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13. Fahrrad (Teil I)

Ich bringe das Boot zu einem Ort namens Kingswood Junction, mein Freund Narsh hat versprochen, es von dort in den Kurort Lemington Spa zu überführen. Narsh meint, er habe bestimmt mehr Erfolg mit dem Bücherverkauf als ich, und er soll recht behalten. Unterdessen fahre ich, ein grobschlächtig aussehendes Lastenrad aus den 1930ern im Gepäck, mit dem Zug zur Cardigan Bay in Wales, um einen Mann namens Rob Penn zu treffen, mit dem ich vorhabe eine andere Art des mobilen Buchverkaufs auszuprobieren.

Viele Jahrtausende lang waren die Menschen, die außerhalb von Groß- und Universitätsstädten lebten, auf reisende Buchhändler angewiesen, um sich neues Lesefutter zu beschaffen. Knallbunt gekleidet, um Aufmerksamkeit zu erregen, zogen diese seltsamen Gestalten zu Fuß von Dorf zu Dorf, Körbe mit ihren Waren umgebunden oder, wie bei den deutlich fleißigeren Chinesen, knapp zwei Meter hohe, mit Wimpeln und Schleifen geschmückte Holzregale auf den Rücken geschnallt. Dieses nomadische Händlerdasein fasziniert mich. Irgendwie hat es etwas Missionarisches an sich. Als jemand, der als Kind Heilige werden wollte, reicht dieser missionarische Charakter aus, mich dafür zu begeistern.

Die Sache mit den Heiligen nahm, wie viele meiner Ideen, mit einem Buch ihren Anfang. Ich wurde katholisch erzogen, besuchte eine Klosterschule, die von einem Orden strenger deutscher Nonnen geführt wurde, und als ich mit sieben Jahren meine Erstkommunion empfing, erhielt ich als Geschenk einen Rosenkranz, der im Dunkeln leuchtete, sowie ein Kinderbuch über berühmte Heilige. Diese Erzählungen über gewöhnliche Leute, die göttlichen Status erreichten, faszinierten mich. Wahrscheinlich erging es mir damals so wie Kindern heute mit Realityshows: Plötzlich schien der Weg zum Ruhm gar nicht mehr so schwer zu sein. Soweit ich das verstanden hatte, musste man, um Heilige zu werden, einfach einem besonderen »M«-Dreierset folgen: keinen Mann haben, keine Moneten haben und Missionierend durchs Land ziehen und stets und ständig allen Leuten ihre Fehler vorhalten. Angesichts meiner damals noch intakten Jungfräulichkeit und des bisschen Kleingelds in meinem Sparschwein war ich zuversichtlich, dass Papst Johannes Paul der II. mich heiligsprechen würde, sobald ich mich auf die Reise begab. Natürlich gab es noch eine vierte Qualifikation, auf die ich etwas weniger erpicht war: die erstbeste Möglichkeit zu ergreifen, um zur Märtyrerin zu werden.

Man sollte annehmen, zwanzig Jahre und ein erheblich geschwundener religiöser Eifer sollten dieser Fantasie von einem Leben auf Wanderschaft mit dem Evangelium in der Hand ein Ende gesetzt haben. Tatsächlich jedoch scheint mein Monat als fahrende Buchhändlerin diese Idee lediglich befeuert zu haben. Als ich in einem Newsletter des Penguin-Verlages lese, dass einer ihrer Autoren, Robert Penn, eine Fahrradtour nach Hay-on-Wye organisiert, um sein neues Buch zu vermarkten, empinde ich den überwältigenden Drang, ihn zu kontaktieren und ihn anzubetteln, ihn in seinem Tross begleiten zu dürfen. Ich biete an, seine Bücher zu transportieren und gleichzeitig zu verhökern. Mit anderen Worten werden wir zum fairen Verkaufspreis von nur 7,99 Pfund alle heidnischen Seelen retten, denen wir unterwegs begegnen. Der Autor erteilt meiner Bitte großzügig seinen Segen. Das Buch trägt einen angenehm heilsversprechenden Titel: Vom Glück auf zwei Rädern. Im Vorwort predigt Rob leidenschaftlich: »Wenn Sie je, und sei es nur ein einziges Mal, mit singendem Herzen auf einem Rad gesessen und sich wie ein gewöhnlicher Sterblicher gefühlt haben, der das Göttliche berührt, dann haben wir eine grundlegende Erfahrung gemeinsam.«

