Читать книгу Der Regisseur. Mein Buch, dein Tod. - Sarah Markowski - Страница 17

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Samstag, 29.06.2019, 11: 53 Uhr

- Oliver -

Mannis Kinnlade steht offen. Oliver kann sich vorstellen, was in seinem Kopf vorgeht, denn ihm geht es nicht anders. Sein Blick trifft den von Sabrina. Angst, springt ihm entgegen, obwohl sich ihre Lippen nicht bewegen. Sie ist blass; so blass, dass es nicht einmal mehr die zentimeterdicke Make-Up-Schicht bedecken kann.

„Ich verstehe nicht…“

Es ist Julius, der seine Sprache als erstes wiederfindet. „Ich verstehe nicht, was das alles mit uns zu tun hat.“

Julius scheint trotz sehr erfolgreich abgeschlossenem Abitur nicht gerade der Hellste zu sein. Laut seiner Aussage hat sein Daddy ziemlich viel dafür hingeblättert, dass er die beste Privatschule in der Umgebung besuchen konnte. Oliver konnte sich damals schon seinen Teil dazu denken, denn er kennt die Schule und ihren unumstrittenen Ruf als sichere Abi-Zeugnis-Quelle, wenn man nur einen ausreichend prall gefüllten Geldbeutel besitzt; oder einen Daddy mit genügend grünen Scheinen. Dennoch geht es Oliver im Moment nicht anders als Julius, denn auch er kann sich keinen Reim darauf machen, was es mit dieser Geschichte auf sich hat. Und mit den falschen Namen, die anscheinend irgendeine Bedeutung haben; so viel steht mittlerweile fest.

„War das alles?“

Oliver beugt sich zu Helena hinunter, die mittlerweile mit geschlossenen Augen an der Wand lehnt und nachzudenken scheint. Vielleicht verzweifelt sie auch gerade, beides wäre denkbar. Er wirft einen Blick auf das Manuskript, das aufgeschlagen auf ihren Oberschenkeln liegt.

„Darf ich?“

Helena nickt, ohne die Augen geöffnet zu haben. Obwohl sich irgendetwas in ihm dagegen sträubt, nimmt Oliver den dünnen Stapel Papier in die Hand. Er hat Angst, doch wovor? Unbehagen macht sich in ihm breit, doch die Neugier siegt. Oliver muss einfach selbst einen Blick in dieses Manuskript werfen. Er überfliegt die erste Seite, dann die zweite und die dritte; seine Augen rasen nur so von Zeile zu Zeile. Im Grunde ist es nichts Neues, Helena hat in gekürzter Form bereits alles wiedergegeben. Dennoch löst diese Geschichte etwas in ihm aus. Oliver horcht dem wilden Klopfen seines Herzens. Er hat schon viel gelesen, doch nie war ihm ein Buch so nahe gegangen. Er kann es sich nicht erklären, doch es fühlt sich so an, als hätte er Mia gekannt.

Ich kenne keine Mia.

… oder hätte sie kennen müssen.

Olivers Blick fällt auf die dicken schwarzen Buchstaben am Kopf der Seite: Kapitel 7. Scheinbar handelt es sich um einen Auszug aus einem Text; dem Inhalt nach zu urteilen aus einem Buch oder einem Bericht, doch der Schreibstil lässt eher auf Ersteres schließen. Oliver blättert weiter. Er möchte mehr von Mia und ihrem Schicksal erfahren, doch gleichzeig fürchtet er sich davor. Wieder siegt die Neugier, doch er wird enttäuscht. Mit dem Ende der Seite scheint das Kapitel vorbei zu sein – jedenfalls in diesem Manuskript. Enttäuscht lässt Oliver die Blätter sinken. Was hat er sich erhofft? Plötzlich fällt sein Blick auf ein weiteres Blatt Papier, das unter Helenas Bein hervorschaut.

Steckbrief und Regieanweisung, ist das erste, was ihm ins Auge springt. Vorsichtig zieht er daran; sollte es Helena stören, zeigt sie es nicht. Er streicht das zerknitterte Papier auf seinem Oberschenkel glatt und studiert neugierig den Inhalt.

Mia Geiger,

vierundzwanzig Jahre alt,

Einzelkind,

Lehramtsstudentin,

geboren in München, aufgewachsen in Emden…

Oliver hält den Atem an.

… gestorben in Greetsiel.

Der Regisseur. Mein Buch, dein Tod.

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