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Waffe Energie

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In der heutigen globalisierten Welt ist es offensichtlich nicht möglich, die eigene Energieversorgung mit militärischen Mitteln allein zu sichern. Wie sieht es aber mit einer Strategie aus, die Kontrolle über wichtige Energieressourcen oder zentrale Elemente der internationalen Energieinfrastruktur als Waffe zu nutzen?

Seit der ersten Ölkrise 1973, als die arabischen Ölstaaten die Lieferungen für die westliche Welt erst unterbrachen und dann die Preise anhoben, wird Öl als politische Waffe verwendet. So zündete Saddam Hussein nach der amerikanischen Invasion im Irak 1991 die Ölfelder im Süden des Landes an. Momentan droht der Iran im Streit um sein Nuklearprogramm damit, eine weltweite Ölkrise auszulösen. Zumindest die Märkte nehmen die Drohung ernst. Nach jeder Rede, in der der radikalreligiöse iranische Präsident Ahmadinejad den Ton im Konflikt mit den USA verschärft, steigt der Preis pro Barrel Rohöl an, da die Analysten an den internationalen Rohölbörsen eine Zuspitzung der politischen Lage im Nahen Osten und daraus erwachsende Turbulenzen auf den internationalen Energiemärkten fürchten.

Schon 1980 sagte US-Präsident Carter unter dem Eindruck der sowjetischen Invasion in Afghanistan und des islamistischen Umsturzes im Iran in seiner jährlichen Rede an die Nation: »Jeder Versuch, die Kontrolle über den Persischen Golf zu erlangen, wird als Angriff auf die nationalen Interessen der Vereinigten Staaten betrachtet. Ein derartiger Versuch wird mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln, inklusive militärischer Gewalt, abgewehrt.« Die sogenannte Carter-Doktrin war geboren. Seitdem taucht das Thema Energiesicherheit in jeder Neuauflage der Nationalen Sicherheitsstrategie der USA an zentraler Stelle auf.

Das US-Verteidigungsministerium hat schon lange erkannt, dass die Abhängigkeit der USA von Ölimporten die Sicherheit des Landes nicht erhöht, sondern verringert. Nicht nur ist die Energieversorgung der größten Wirtschaftsmacht der Welt anfällig für Preisschwankungen, Ressourcenverknappung und politisch motivierte Embargos der Ölstaaten; auch der außenpolitische Preis, den die USA für die Sicherung ihrer weltweiten Ölversorgung zahlen müssen, ist in den letzten Jahren ständig gestiegen. Im politischen Washington ist es inzwischen ein Glaubenssatz, dass die wirtschaftliche Abhängigkeit von der saudischen Theokratie, die immerhin Osama bin Laden hervorgebracht hat, reduziert werden muss. Die Sicherung von Ölressourcen steht außerdem in einem ständigen Widerspruch zu anderen Zielen der US-Außenpolitik, wie der Förderung der Demokratie und der Eindämmung des russischen Einflusses in Osteuropa und Zentralasien. Schließlich sind die USA im Run auf das letzte Öl und Gas in einen gefährlichen Wettlauf mit dem Konkurrenten China geraten.

James Woolsey, unter US-Präsident Clinton kurzzeitig Direktor der CIA und inzwischen einflussreicher Strippenzieher in Washington, hat eine Organisation aus dem Kalten Krieg wiederbelebt, das »Committee on the Present Danger (CPD)«. Damals diente die Organisation der Enttarnung von Kommunisten und der propagandistischen Unterfütterung des amerikanischen Rüstungswettlaufs mit der Sowjetunion. Heute hat sich das CPD vorgenommen, das Thema Energiesicherheit auf die Tagesordnung zu setzen. Nach Woolseys Einschätzung erfordert die nationale Sicherheit eine völlig neue Energiepolitik und einen sparsameren Umgang mit Öl. Die Sicherheit Amerikas sei dadurch bedroht, dass die US-Energieimporte radikalislamischen Regimes wie Saudi-Arabien zufließen.