Wie bei den meisten Dingen steckt der Teufel im Detail. Die Frage, wie ich mit dem Fahrrad in gerade einmal vier Tagen und bepackt mit einem mobilen Minibuchladen von der Küste bis zur Grenze fahren soll, beschäftigt mich stundenlang. Kurzzeitig erwäge ich, es auf die altehrwürdig asiatische Art zu machen und mir eines von Ikeas allgegenwärtigen Billy-Regalen auf den Rücken zu schnallen. Oder es mit dem unglaublich wortspielgenialen B(a)uchladen zu versuchen. Oder an mein Damenrad einen Beiwagen zu montieren. Da fällt mir gerade noch rechtzeitig ein Fehlkauf bei eBay ein, woraufhin ich zur Garage meiner Eltern eile, um das schwarze Lastenrad hervorzukramen, das ich vor zwei Jahren ersteigert habe. Es hat ein winziges Vorderrad, das unsicher vor dem großen dahinhoppelt, und keine Gänge. Ich meine mich zu erinnern, dass Rob irgendetwas von den Cambrian Mountains auf unserer Route erwähnte. Falls das richtig ist, wäre eine Gangschaltung höchstwahrscheinlich praktisch, ebenso wie ein deutlich leichterer Rahmen.

Aber die positiven Aspekte überwiegen letztlich. Das Fahrrad hat vorn einen riesigen Korb, um die Kiste mit Büchern zu verstauen, und der Sattel ist schön breit und bequem. Außerdem habe ich den Schriftzug der Book Barge darauf aufbringen lassen, sodass allein die Werbewirksamkeit, wenn ich das Rad zuletzt vor dem Kunst- und Literatur-Festival in Hay abstelle, die Anstrengungen beim Überqueren der zwei, drei Berge wert ist. Um mich einzustimmen, fange ich mit H. G. Wells vergnüglichem Roman The Wheels of Chance an und stelle mir vor, dass die bevorstehenden zwei Wochen Urlaub auf zwei Rädern eine ebenso vergnügliche Geschichte voller harmloser Abenteuer und größtenteils flachem Terrain werden. Wells, einst als poeta laureatus der Radler bezeichnet, schreibt in diesem Buch: »Selbsttäuschung ist das Narkosemittel des Lebens, während Gott unser Wesen formt.«

Intermezzo zu »Der Heiligen Leben: Sarah von Book Barge«

Sarah von Book Barge (geboren als Sarah Louise Henshaw am 10. Mai 1983) war eine englische Bücher(verkaufs)närrin und Laiin.

Im Alter von 27 Jahren verzichtete sie auf (verlor durch Misswirtschaft) all ihren weltlichen Besitz und ihre Kreditwürdigkeit und widmete stattdessen ihr Leben dem BUCH. Sie zog von Stadt zu Stadt, wo sie gegen das Teufelswerk Kindle predigte und reichlich Victoria Sponge Cake empfing.

Einst, als sie auf dem Regents-Kanal in Islington schlief, hatte sie eine Vision, ein Trunkenbold hätte ihre Leinen losgemacht. Als sie durch das Bullauge spähte, entdeckte sie, dass tatsächlich ein Trunkenbold ihre Leinen losgemacht hatte.

Bis zum heutigen Tage hat sie keinen Tropfen Blut geweint. Sie hat jedoch einmal Wodka von einem Teelöffel geschnupft, woraufhin sie einen Schwall Tränen vergoss, während der GEIST in ihr atmete.

Sarah wurde offiziell kanalisiert am 20. September 2011, als sie in Manchester in das Castlefield-Becken fiel, nachdem sie die ganze Nacht durchgemacht hatte. Wie durch ein Wunder gelang es ihr, sich beim Fallen am Dollbord festzuhalten, und sie entging somit einer vollständigen Taufe. Auf diese Weise der Weil-Krankheit knapp entronnen, beschloss sie, eine Kolonie für gleichgesinnte Menschen mit panischer Angst vor Rattenpipi zu gründen, die sie Die Burton-Gesellschaft für Literatur und Nagetierpipi-Tod nannte, was im Übrigen ein hervorragender Titel für einen Bestseller wäre. Nachdem sie den Titel vorgestellt hatte, soll sie ausgerufen haben: »Klopfen Sie an und schon schlägt Ihnen der Agent die Tür vor der Nase zu.« Wegen dieser unverblümten Kritik an der Verlagsbranche wird sie von anderen erfolglosen/Möchtegern-Schriftstellern bis heute verehrt.

Der Onlinebuchhändler Kobo hat sie überlebt.

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