Читать книгу Der Regisseur. Mein Buch, dein Tod. - Sarah Markowski - Страница 24

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Sonntag, 30.06.2019, 08: 44 Uhr

- Helena -

Helena liegt in ihrem Bett und starrt an die Decke. Es ist stockdunkel im Raum und ihre Augen brennen vor Müdigkeit. Sie hat die ganze Nacht wachgelegen und nachgedacht; über Manni, über Oliver, über Julius und Sabrina, über ein weiches Kopfkissen, ein schönes großes Glas gekühltes Sprudelwasser, und über alles Mögliche, was sie sonst noch so vom Schlafen abgehalten hat. Schlagartig wird es hell, gleichzeitig dringt ein ohrenbetäubendes Pfeifen aus dem Lautsprecher an der Decke.

Viertel vor neun, denkt Helena und ein Blick auf die Uhr bestätigt diesen Gedanken. Wie jeden Morgen.

Sie schlägt die Decke zur Seite und quält sich aus dem Bett. Sie fühlt sich wie gerädert. Heute verzichtet sie auf das „Guten Morgen“, denn dass der Tag sowieso nicht gut werden kann, lässt sich nicht bestreiten. Die Stimmung ist auf dem Tiefpunkt und die Ungewissheit kaum auszuhalten. Kaum hat sie ein paar Worte mit den anderen gewechselt, ertönt auch schon das Surren des Speiseaufzuges. Vier Augenpaare sind hoffnungsvoll auf die noch geschlossenen Türen gerichtet. Julius ist der erste, der auf das Pling reagiert.

„Nur das Frühstück, sonst nichts“, sagt er zur Enttäuschung aller. Die Spannung fällt von Hundert auf Null und die Stimmung erreicht einen Zustand, der noch tiefer als der Tiefpunkt ist.

„Wirklich? Schau noch mal genauer hin.“

„Da ist nichts.“

„Bist du dir sicher?“

„Ja!“

Julius wird allmählich sauer. „Schau doch selbst, wenn du mir nicht glaubst.“

Das macht Oliver tatsächlich. Doch auch der kleine Funke Hoffnung, der kurz noch einmal aufkeimte, erlischt sofort wieder als Oliver traurig den Kopf schüttelt.

„Nichts.“

„Sag‘ ich doch“, entgegnet Julius patzig. Er hebt die Cloche von seinem Teller und drückt mit dem Zeigefinger auf das Körnerbrötchen, das darunter liegt. „Frisch aufgebacken, lecker.“

Helena dreht sich der Magen um. Alleine der Gedanke an etwas zu essen verursacht Übelkeit in ihr, da kann das Brötchen noch so frisch aufgebacken und das Ei noch so weichgekocht sein.

„Probier‘ doch mal, schmeckt wirklich gut.“

Julius zeigt auf die silbrig glänzende Cloche auf ihrem Tablett. Er selbst hat die erste Brötchenhälfte bereits verschlungen und leckt sich genüsslich die Erdbeermarmelade von den Fingern. Helena lehnt dankend ab, setzt sich aus Höflichkeit aber zu den anderen an den Tisch, obwohl sie der Unterhaltung kaum folgen kann. Ihre Gedanken driften immer wieder ab.

Wie es Manni wohl geht?

„Möchtest du das echt nicht essen?“

„Nein, heute nicht.“

Julius nickt verständnisvoll und schielt immer wieder zu ihrem Tablett hinüber. Helena hat zwar Kopfschmerzen, aber dumm ist sie nicht. Dass Julius scharf auf ihr Frühstück ist, hat sie längst begriffen.

„Lass‘ es dir schmecken.“

„Echt?“

Seine Augen leuchten vor Freude. „Cool, danke!“

Sie schiebt ihm das Tablett entgegen und lächelt, weil Julius trotz seiner besserwisserischen und manchmal überheblichen Art im Grunde doch ganz niedlich ist. Helena schiebt es auf die Erziehung, denn dass er aus gutem Elternhaus kommt, ist nach verschiedenen Erzählungen mittlerweile mehr als klar. Im Sommer geht er mit seinen Eltern Golfen, spielt leidenschaftlich Polo und im Winter machen sie Urlaub im familieneigenen Chalet in den Schweizer Alpen. Zum achtzehnten Geburtstag hat er einen nagelneuen Audi bekommen, der nur wenig später ausgetauscht wurde, als das neuere Modell auf den Markt kam. Julius redet viel, wenn der Tag lang ist, und das sind die Tage hier. Normalerweise gehen solche Angebereien bei Helena zum einen Ohr rein und zum anderen wieder raus, doch zurzeit ist sie über jede Ablenkung dankbar und hört sich deshalb sogar gerne das Gequatsche über Sabrinas Fingernägel oder ihren nun zwangsläufig stillgelegten Blog auf Social Media an.

„Helena…“

Bereits an Julius‘ Stimme hört sie, dass irgendetwas nicht in Ordnung ist. „Ich glaube, du hättest heute gar kein Frühstück bekommen.“

Neugierig dreht sie sich zu ihm herum und wartet auf eine Erklärung. Warum er die Cloche so fest umklammert, versteht Helena erst, als er sie zögerlich Zentimeter für Zentimeter anhebt. Augenblicklich zieht sich ihr Magen noch mehr zusammen, denn anstelle von Brötchen, Erdbeermarmelade und weichgekochtem Ei klebt dort ein gelber Notizzettel auf dem Teller:

Hinweis: Die Gestaltung des Verlaufes obliegt ausschließlich dem Verfasser. Änderungen der einzelnen Kapitel durch Zweite sind weder vorgesehen noch erwünscht. Vorschläge werden kommentarlos abgelehnt.

Ergänzt durch einen kurzen Kommentar in krakeliger Handschrift:

Kapitel 7 wird heute Abend zur gleichen Zeit wiederholt.

Der Regisseur. Mein Buch, dein Tod.

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