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Eine Taube macht noch keinen Sommer

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Putzen ist die verlässlichste Möglichkeit, um gute Laune zu erlangen. Das habe ich irgendwo einmal gelesen und die Erklärung klingt so simpel wie logisch. Unmittelbar im Anschluss erfolgt ein sichtbares Erfolgserlebnis, zudem werden durch die körperliche Anstrengung Glückshormone ausgeschüttet - ähnlich sportlichen oder sexuellen Aktivitäten.

Die Formel verspricht Erfolgspotenzial, nur steht beim Putzen immerwährend eine mühsame Hürde im Weg. Konnte ich mich erfolgreich aufraffen, mutiere ich zum Wirbelwind, der am wirbeligsten mit Shania tobt. Singend und tanzend. Verrückt sein. Vergessen, dass ich eine Lady bin.

Gute Laune dank Putzen - das gelingt tatsächlich verlässlich. Nicht verlässlich hingegen will es gelingen, sämtliches Begehren, das aufgrund von Engpässen unter der Woche auf der Strecke blieb, komprimiert an zwei Tagen unter einen Hut zu bringen.

Obgleich der Tagesablauf des Samstags einer straffen Planung unterlag, raste er wie ein ICE an mir vorbei. Nach erfolgreicher Vernichtung von Staub und Dreck, eilte ich beseelt in den Supermarkt. Frische Milch landete doppelt im Einkaufs-Korb. Àde fiese Kaffeesahne - es war nicht schön mit dir! Sobald die Einkäufe ordnungsgerecht verstaut waren, tönte ich meine Haare und das erfrischende Haselnussbraun ließ mich fühlen wie neugeboren. Dem Hoch folgte ein exzessiver Schminkprozess sowie die Befriedigung meiner zweiten Passion, die in einer schwarzen Lederleggins, einem ockerfarbigen Schößchen Top und einer langen Kette resultierte.

Gegen acht trudelten Sophie und Valeska in strahlender Sauberkeit ein - mitsamt einem Geschenk, das schmeichelhafte Aufmunterung gewähren sollte. Es ist ein schönes Gefühl, die besten Freundinnen der Welt zu haben, sagt ein stolzer Rachegeist angesichts der neugewonnenen Befähigung allerorts und jederzeit mordend umherstreifen zu können. Prost!

Mit zwei Flaschen prickelnden Proseccos intus brachen wir auf zu unserer Lieblings-Bar Manila - in der angeheiterten Hoffnung, einen netten Mann kennen zu lernen. Jedenfalls war das meine Absicht, Sophie und Valeska sind in festen Händen. Wir haben getrunken, getanzt und gelacht. Tja, und ehe man sich versieht, schreiben wir Sonntagabend. Ich sag`s ja: wie ein ICE. Ach ja, und zwischenzeitlich habe ich natürlich auch Nahrung aufgenommen.

Apropos. Ein wenig Zeit verbleibt mir noch und jene gilt es, weiterhin zu genießen. Zur Krönung meines rasanten Wochenendes brutzelt ein Nudelauflauf im Backofen vor sich hin, der darauf wartet, alsbald verzehrt zu werden.

Unter der Woche koche ich selten, die Kantine nehme ich regelmäßig in Anspruch und abends esse ich dann meist nur Körner-Brot mit variierendem Aufschnitt oder mal einen bunten Salat. Eigentlich ist diese Verschwendung meiner Talente ein unhaltbarer Zustand, es liegt mir jedoch fern, neuerliche Schwarzmalerei zu betreiben und unerfüllte Berufungen zu bedauern, zumal ich vergangene Woche zunehmend wertvolle Erfahrungen sammelte hinsichtlich der viel wundervolleren Offenbarung, welche das Geschick für mich vorsah.

Und was machst du so? Ich bin eine Debitorenbuchhalterin. Nun ja, eine Taube macht noch keinen Sommer. Das mahnte Francesca ausdrücklich an binnen ihres einstündigen Besuches mitsamt dem dienlichen Zweck, dass meine Vorarbeiterin ausführlichen Rapport über unsere Fortschritte liefern sollte. Die Fortschritte eines Freitagnachmittages wohlbemerkt.

