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Es war kurz nach 18 Uhr. Marlene schlug das Buch zu, in dem sie gelesen hatte, und stand auf.

Ihre Kollegin war bereits gegangen. Marlene nahm ihre Jacke und verließ ebenfalls das Büro. In 20 Minuten war sie mit ihrer Freundin Heike im ›Ulmenhof‹ verabredet.

Vor dem Gebäude der alten Volksschule, in dem seit 1990 das ›Nordfriisk Instituut‹ untergebracht war, suchte sie in ihrer Handtasche nach dem Autoschlüssel.

Sie arbeitete seit fast einem Jahr an einem Projekt des Instituts über Theodor Storm und nebenbei als ehrenamtliche Bibliothekshelferin. Das Angebot, am Institut zu arbeiten, war damals zeitgleich mit der Frage ihres Freundes, ob sie nicht zu ihm ziehen wolle, gefallen. Sie hatte nicht lange überlegt und zugestimmt. Nun wohnte sie bei Tom in Risum-Lindholm und fuhr dreimal in der Woche nach Bredstedt ins Institut. Die Arbeit gefiel ihr sehr gut. Es machte ihr Spaß, das Leben und Werk des Heimatdichters zu erforschen. Nur in ihrem neuen Zuhause hatte sie sich noch nicht ganz eingelebt. Tom hatte das Haus von seinem Onkel geerbt. Es war alt und renovierungsbedürftig. Zwar hatte er schon viel gewerkelt, aber es blieb trotzdem noch jede Menge zu tun.

Marlene lenkte den Wagen durch das Tor, die Einfahrt zum ›Ulmenhof‹ hinauf und parkte auf dem kleinen Vorplatz. Heikes Wagen war nicht zu sehen. Sie schien sich mal wieder zu verspäten.

Sie stieg aus und überlegte, ob sie auf dem Parkplatz auf ihre Freundin warten sollte. Das Wetter war schön, die Herbstsonne hatte den ganzen Tag kräftig geschienen und ließ sich nur langsam von der heraufziehenden Abenddämmerung vertreiben. Sie schlenderte zum Restaurant hinüber und setzte sich auf eine der Steinstufen vor der Eingangstür.

Eine schwarze Katze kam gemächlich um die Hausecke gestreunt. Schnurrend streifte sie um ihre Beine.

Inzwischen war es 19 Uhr. Marlene stand auf. Aus ihrer Jackentasche holte sie ihr Handy. Eigentlich hatte sie schon vor geraumer Zeit das Mobiltelefon wieder abmelden wollen. Es war ihr zu teuer und manchmal sogar lästig, immer und überall erreichbar zu sein. Ihre Mutter hatte es ihr zum bestandenen Examen geschenkt. ›Schließlich bist du nun eine Akademikerin. Da brauchst du so etwas‹, hatte sie zu ihr gesagt und lächelnd das hübsch verpackte, handliche Telefon überreicht. Aber die Gebühren waren hoch und Marlene hatte es schließlich nur behalten, weil Tom sie mehr oder weniger davon überzeugt hatte, dass es im Notfall einfach praktischer war, eines bei sich zu haben. Und auch Heike besaß eines, zwar nicht für die Arbeit, aber da ihre Mutter schwer krank war, wollte sie immer erreichbar sein. Normalerweise rief sie auch an, wenn sie sich sehr verspätete, doch auf dem Display war kein Anruf verzeichnet. Sie wählte die Nummer der Freundin, es meldete sich jedoch nur die Mailbox.

Merkwürdig, dachte sie, ob Heike unsere Verabredung etwa vergessen hat? Sie hinterließ eine kurze Nachricht.

Weitere 30 Minuten vergingen. Als sich beim zweiten Versuch, die Freundin telefonisch zu erreichen, wieder nur die Mailbox meldete, stieg Marlene in ihren Wagen und fuhr nach Hause.

Auf dem Küchentisch lag ein Zettel: ›Bin bei Haie. Wird sicher spät. Kuss, Tom‹.

»Das war köstlich. Ich muss sagen, Haie, du bist ein Naturtalent.«

Haie grinste. Seit er sich von seiner Frau getrennt hatte, war er gezwungen, sich selbst zu versorgen. Das war anfangs nach so vielen Jahren ehelicher Fürsorge nicht einfach gewesen. Waschen, putzen, kochen– um alles hatte Elke sich gekümmert. Es war ihm nicht leicht gefallen, sich an die neue Situation zu gewöhnen. Nur mit Mühe hatte er alles in den Griff bekommen, vor allem das Kochen war ihm zunächst schwer gefallen. Langsam hatte er jedoch Spaß daran entwickelt, neue Gerichte auszuprobieren, zu improvisieren, und Tom hatte recht: Es schien, als sei er ein Naturtalent.

»Na ja, wenn ich da so an meinen ersten Rinderbraten denke.« Haie schmunzelte.

»Ach, das lag ja wohl eindeutig an mir.«

Tom hatte an dem Abend, als Haie seinen ersten Rinderbraten zubereitete, angerufen und ihn gebeten, kurz die Bohrmaschine vorbeizubringen. Selbstverständlich hatte der Freund sich sofort auf den Weg gemacht. Sie wohnten ja nicht weit entfernt voneinander und der Braten brauchte noch gut 30 Minuten. Als er Tom jedoch umständlich mit dem Bohrer hatte herumhantieren sehen, hatte er kurzerhand mit angepackt und den Braten völlig vergessen. Als er nach Hause gekommen war, hatte er vor lauter Rauch in der Küche kaum den Backofen gefunden. Der Braten war kohlrabenschwarz und ungenießbar gewesen.

»Sag mal, kannst du mir am Wochenende vielleicht beim Tapezieren helfen? Ich möchte Marlene eine Freude machen und das Schlafzimmer endlich renovieren. Sie hat sich, glaube ich, immer noch nicht so recht eingelebt.«

»Ich dachte, es sei besser geworden, seit ihre Freundin auch in der Nähe wohnt.«

»Schon, aber sie ist manchmal so bedrückt. Ich weiß auch nicht.«

»Macht doch lieber mal ein paar Tage Urlaub. Würde euch sicher guttun.«

Haie hatte wahrscheinlich recht. In letzter Zeit hatten sie wenig Zeit miteinander verbracht. Erst der Umzug, dann Marlenes neuer Job. Er baute sich gerade einen neuen Kundenstamm auf und jede freie Minute werkelte er am und im Haus herum. Da blieb wenig Zeit für gemeinsame Unternehmungen. Wie lange waren sie schon nicht mehr essen gegangen oder hatten einen ausgiebigen Spaziergang gemacht?

»Hast recht. Wenn ich morgen die Zusage von ›Motorola‹ bekomme, überrasche ich Marlene mit einem Kurztrip nach Amrum. Das bringt uns sicherlich mehr als neue Tapeten!«

Nordmord

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