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Warum ich dieses Buch liebe

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Buchhandlungen verkaufen nicht nur Geschichten, sondern haben in den allermeisten Fällen auch selbst – sehr besondere – Geschichten zu erzählen.

Als ich 2015 zu einer Europareise aufbrach, um die schönsten und außergewöhnlichsten Buchhandlungen unseres Kontinents zu entdecken, führte mich mein Weg dabei auch in den kleinen Anlegehafen der nur unwesentlich größeren Gemeinde Burton-upon-Trent, die in Mittelengland beheimatet ist. Obwohl wir Hochsommer hatten, nieselte und nebelte es an jenem Tag – zu allem Überfluss stellte sich dann auch noch heraus, dass die schwimmende Buchhandlung, die hier anlag und der Grund meines Besuchs war (genau genommen thronte sie in schwarz lackierter Eleganz auf dem Wasser und nahm die gesamte Umgebung für sich ein), für einige Tage geschlossen hatte.

Da Großbritannien jedoch erst die zweite Länderstation meiner Reise war und mir insgesamt nur vier Wochen zur Verfügung standen, um alle geplanten Ziele innerhalb Europas zu erreichen, entschied ich mich damals für eine Weiterfahrt – ein Fehler, wie ich heute weiß. Denn: Seinerzeit war mir die Geschichte des 18 Meter langen Narrowboats leider nur äußerst vage bekannt.

Hätte ich zu diesem Zeitpunkt bereits dieses wundervolle Buch gelesen, das nun erstmals auch auf Deutsch vorliegt, wäre ich sehr wahrscheinlich länger an diesem Ort geblieben und hätte nötigenfalls tagelang in dem Hafengebiet campiert, nur um Sarah Henshaw, die Inhaberin von The Book Barge, persönlich kennenlernen zu dürfen.

Stattdessen mailte ich während meiner Weiterfahrt mit ihr – und kurz darauf las ich auch ebendieses Buch, in dem Sarah Henshaw mit unendlich viel Witz, Ironie, Charme und Offenheit die Geschichte ihrer schwimmenden Buchhandlung erzählt, die viel mehr ist als das: Es ist zugleich die Geschichte vieler inhabergeführter Buchhandlungen.

Zuallererst ist es eine Liebesgeschichte, denn natürlich ist es die Liebe zur Literatur, die dazu führt, dass Sarah Henshaw sich eines Tages ein Boot kauft und es zu einer Buchhandlung umfunktioniert. Ihre Leidenschaft für Bücher ist dabei omnipräsent; sobald die Britin über Literatur spricht, gerät sie zuverlässig ins Schwärmen – und zwar auf eine solch ansteckend-begeisterte Art und Weise, dass man jedes Buch, das sie erwähnt, sofort selbst lesen möchte.

Überhaupt ist Sarah Henshaw eine begnadete Erzählerin. Jeder, der Bücher und Buchhandlungen mag, wird zahlreiche literarische Anspielungen und Querverbindungen in diesem Memoir entdecken, die wechselweise ans Herz gehen, urkomisch sind oder nachdenklich stimmen. Manchmal treffen sogar all diese Attribute auf ein und dieselbe Geschichte zu. Und eventuell hält dieses Buch auch noch eine zweite Liebesgeschichte für seine Leserinnen und Leser bereit …

Was Mein wunderbares Bücherboot so wichtig und wertvoll macht, ist aber auch die Tatsache, dass es schonungslos ehrlich davon berichtet, was der Betrieb einer Buchhandlung in der heutigen Zeit eigentlich bedeutet. Sarah Henshaw beschönigt nichts und macht weder aus ihrer anfänglichen Naivität, mit der sie das Unternehmen Bücherboot angeht, noch aus den alltäglichen Herausforderungen ihrer Arbeit und des Bestehens einen Hehl.

Denn: Die gesamte Buchbranche befindet sich gerade in dem wohl größten Umbruch seit der Erfindung des Buchdrucks. So gibt es neben dem stationären Handel auch einen Onlinehandel und das gedruckte Buch findet eine digitale Entsprechung in Form des E-Books. Anders als hierzulande existiert in Großbritannien zudem keine Buchpreisbindung, wodurch die Preisgestaltung ein weiterer Wettbewerbsfaktor ist, der Einzelunternehmungen nicht gerade bevorteilt. Darüber hinaus – so ehrlich wollen wir an dieser Stelle sein – gibt es heute viel mehr Unterhaltungsangebote als noch vor zehn bis 15 Jahren, mit denen das Medium Buch nunmehr gewissermaßen konkurriert (Facebook, Instagram, YouTube, Netflix und andere). Kurz gesagt: Die Ausgangssituation für den Betrieb einer Buchhandlung war schon einmal deutlich komfortabler.

Kleine Buchhandlungen begegnen dieser Entwicklung mit sehr, sehr viel Kreativität, Leidenschaft, Persönlichkeit und persönlichem Einsatz. Im Laufe der letzten Jahre habe ich zahlreiche Buchhändlerinnen und Buchhändler kennenlernen dürfen, die mich immer wieder aufs Neue mit ihrem unermüdlichen und nachdrücklichen Engagement beeindruckt haben – sowohl hierzulande als auch im Ausland. Ich möchte sogar behaupten, dass es kaum eine andere Branche gibt, in der es deutlicher zu spüren ist, dass die Leute, die hier arbeiten, lieben, was sie tun. Doch manchmal reicht auch das nicht. Oder es reicht nur ganz knapp.

Irgendwo zwischen diesen beiden Möglichkeiten ist wohl auch Sarah Henshaw mit The Book Barge anzusiedeln, weshalb sie gut anderthalb Jahre nach der Eröffnung eine weitreichende Entscheidung trifft: Um die kleinen, unabhängigen und inhabergeführten Buchhandlungen – und alles, was damit verbunden ist – in den Fokus des öffentlichen Interesses zu rücken, will sie mit ihrem Bücherboot durch die Kanäle Englands reisen.

Was ihr dabei alles widerfährt – und das ist jede Menge –, können Sie nun selbst erlesen. Dieses Buch wird Sie auf eine einmalig erlebnisreiche Reise mitnehmen und den besten Beweis dafür liefern, warum es sich lohnt, lokal einzukaufen. Ganz besonders im Falle von Buchhandlungen.

Wahrscheinlich haben Sie es längst gemerkt: Dieses Buch ist mir sehr ans Herz gewachsen und ich wünsche ihm viele, viele Leserinnen und Leser. Wenn es dazu beiträgt, mehr Menschen für dieses immens wichtige Thema zu sensibilisieren, hätte sich Sarah Henshaws Reise gleich mehrfach gelohnt.

Oder, um es frei nach der britischen Autorin und Buchhändlerin zu sagen:

Ein Buch ist gewiss nicht die Lösung für alles – aber für vieles.

In diesem Sinne:

Viel Spaß beim Lesen!

Torsten Woywod

Mein wunderbares Bücherboot

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