Читать книгу Der Regisseur. Mein Buch, dein Tod. - Sarah Markowski - Страница 12

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Samstag, 29.06.2019, 08: 31 Uhr

- Mia Helena -

Es ist still. So still, dass Helena ihr eigenes Herz schlagen hört – bum, bum, bum. Das Blut zirkuliert in ihren Adern, rauscht durch ihren Körper. Sie spürt wie es pocht, begleitet von einem unangenehmen Kribbeln im ganzen Körper.

„Ich bin Helena, nicht Mia.“

Ihr Blick fällt auf das schlicht bedruckte Namensschild neben ihrem Teller. Sie betrachtet es voller Abscheu, nimmt es in die Hand und zerreißt es in kleine Papierfetzen, die nun langsam zu Boden rieseln. Jetzt fühlt sie sich besser, irgendwie befreiter. Erschöpft lässt sie sich auf den Stuhl sinken, an dessen Lehne sie sich die ganze Zeit über unbewusst festgeklammert hat. Sie zittert, merkt, dass plötzlich alles vor ihren Augen verschwimmt.

Tränen, denkt sie, doch dieses Mal stört es sie nicht. Nicht so wie sonst, nicht im geringsten. Es ist, als hätte der Schutzwall seine Funktion aufgegeben und damit auch seine Bedeutung verloren. Es ist das erste Mal, dass Helena weinen kann, ohne sich dafür schuldig zu fühlen oder zu schämen. Befreiend. Plötzlich spürt sie eine Hand auf ihrer Schulter, sanft und behutsam. Helena wischt die Tränen mit dem Ärmel aus den Augenwinkeln und schaut langsam auf. Ihr Blick wandert über die helle Leinenhose und das schlichte Shirt hinauf zum Gesicht der jungen Frau, mit der sie bisher noch kein Wort gewechselt hat. Ihre Augenbrauen sind pigmentiert, die Wangenknochen stechen unnatürlich spitz hervor, und die Lippen sind eindeutig professionell aufgespritzt worden, das erkennt Helena auch als Laie.

Unschön, findet sie, aber jedem das Seine.

Bis auf ihr äußeres Erscheinungsbild hat die Barbiepuppe bisher noch keinen bleibenden Eindruck bei Helena hinterlassen. Statt auf gegenseitigen Austausch setzt sie scheinbar lieber auf regelmäßige Schwächeanfälle in schauspielerischer Höchstleistung, verbunden mit Selbstmitleid und der Frage, wie sie ohne Smartphone ihre Abonnenten auf Social Media auf dem Laufenden halten soll.

„Zwanzigtausend“, jammert sie regelmäßig. Dann noch irgendetwas von Content und Kooperationen, doch an dieser Stelle driftet Helenas Aufmerksamkeit meistens ab. Die Barbie macht den Mund auf. Helena rechnet schon damit, dass sie sich ihr nun anschließen und auch ein paar verzweifelte Tränen vergießen wird, schließlich ist seit den letzten eine ganze Nacht vergangen. Allerdings verfällt die Barbie, entgegen ihrer Erwartung, nicht schon wieder in Selbstmitleid. Ihre Mundwinkel zucken.

Ist das etwa ein Lächeln?

„Du bist nicht allein“, flüstert die junge Frau kaum hörbar. Sie lächelt tatsächlich, doch in ihren Augen spiegelt sich Unsicherheit.

„Du meinst, immerhin vegetiere ich hier drinnen nicht völlig einsam vor mich hin“, spottet Helena.

Immerhin drehe ich nicht alleine durch, sondern bin in guter Gesellschaft.

„Nein, das meine ich nicht.“

Helena schaut sie fragend an. Die Barbie zieht ihr T-Shirt straff, deutet mit der Spitze ihres knallpink lackierten Fingernagels auf den aufgedruckten Schriftzug über der linken Brust – Dana. Helena trägt das gleiche Modell, mit dem Unterschied, dass ihr Shirt die Aufschrift Mia trägt.

„Lass mich raten“, sagt Helena, die allmählich versteht, worauf die Barbie hinauswill. Aus den Augenwinkeln sieht sie, dass die anderen im Raum dem Gespräch aufmerksam folgen. „Dein Name ist nicht Dana?“

Die vermeintliche Dana schüttelt den Kopf und hält ihr die Hand entgegen, als hätten sie gerade erst Bekanntschaft miteinander gemacht.

„Mein Name ist Sabrina Wirz, ich bin achtundzwanzig Jahre alt, gelernte Visagistin und leidenschaftliche Turnier-Reiterin. Freut mich, euch kennenzulernen.“

Der Regisseur. Mein Buch, dein Tod.

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