Читать книгу Der Regisseur. Mein Buch, dein Tod. - Sarah Markowski - Страница 11

Оглавление

Samstag, 29.06.2019, 08: 26 Uhr

- Mia -

Sie dreht und wendet die Gabel in ihrer Hand, betrachtet schweigend die Erdbeere. Hunger hat sie plötzlich keinen mehr, im Gegenteil, es fühlt sich so an, als hätte sie ihren Magen soeben mit einem Haufen Backsteinen gefüllt.

„Hey, du solltest deine gute Laune nur mit mir teilen und sie nicht komplett ablegen“, scherzt Theo, doch ihr ist nicht zum Lachen zumute. „Alles in Ordnung?“

Nichts ist in Ordnung.

Ihre positive Fassade bröckelt. Die Schutzmauer, die sie so mühevoll aufrechterhalten hat, droht einzustürzen.

Lächeln, ermahnt sie sich selbst, doch es nützt nichts, macht alles nur noch schlimmer. Theo ist verwirrt. Sie sieht an seinem Gesichtsausdruck, dass er sich gerade den Kopf darüber zerbricht, was er falsch gemacht oder gesagt hat.

Gute Laune, beinahe hätte sie lachen müssen. Dabei weiß sie doch um ihr schauspielerisches Talent. Gefühle verstecken, Emotionen unterdrücken, anderen etwas vorspielen und Sicherheit geben, während sie selbst innerlich zerbricht, das alles ist ein leichtes Spiel für Mia; das war es schon immer. Seit dem Kindergarten ist sie das brave Mädchen, der kleine Sonnenschein, später die Musterschülerin, everybodys darling. Stets gut gelaunt, ein Lächeln auf den Lippen, gehorsam, angepasst, nie aufmüpfig oder gar rebellisch. Perfekt eben, wie es nicht nur ihre Eltern, sondern auch die Eltern von Freunden oder Mitschülern und ausnahmslos alle Lehrer zu sagen pflegten. Sie war schon immer ein von Grund auf positiver Mensch, keine Frage, aber Emotionen wie Wut, Ärger und Neid zuzulassen hätte nicht ins Bild gepasst, das die anderen von ihr hatten. Und die Maske, die sie sich schon als kleines, Pferde liebendes, mit Puppen spielendes Mädchen zugelegt und stets trainiert hat, scheint heute zu bröckeln.

„Mia?“, fragt Theo vorsichtig. Erschrocken zuckt er zusammen, als sie sich so ruckartig von ihrem Stuhl erhebt, dass dieser schwungvoll über den glatten Boden nach hinten gleitet. Mit einem lauten Knall prallt er an der gegenüberliegenden Wand ab und fällt dann scheppernd zu Boden. Es ist still, niemand regt sich, alle Augen sind auf sie gerichtet.

„War ja klar, dass hier jemand früher oder später austickt.“

Mia nimmt die Stimme des straßenköterblonden Jungen wahr, der bisher noch kaum den Mund aufbekommen und den sie insgeheim als Muttersöhnchen abgestempelt hat. Doch sie reagiert nicht darauf. Dieses Mal hält die Stille länger an. Theo ist der erste, der eine Regung zeigt. Nervös rutscht er auf seinem Stuhl herum, weiß nicht, was er tun oder sagen soll.

„Mi-“

Sie lässt ihn nicht ausreden, denn das wäre einmal Mia zu viel gewesen.

„Ich bin nicht Mia!“, schreit sie den Gedanken heraus, der sie schon so lange belastet. Am Anfang dachte sie noch, sie wäre hier falsch, ein Irrtum läge vor. Doch mit der Zeit hat sie herausgefunden, dass Mia eine Art Codewort ist, mit dem sie hier, in diesem Raum, angesprochen wird. Ihr Bett, ihre Kleidung, ihr Waschzeug, alles trägt diesen Namen. Auch Nachrichten, die Informationen über sie selbst enthalten und eindeutig an sie adressiert sind, lauten auf den Namen Mia.

„Ich bin nicht Mia“, wiederholt sie, dieses Mal ruhiger, aber dennoch mit Nachdruck. „Mein Name ist Helena.“

Der Regisseur. Mein Buch, dein Tod.

Подняться наверх