Читать книгу Der Regisseur. Mein Buch, dein Tod. - Sarah Markowski - Страница 28

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Sonntag, 30.06.2019, 21: 09 Uhr

- Helena -

Habe ich mich überhaupt von den anderen verabschiedet?

Helenas Gedanken klingen in ihrem Kopf so laut, als würde sie schreien. Sie fürchtet sich vor ihrer eigenen Stimme.

Bestimmt habe ich das.

Tatsächlich kann sie sich an nichts mehr erinnern, was geschah, als und bevor sie in den Aufzug stieg. Helena umklammert ihre Beine so fest sie kann, drückt ihren Oberkörper gegen die Oberschenkel und ihren Rücken gegen die kalte Edelstahlwand. Es summt und vibriert. Die Bewegungen des Liftes gehen in ihren Körper über. Der Aufzug fährt langsam, doch es ruckelt gewaltig. Helena zittert. Sie fragt sich, ob er überhaupt für Personen zugelassen ist. Wahrscheinlich nicht, kommt sie zu dem Schluss als ihr Kopf erneut gegen die Decke schlägt, denn sonst wäre der Innenraum sicherlich an die Körpergröße eines ausgewachsenen Menschen angepasst worden. Helena schluckt. Sie schließt die Augen und fängt an zu zählen. Als sie bei dreizehn ankommt, bleibt der Aufzug plötzlich stehen. Sie schaut auf und hält den Atem an. Nichts passiert.

Hallo, flüstert sie in Gedanken, doch sie traut sich nicht, das Wort laut auszusprechen; aus Angst, wer es hinter der Tür zu hören bekommen könnte. Plötzlich ertönt ein Zischen. Ein schmaler Lichtstrahl fällt in den dunklen Raum und wird immer größer. Es fühlt sich an, als würde der Aufzug immer noch vibrieren, doch es ist Helenas Herz, das wie verrückt schlägt. Sie blinzelt.

Tageslicht?

Ihre Augen können in der Helligkeit noch nichts erkennen.

„Ich bin unten“, schreit sie in den Lift hinein; in der Hoffnung, dass es Oliver, Julius und Sabrina zu hören bekommen. Helena sortiert ihre Arme und Beine, bevor sie vorsichtig einen Fuß auf den Boden setzt. Der Ausstieg ist schmal und eng. Helena stößt sich noch einmal den Kopf an, als ihr T-Shirt plötzlich an einem Scharnier hängenbleibt. Sie zerrt daran, bis es sich schließlich löst und zum Glück nur einen schwarzen Streifen davonträgt. Helena blinzelt, mittlerweile haben sich ihre Augen an die Helligkeit gewöhnt.

Tageslicht, schreit die Hoffnung in ihr. Sieh nur, da ist das Meer!

Sie schaut sich hastig um und kann ihr Glück kaum fassen.

Wo ist der Ausgang? Vielleicht finde ich ein Telefon.

Ihre Gedanken überschlagen sich. Helenas Blick fällt auf einen kleinen Holztisch, neben dem ein beachtlicher Korbsessel steht. Ihr ist nur die Lehne zugewandt, doch sie ist sich sicher, dass man darin den perfekten Ausblick auf das Meer haben muss. Auf dem Tisch liegt eine Zeitung. Helena schaut auf das Datum: 30. Juni 2019. Sie überlegt, doch kann beim besten Willen nicht einschätzen, wie lange sie schon kein Tageslicht mehr gesehen hat. Helena geht um den Tisch herum und genießt den Blick auf das offene Meer; das Wasser, die Wellen, ein schaukelndes Schiff, Ebbe und Flut. Als Kind der Nordsee fühlt sie sich gleich viel sicherer, zu Hause und geborgen. Helena dreht sich um, ihre Augen bleiben an einem Paar Lederschuhe hängen. Sie stockt mitten in der Bewegung, friert ein und kann sich nicht mehr bewegen. Die Lederschuhe regen sich, der Korbsessel knarzt. Helena schreit aus Leibeskräften. Sie schreit so laut, dass ihr kurzzeitig schwarz vor Augen wird, doch der Besitzer der Lederschuhe lässt sich davon nicht beeindrucken. Obwohl er eine schwarze Skimaske trägt, ist sie sich sicher, dass er lächelt. Er nickt ihr freundlich zu, als wären sie langjährige Freunde.

„Hallo Mia, schön dich zu sehen.“

Der Regisseur. Mein Buch, dein Tod.

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