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ОглавлениеMarlene wachte sehr früh auf. Sie hatte schlecht geschlafen.
Heike hatte sich gestern Abend nicht mehr gemeldet. Und als sie kurz vor dem Schlafengehen noch einmal versucht hatte, ihre Freundin zu erreichen, war wieder nur die Mailbox dran gewesen.
Sie stand leise auf. Tom schlief neben ihr noch tief und fest. Sie wollte ihn nicht aufwecken.
In der Küche fiel ihr erster Blick auf das Display ihres Handys, welches auf dem Küchentisch lag. Kein Anruf. Keine SMS.
Sie schaltete den Wasserkocher an und setzte sich. Wieder wählte sie die Nummer ihrer Freundin, wieder nur die Ansage. Langsam wurde sie unruhig. Wo war Heike? Wieso meldete sie sich nicht?
Sie brühte sich einen Tee auf und ging in das kleine Zimmer neben der Küche. Tom hatte es ihr als Büro eingerichtet. Ein Schreibtisch, ein paar Regale, jede Menge Bücher. Hier fühlte sie sich wohl. Das war ihr Reich. Mit nur wenigen und einfachen Mitteln hatte sie es sich gemütlich gemacht.
Sie setzte sich an den massiven Holzschreibtisch und schlug das Buch auf, welches zuoberst auf dem Stapel lag: ›Der Schimmelreiter. Dichtung und Wahrheit‹. Doch die Buchstaben tanzten nur so vor ihren Augen. Sie konnte sich einfach nicht konzentrieren. Was war mit Heike? Die Sorge um ihre Freundin ließ ihr keine Ruhe.
Aus dem Telefonbuch suchte sie die Nummer des Krankenhauses heraus. Nach dem vierten Klingeln wurde abgehoben.
»Ich möchte bitte gerne Frau Dr. Andresen sprechen.«
»Einen Augenblick bitte.« Sie hörte ein Knacken in der Leitung.
»Hansen?«
»Heike?«
»Tut mir leid, aber Frau Doktor ist noch nicht im Hause.«
Marlene blickte kurz auf ihre Uhr. Es war zwar früh, aber für gewöhnlich arbeitete Heike um diese Zeit bereits.
»Ab wann ist sie denn zu sprechen?«
Die Schwester teilte ihr mit, dass sie nicht wisse, ob Frau Doktor heute überhaupt noch komme. Sie sei seit zwei Tagen nicht zum Dienst erschienen. Krankgemeldet habe sie sich nicht, deswegen könne sie momentan leider auch nichts Genaueres sagen.
Marlene legte auf. Sie war beunruhigt. Da war doch etwas passiert. Es passte überhaupt nicht zu Heike, unentschuldigt der Arbeit fernzubleiben.
Kurz entschlossen stand sie auf, suchte im Regal nach dem Zweitschlüssel zu Heikes Wohnung, welchen ihr die Freundin für Notfälle gegeben hatte. Dann griff sie nach ihrer Handtasche und den Autoschlüsseln.
Im Flur stieß sie mit Tom zusammen, der gerade aufgewacht war. Noch verschlafen blickte er sie an.
»Da stimmt was nicht. Ich muss zu Heike«, antwortete sie auf seinen fragenden Blick hin.
»Warte, ich komme mit!«
Sie fuhren über die Bundesstraße nach Niebüll. Heike wohnte nicht weit entfernt vom Krankenhaus. In einer Seitenstraße der Gather Landstraße hatte sie eine kleine Einliegerwohnung eines Einfamilienhauses gemietet.
Marlene klingelte. Nichts.
Mit zittrigen Händen schloss sie die Tür auf und öffnete.
»Heike?«
Sie blieb einen kurzen Moment in der Tür stehen, zögerte einzutreten.
Tom stieß sie leicht an.
In der Wohnung sah zunächst alles aus wie immer. Das Bett war nicht gemacht, überall lagen Klamotten auf dem Fußboden zerstreut, in der Küche stapelte sich das Geschirr. Heike war nun mal ein chaotischer Mensch. Ordnung und Sauberkeit waren ihr nicht wichtig. Für sie zählte ausgehen, Spaß haben, Freunde treffen. Sie setzte ihre Prioritäten halt anders.
Sie inspizierten die ganze Wohnung, doch nichts deutete auf den Verbleib von Heike hin. Nach einer Weile ließ Tom sich auf das kleine Cordsofa fallen.
»Also, wann genau hast du denn das letzte Mal mit ihr gesprochen?«
»Am Montag.«
»Gut, heute ist Donnerstag. Vielleicht ist was mit ihrer Mutter? Hast du nicht erzählt, dass sie sehr krank sei? Vielleicht ist Heike zu ihr gefahren.«
»Aber doch nicht, ohne mir Bescheid zu geben!«
Marlene tigerte nervös im Zimmer auf und ab. Sie konnte sich einfach nicht erklären, wo ihre Freundin sein konnte. Wenn es einen Notfall gegeben hätte, hätte Heike sie doch angerufen. Kein Zweifel.
»Vielleicht hat sie einen Mann kennengelernt und sie verbringen Tag und Nacht zusammen. Sicherlich gibt es eine ganz einfache Erklärung.«
Er stand auf und wollte Marlene umarmen, doch sie schüttelte energisch ihren Kopf.
»Nein, Tom, so ist Heike nicht. So etwas würde sie nie tun. Dafür ist ihr die Arbeit auch viel zu wichtig. Weißt du, wie viele Bewerbungen sie geschrieben hat? Sie setzt doch ihren schwer ergatterten Job nicht einfach aufs Spiel. Nicht für so etwas.«
»Was heißt denn ›nicht für so etwas‹?«
Tom kratzte sich am Kopf. Er wusste ja, dass Marlene recht hatte. Zwar hatte er Heike bisher nur flüchtig kennengelernt, aber sie hatte auf ihn nicht den Eindruck einer verantwortungslosen Person gemacht. Eher hatte er sie als sehr ehrgeizig, zumindest was ihren Job betraf, eingestuft. Dass sie nun einfach ohne Entschuldigung nicht in der Klinik erschien, passte auch nicht zu dem Bild, das er von ihr hatte.
Er ging hinüber zum Schreibtisch und nahm einige der Zettel in die Hand, die überall herumlagen. Eine Einkaufsliste, ein Rezept, eine Rechnung vom Zahnarzt.
»Schau mal hier.« Er hielt einen kleinen Notizzettel hoch. »Am Dienstag wollte Heike sich mit einem Herrn Thamsen treffen.«
»Zeig mal!« Marlene riss ihm den Zettel förmlich aus der Hand.
›Dienstag, 13 Uhr, Herr Thamsen, 401138‹.
»Wer das wohl ist? Heike hat mir gar nichts davon erzählt.«
»Rufen wir ihn doch einfach an!« Tom tippte bereits die angegebene Telefonnummer in sein Handy.