Was soll`s! Mittelmaß und Heidi Hagenbert - nicht in diesem grauen Leben. Francescas Besuch hinterließ schließlich nicht nur Desillusionierung, denn er brachte ingleichen Ottos Lieblingsfarbe hervor. Braun entspreche der betörenden Farbe ihrer Knopfaugen. Ein Frevel, wer behauptet, Romantik existiere ausschließlich in Historik-Romanen. Von wegen! Männer dieser Zeit, nehmt euch ein Beispiel an Otto Horst. Der weiß noch, wie`s geht! Anyways.

Francescas lustiger Versprecher beleuchtet die Tatsachen, wie sie sind. Andrea meinte, wir wären erst bei einem Zehntel von all dem, was eine Debitorenbuchhalterin beherrschen sollte. Wie man zum Beispiel eine Rechnung bucht, verbleibt ein mir entsagtes Phänomen. Dafür lernte ich, wie Zahlungseingänge verbucht und ausgeziffert werden. Buchhaltungskram eben. Unheimlich spannend und aufregend. Verflucht nochmal! Mittelmäßig zu sein, bereitet einfach zu viel Vergnügen!

Mithin Zeit für ausschweifendes Selbstmitleid und wenn ich einmal dabei bin, weshalb nicht auf ganzer Strecke? Wenn ich nämlich so in mich gehe, wäre es bedeutend schöner, diesen Auflauf mit jemandem teilen zu können, aber erneut kein netter Mann gestern. Wieso ist es fast allen Zeitgenossen meines kolossalen Bekanntenkreises vergönnt, glücklich verliebt zu sein? Wann kommt Heidi Nett zum verdienten Zug?

Schlummernde Liebe verlangt sehnsuchtsvoll und zentnerweise gegeben zu werden, nur will sie kein männliches Wesen empfangen. Jedenfalls keiner derer, die ich in letzter Zeit in Betracht zog. Einzig mein klingelndes Telefon verhindert einen Absturz in den Viehtransport.

„Hi Süße, wie geht es dir?“, erfragt Helene, derweil im selben Moment die Eieruhr piept.

„Warte kurz. Ich muss eben was aus dem Ofen holen.“

Es duftet bereits lecker, mein selbstgekochtes Essen enthält beziehungsweise erhält eine sättigende Portion Liebe. So stelle ich mir den Idealfall einer funktionierenden Beziehung vor.

„So, da bin ich wieder“, melde ich mich zurück. „Störe dich nicht an meinem Schmatzen. Wie geht es dir? Wie gefällt dir München?“

„München ist genial! Du musst mich mal besuchen kommen.“

„Auf jeden Fall. Sehr gerne. Wie ist der Job?“

„Suuper viel Arbeit, aber es macht einen Höllenspaß. Alle sind suuuper nett und die Bezahlung ist der Hammer - dafür mache ich gern mal eine Stunde länger. Und bei dir?“

Fast hätte ich mich verschluckt. Ich kann nur eine einzige Übereinstimmung verzeichnen und dieser Umstand sensibilisiert das Bewusstsein meines jämmerlichen Praktikantendaseins. Dröhnend schrillt neuer Selbstmitleidalarm.

Nach Abschluss des Studiums nahm griechische Gelassenheit eine dreimonatige Auszeit zwecks eines sonnigen Heimaturlaubes. Danach ergatterte sie mit ihrer ersten Bewerbung den erhofften Traumjob in vermeintlicher Traumstadt, was sich beides bewahrheitet. Wenn da nicht dieses stechende Gefühl in meiner linken Brust wäre, würde ich mich aufrichtig für Helene freuen. Ihr sei alles Glück der Welt gegönnt - unter einer Prämisse! Ich will gefälligst auch ein Stück vom Kuchen! Und zwar eins mit süßen Kirschen! Und Sahne obendrauf!

