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Das Ende der Arktis

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Grönland und der Untergang seines Wikingervolks stehen im Mittelpunkt von Jared Diamonds Buch. Doch auch dem Grönland von heute drohen Umweltveränderungen. Am 8. November 2004, wenige Tage nach der Wiederwahl von US-Präsident George W. Bush, wurde das von einem Team von 300 international renommierten Wissenschaftlern verfasste »Arctic Climate Impact Assessment« veröffentlicht. Die Initiative dafür lag beim Arctic Council (Arktischer Rat), der zwischenstaatlichen Organisation der Anrainerstaaten der Arktis. Das Ratsmitglied USA hatte eine Veröffentlichung des Berichts vor den Präsidentschaftswahlen verhindert.

Wichtigste Feststellung ist, dass sich die Arktis momentan doppelt so schnell erwärmt wie der Rest der Erde. Die Eisdecke über dem Nordmeer und das Eisschild auf Grönland beginnen abzuschmelzen. Sollte das gesamte Inlandeis Grönlands schmelzen, würde der Meeresspiegel weltweit um sieben Meter ansteigen. Noch dramatischer würde der Anstieg ausfallen, wenn auch das Eis der Antarktis schmilzt. Der Zerfall des westantarktischen Eisschildes, der in den vergangenen Jahren durch Umweltsatelliten beobachtet wurde, könnte demnach eine größere strategische Bedrohung für die weltweite Sicherheit darstellen als das iranische Nuklearprogramm.

Der Arktische Rat ist eine internationale Organisation eigenen Charakters. Neben den acht Anrainerstaaten sind auch sechs Dachorganisationen indigener Völker dort Mitglied. Diese haben, um das Beispiel Russland zu nehmen, einen anderen Blick auf die Region und ihre Naturressourcen als die Zentralregierung in Moskau. Für fast alle Mitgliedstaaten der Organisation ist die Arktis politische und ökonomische Peripherie. Die Organisationen der Indigenen sind deswegen der Motor der Organisation.

Das Internationale Arktische Wissenschaftskomitee (International Arctic Science Committee; IASC) ist aus dem Zusammenschluss von 18 nationalen Wissenschaftsakademien entstanden. Vor allem in Russland und den USA nehmen die Wissenschaftsakademien eine bedeutende Rolle als unabhängige Berater ihrer Regierungen wahr. Die US-Akademie warnt ihre Regierung seit Jahren vor den Folgen des globalen Klimawandels. Die russische Akademie der Wissenschaften war schon zu Sowjetzeiten einer der Zufluchtsorte ökologisch denkender Forscher und Intellektueller.

Innerhalb des Arktischen Rats ist es vor allem die Regierung Kanadas, die den Klimawandel in der Region zu einem Thema ihrer öffentlichen Diplomatie gemacht hat. Die Regierung in Ottawa arbeitet dabei eng mit dem Sekretariat des Rats in Kopenhagen, Indigenenvertretern und Nichtregierungsorganisationen zusammen. Im Rahmen einer Medienkampagne hat der Arktische Rat außerdem die »New York Times« auf seine Seite gebracht, die seit anderthalb Jahren kontinuierlich über die Problematik berichtet. Andere internationale Medien, die sich gern von der »New York Times« inspirieren lassen, greifen das Thema seitdem auf.

Für die indigenen Kulturen der Arktis beschleunigen die Klimaveränderungen den Wandel, dem sie ohnehin ausgesetzt sind. Die Ökonomie, aber auch die Kultur der Inuit beispielsweise ist eng mit der Nutzung weniger Tierarten verbunden. Der Rückgang der Meeressäuger, aber auch des Fischereiertrags führt zur Umstellung der Ernährung auf importierte verarbeitete Lebensmittel. Damit einher geht das Ansteigen von Zivilisationskrankheiten. Gebrauchsgegenstände und Kunsthandwerk aus tierischen Produkten bildeten die zweite Basis der Inuit-Ökonomie. Auch diese Grundlage einer selbst versorgenden Ökonomie ist bedroht, ohne dass Alternativen sichtbar wären.

Aber auch die Grundlagen der modernen Ökonomie sind in der sich wandelnden Arktis gefährdet. In der Russischen Föderation ist die Industrialisierung der Arktis – und damit die Ablösung indigener Ökonomien – schon seit Sowjetzeiten deutlich weiter fortgeschritten als in Kanada, Alaska oder den skandinavischen Staaten. Im arktischen Teil Sibiriens werden Öl und Gas gefördert, in der Tundra wird im großen Stil Forstwirtschaft betrieben. Durch den Klimawandel wird auch diese Nutzung vor neue Herausforderungen gestellt. Industrieanlagen, Wohngebäude, Straßen, Flughäfen und Pipelines sind alle auf Permafrostboden gebaut. Wenn dieser sonst dauerhaft gefrorene Boden wegen der wärmer werdenden Temperaturen im Sommer anfängt zu schmelzen, werden Fundamente und Verkehrswege beschädigt. Gebäudeschäden sind inzwischen in allen arktischen Siedlungsanlagen Russlands zu besichtigen. Neuere Industrieanlagen haben Fundamente, die durch den Permafrost hindurchreichen. Sie sind aber nur mit immensen Kosten zu errichten.

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