ihre Freundin eigentlich vernachlässigt hatte, fiel ihr erst jetzt auf. Sie nahm sich vor, wenn Heike wieder auftauchte, mehr Zeit mit ihr zu verbringen. Sie griff nach der Telefonliste, die neben dem Foto hing.
Freunde aus Hamburg, eine Tante, Arbeitskollegen und ein gewisser Malte Nielsen. Wer das wohl war? Heike hatte nie etwas von einem Malte erzählt. Sie zögerte kurz, ehe sie zum Telefonhörer griff.