„Das freut mich“, versuche ich, Neid zu verbergen.

„Oh, das klingt aber nicht so.“ Mist - hat nicht funktioniert.

„Doch, tue ich! Ehrlich. Entschuldige, es ist nur - ach, bei mir ist es halt leider nicht so rosig…“, entgegne ich geknickt, „…weder die Arbeit noch mein Praktikantengehalt sind der Rede wert.“

„Du machst schon wieder nur ein Praktikum?“

Hatte ich das etwa bei unserem letzten Gespräch nicht erwähnt? Lügen haben kurze Beine. Ich könnte niemals fremdgehen; mein Freund bräuchte nicht viel Anstrengung, um mich zu überführen.

„Ja, leider - ich habe nichts anderes bekommen…“ Würde der leckere Auflauf nicht warm um einiges besser schmecken, läge ich längst beschämt unter der Bettdecke.

„Das tut mir leid! Hey, Kopf hoch! Immerhin besser als nichts. Wie läuft`s denn?“

„Beschissen läuft es!“ Emotionsgeladen steigt angestauter Frust empor. „Die meiste Zeit verbringe ich damit, Rechnungen in Ordner einzusortieren. Überaus erfüllend. Mein Gehalt reicht zum Überleben und ach, meine Chefin soll eine herrschsüchtige Tyrannin sein. Alle Mitarbeiter lästern ununterbrochen über sie, was tierisch nervt, aber scheinbar haben sie ihre Gründe. Da zeige ich schon mehr Demut als Verstand und ziehe das Glückslos-Praktikum. Halleluja!“

„Oje, du Arme! Das klingt wirklich alles andere als neiderregend...! Hast du denn wenigstens eine Chance übernommen zu werden?“

„Ja, diese Ehre wurde mir großzügig eingeräumt! Nur ist das überhaupt erstrebenswert? Wird es mir dann plötzlich besser gefallen? Oder sollte ich dieser Bürokacke nicht lieber komplett den Rücken kehren? Ich weiß vorne und hinten nicht mehr, was ich will…“ Genervt massakriere ich ein Stück Nudelauflauf. „Ach egal, lass uns bitte über was anderes reden. Was machen die Männer?“

Ist zwar gemein, aber wenn sie mir jetzt erzählt, wie sehr und bedingungslos sie derzeit in einen griechischen Gott verliebt ist, lege ich auf. Sofort. Stromausfall.

„Ach Süße, das tut mir leid! Ich wünsche dir trotzdem, dass es mit der Festanstellung klappt - dann kannst du den Frust einfach wegshoppen. Und die Stimmung wird sicher mit der Zeit besser - und falls nicht, schaust du dich halt nach was anderem um!“, übt sich Wächterin Hera gelungen in Aufmunterung. „PS: Was die Liebe betrifft, herrscht bei mir Flaute.“

Nochmal Glück gehabt, liebe Helene.

„Dito.“

„Aber du wirst begeistert sein von meiner Lösung dieses nicht länger tragbaren Zustandes. Ich meine, wir beide sind ja quasi ein Lottogewinn!“

„Gewiss sind wir das!“ Lottogewinn gefällt mir. So sollte man sich als intelligente Frau wahrnehmen. Und wer das nicht kapiert und einen nicht dementsprechend behandelt, hat eben Pech gehabt. Er verpasst ja den Jackpot.

„Ich habe mich bei Liebeswecker.de angemeldet!“, verkündet Helene euphorisch. „Das ist richtig spannend! Ein netter Zeitvertreib für einsame Abende.“

„Ich weiß nicht…“, zeige ich mich skeptisch. „Sind da nicht nur Spinner unterwegs?“

„Von wegen!“, empört sich Zeus Gattin und Schwester überzeugend. „Du wirst nicht glauben, mit wem ich letztens ausgiebig gechattet habe!“

Meine Neugier ist geweckt. Interessiert rate ich ein paar Namen, liege aber konsequent daneben. Hm! Es muss auf jeden Fall jemand sein, der mit uns studiert hat, mehr gemeinsame Leute kennen wir nicht. Außer Joshua und Max, aber das sind unsere Kumpels. Mit denen flirten wir nicht. Zumindest nicht offiziell.

„Manno - ich komme nicht drauf. Gib mal `nen Tipp!“, versuche ich einen Hinweis herauszukitzeln.

„Ich hätte gedacht, du errätst es sofort!“, reagiert sie enttäuscht. „Ok - ich will mal nicht so sein. Die Rede ist von Olaf Tauber!“

Die Sekunden meines Schweigens deutet Helene als Demenz.

„Sag bloß, den kennst du nicht mehr?“

Ich abonnierter Tölpel - da hätte ich von selbst drauf kommen müssen! Der schöne Olaf. Ein Semester lang ein plausibler Grund sich dienstagmorgens zur Mikroökonomik-Vorlesung aus dem Bett zu quälen. Überdies genießt er unter einem Synonym Bekanntheit, welches gar über Universitätskreise hinausgeht. Valeska, Sophie, Isabel und ich erspähten ihn eines Abends auf einer Studenten-Party und da mir sein Name zu einstigem Zeitpunkt noch unbekannt war und er just mit beispielloser Coolness einen Tequila-Shot trank, wurde die Taufe unvermeidbar als gleich gegen meinen Willen vollzogen.

„Das gibt`s ja nicht - hätte ich nicht gedacht. Tequila-Mann lernt doch bestimmt auch so genug Frauen kennen…“, bringe ich mein Erstaunen zum Ausdruck.

„Wieso Tequila-Mann?“

„Lange Geschichte…Der ist da echt angemeldet?“

„Im Ernst! Ich war auch überrascht, aber er meinte, er wäre schüchtern. Voll süß!“, kichert sie. „Nach unserem Chat kann ich das allerdings so nicht unterschreiben. Je später es wurde, desto heißer glühten die Leitungen…“

„So, so!“

„Aber ich würde nie etwas mit ihm anfangen, der ist mir viel zu jung“, stellt Helene klar. Aus ihrer Vorliebe für ältere Männer macht sie kein Geheimnis - zehn Jahre bilden das Minimum. „Für dich wäre er was! Ihr würdet gut zusammenpassen!“

„Hm - meinst du? Ich glaube nicht, dass ich sein Typ wäre…“

„Na, dann finde es heraus! Ich sag, du hättest gute Karten. Der hatte schon damals was für dich übrig - ich habe ein feines Gespür für so was!“

„Meinst du wirklich?“

„Mensch Heidi - ja! Wach auf und benutz endlich Wimperntusche!“

„Ob du es glaubst oder nicht - seit der Zeit in Hamburg tue ich das täglich!“

„Na, dann ran an den Speck!"

„Ich bin doch keine Maus…“

„Haha - deinen Humor hast du zum Glück noch nicht verloren!“

Während ich mir einen Nachschlag der leckeren Kreation aus Champions, Gorgonzola und Spinat gönne, ziehe ich abwägend in Betracht, mir ein Profil bei Liebeswecker.de zu erstellen. Was ist schon groß dabei? Ein ansehnliches Foto hochladen, ein paar Eckdaten angeben und fertig ist das Cyber-Ich. Und man kann es ja auch wieder löschen.

Doch so richtig mag ich mich mit diesem funktionalen Internet-Gedöns nicht anfreunden. Einzig, dass mein ehemaliger Schwarm dort angemeldet ist, schürt Zwiespalt. Die verlockende Sahneschnitte ist weiß Gott nicht zu verachten.

Nachdenklich begebe ich mich in die Küche, nehme ein Stück Frischhaltefolie zur Hand und stelle den überschaubaren Rest in den Kühlschrank. So habe ich etwas, worauf ich mich morgen freuen kann. Wäre Olaf Tauber nicht ein weitaus erfreulicherer Grund?

In aller Seelenruhe entkleide ich mich, streife den Schlafanzug über und begebe mich ins Badezimmer, um die Schminke zu entfernen, ehe ich mich irritiert frage, für wen oder weshalb ich sie eigentlich heute aufgetragen habe.

Pur wie die Natur schwinge ich mich in das frisch bezogene Bett und kuschel mich ein wie ein Dachs. Wie gerne würde ich mich mal wieder an eine halbwegs trainierte Männerbrust ankuscheln, denke ich ein wenig traurig. An einen Mann, den ich mag. An Olaf? Schon öfters zog ich die Anschaffung eines kleinen Hundileins oder einer zahmen Katze in Betracht, aber die Kompensierung meiner Kuschelbedürfnisse erschien mir zu gering im Vergleich zum Aufwand. Ein Haustier bei einer Vierzigstundenwoche erfordert Top-Management Qualitäten.

Von einer Welle Einsamkeit überschwemmt, erwäge ich, das umsichtige Geschenk meiner Freundinnen einzuweihen. Warum nicht die filmreifen Wunschvorstellungen zu Papier bringen, anstatt dösend ins Land der Träume zu flüchten?

Verträumt greife ich nach dem jungfräulichen Notizbuch - der mordenden Hausfrau aber gestehe ich an diesem Abend eine Ruhepause zu. Auch sie muss ihren Akku aufladen.

Junge Frau, was soll ich nur mit Ihnen anstellen?“

Sie wusste nicht, ob es der Inhalt war, der sie irritierte oder der tiefe Klang seiner Stimme. Oder diese stahlblauen Augen, denen sie nur mühsam standhielt.

Sie brauchen wahrlich nicht solch eine Angst zu hegen!“ Behutsam legte er seine Hand auf ihre Schulter. „Sie sind hier in den besten Händen.“

Ohne dass sie darauf vorbereitet gewesen wäre, sagte ihr der Gedanke ausgesprochen zu - dass diese Hände sie häufiger und eines Tages womöglich noch an anderen Stellen berühren würden. Beinahe entsetzt stellte sie fest, dass sie sich mit Freude daran gewöhnen könnte. Welch sonderlicher, abwegiger Gedanke.

Vertrauen Sie mir einfach! Ist das eine derart vermessene Forderung?“

Kokettierte er oder spielte ein Wunschgedanke ihr einen trügerischen Streich?

Nein, natürlich nicht“, lächelte sie verlegen. „Bitte entschuldigen Sie meine Aufregung. Ich weiß, dass Sie der Beste auf Ihrem Gebiet sind.“

Ich gebe lediglich mein Bestes und die Medizin erzielt große Fortschritte - von denen ich profitiere. Ein Geben und Nehmen, wie in manch anderem Bereich.“

Sein zwinkernder Blick war durchdringend und abermals kam es ihr in den Sinn, dass sie nichts dagegen einzuwenden hätte, jenen anderen Bereich mit ihm zu teilen. Gleichermaßen hoffte sie inständig, dass er nicht imstande war, Gedanken zu lesen.

Jetzt entspannen Sie sich zunächst einmal.“

Er trat einen Schritt näher und sie ward überrascht von einer Mischung aus Erregung und Befangenheit. Wiederum hoffte sie, dass er nichts davon bemerkte. Geflissentlich begann er ihre feingliedrigen Schultern zu massieren, doch verfehlte die Wirkung gänzlich ihren ursprünglichen Zweck.

Sie dürfen sich nicht so verkrampfen!“, rügte er mahnend. „Denken Sie an etwas Schönes! Wohin reisen Sie gerne?“

Eine gute Frage...“

Junge Frau - es muss doch einen Ort geben, nach dem Sie sich sehnen!“, empörte er sich spitzbübisch. „An deren Erinnerungen Sie zehren und es kaum erwarten können, neue - nicht minder schöne - zu erschaffen.“

Er unterbrach seine Massage, um vorzutreten und ihr in die Augen zu sehen. Und schon wieder blickte er sie auf diese gewisse Art an. Vielsagend und geheimnisvoll zugleich.

Doch - ich denke einen derartigen Ort gibt es.“

Wenn er denn wirklich von einem Ort sprach.

Lassen Sie ihn mich wissen? Oder bildet er ein Geheimnis, welches Sie nicht mit jedem beliebigen Arzt, den törichte Neugier drängt, zu teilen vermögen?“

Emilia lächelte.

Igea Marina.“

Er trat hinter sie und setzte seine Massage fort.

Wo ist das?“

Im bezaubernden Italien“

Ist es ein schöner Ort?“

Atemraubend!“

Manches entdeckt man bisweilen schicksalhaft, gleichwohl es einem zuvor unbekannt war. Ein neues Ziel birgt das Risiko einer Enttäuschung, andererseits kann es einen überraschen - weitaus reizvoller und bereichernder sein. Kennen Sie dieses Gefühl?“

Gewiss! Ich reise zwar gern an vertraute Orte, aber ein Abenteuerinstinkt ist mir nicht fremd. Gewohnheit ermüdet mich schnell.“

Waren Sie schon einmal in Saint Tropez?“

Nein, bislang nicht.“

Mit Sanftmut drehte er ihren zarten Körper, sodass sie einander im Angesicht ersahen und wohlige Schauer liefen ihr den Rücken hinunter. Wiederholt war sie nicht fähig, diesen stahlblauen Augen standzuhalten; verstohlen senkte sie den Blick.

Na, dann wird es aber allerhöchste Zeit!", riet er überzeugend. „Glauben Sie mir, junge Frau - es gibt kein schöneres Fleckchen Erde auf dieser Welt.“

Aus irgendeinem Grund beschlich sie jenes dumpfe Gefühl, dass ihn ihre Unsicherheit amüsierte. Vermutlich gar gefiel, barg sie doch eine Art Reinheit. Etwas Unschuldiges.

Emilia Buddelin entstammte einer angesehenen Adelsfamilie und nannte ein prächtiges Anwesen außerhalb der Stadt ihr Zuhause, welches inmitten von Wäldern und Wiesen wurzelte - wie ein exklusives Gemälde eingerahmt von unberührter Natur.

Als Emilia zwanzig ward, legte man ihr eine Liaison mit einem namhaften Grafen ans Herz, den sie als Widerling wahrnahm und so beschloss sie, rebellisch wie sie war, niemals eine Bindung mit einem Mann zu erstreben, der ihrer standesgemäß war.

Emilia verlangte es nach einem Liebhaber aus einer anderen Welt. Jemand Aufregendes. Kurzum: Sie ersehnte einen ungezähmten Freigeist, der sich gesellschaftlichen Zwängen widersetzte, um von Luft und Liebe zu zehren.

Dr. Alexander Strauss entsprach diesem aus Trotz entsprungenen Wunschbild nicht im Ansatz. Nur zu perfekt passte er in das Bild von einem Mann, den man ihrer vorsah. Gebildet und manierlich. Ein Mann von Welt - gesellschaftlich geachtet.

Den ganzen Tag über, bis in späte Abendröte hinein, wirkte jene vermeintlich unverfängliche Begegnung nach. Insbesondere Alexanders abschließende Frage, die er stellte, indessen Emilia nach ihrem Büstenhalter griff.

Mitsamt frenetischem Argwohn versuchte sie dieses undefinierbare Gefühl einzudämmen, das sie nicht erwartet hatte und welches sie ebenso keineswegs wünschte zu erwarten. Emilia Buddelin wehrte sich vehement gegen ein und denselben Film, der sie verfolgte, um sich als gleich in einer Schleife zu wiederholen, doch jegliche Bemühung war schier vergebens.

Können wir einstweilen über die nächste Art unserer Zusammenkunft verhandeln?“

Wie ungehobelt, dachte sie noch, ehe sie verzückt Schlaf fand. So verzückt, wie man es nur sein konnte, wenn man innerhalb von Sekunden beispiellos verliebt ward.

Otto hat Flick Flacks gekauft

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