Es ist deswegen kein Zufall, dass das Pentagon die letzte Studie des Energiesparpapstes Amory Lovins teilweise finanziert hat. Das Buch heißt »Winning the Oil Endgame« und beschreibt ein ganz anderes Großes Spiel als dasjenige, das auf dem geopolitischen Schachbrett Zentralasiens stattfindet. Die Regeln des Spiels heißen Innovation und Energieeffizienz. Dieses Ziel soll erreicht werden, indem die Kräfte des freien Markts sich gegen die Interessen der etablierten Energiemultis durchsetzen. Lovins beweist damit, dass strategisches Denken auch anders aussehen kann, als Bohrtürme und Soldaten auf einer großen Landkarte hin- und herzuschieben. Auch der einflussreiche »New York Times«-Kolumnist Tom Friedman argumentiert, dass die energiepolitische Abhängigkeit inzwischen zur zentralen Sicherheitsfrage der USA geworden ist.

Das Desaster im Irak hat in weiten Teilen des außenpolitischen Establishments der USA zu einem Umdenken geführt. Der Glaube an die zentrale Rolle militärischer Stärke ist verloren gegangen. Das Erklärungsmodell der Clinton-Administration für die Veränderungen in der Welt war die wirtschaftliche Globalisierung. Nach dem 11. September 2001 begann die Bush-Regierung, die Welt ausschließlich durch die Brille des Krieges gegen den Terrorismus zu betrachten. Heute schwingt das Pendel zurück. Langsam, aber sicher setzt sich auch in den USA die Einsicht durch, dass die großen Herausforderungen des globalen Wandels nur durch internationale Kooperation und eine Vielfalt politischer Instrumente bewältigt werden können. Die wichtigste Waffe gegen die Waffe Energie ist, folgt man den Argumenten von Amory Lovins, Tom Friedman oder des ehemaligen US-Vizepräsidenten Al Gore, eine nachhaltige Umgestaltung unserer Energiepolitik.

Am nachdrücklichsten verfolgt das neue Russland unter Präsident Putin seine außenpolitischen Ziele unter Einsatz der Waffe Energie. Die Rote Armee hat sich aus Osteuropa und Zentralasien schon längst zurückgezogen. Stattdessen wird Russlands Einfluss in seinem alten Herrschaftsgebiet durch Investitionen der großen Ölkonzerne im benachbarten Ausland und durch das Pipelinenetz von Gazprom garantiert. Russlands Energiekonzerne versuchen, begleitet durch politische Abkommen und die Stationierung russischer Truppen, Einfluss und Marktanteile in Zentralasien und im Südkaukasus hinzuzugewinnen. In den westlichen Nachbarländern Weißrussland und Ukraine übt Russland Druck aus, um die Öl- und Gastransitleitungen zu erwerben, die durch diese Länder in Richtung Westen verlaufen. Russland möchte sich als größter Energielieferant für den Westen unverzichtbar machen und dadurch wieder zur Weltmacht aufsteigen.

China ist inzwischen der zweitgrößte Energiekonsument nach den USA. Dem wachsenden Bedarf stehen jedoch nur beschränkte nationale Energieressourcen gegenüber. Die chinesische Führung selbst macht sich zunehmend Sorgen darüber, dass eine Unterbrechung der Energieversorgung zu einer Schwächung des Wirtschaftswachstums und – dadurch ausgelöst – zu sozialen Unruhen und einer Bedrohung des Regimes führen könnte, das sich vor allem durch die gute wirtschaftliche Entwicklung legitimiert. Auf diese Herausforderung reagiert China mit einer breit angelegten internationalen Energiestrategie. Kern dieser Strategie ist es, über eine direkte Kontrolle der Ölproduktion in wichtigen Exportländern durch staatliche chinesische Ölfirmen den Direktexport nach China zu sichern. Auf dem Weltölmarkt kollidieren die chinesischen Interessen schon heute mit denen der USA. Zwischen China und den USA hat inzwischen auch ein Wettlauf um geopolitische Einflusssphären und Lieferverträge begonnen. Die staatlichen chinesischen Energiekonzerne sind in der Frage, mit wem sie sich einlassen, nicht zimperlich: China kauft auch von Pariastaaten wie dem Sudan und hat langfristige Lieferverträge mit politischen Antagonisten der USA wie dem Iran und Venezuela geschlossen. Im Wettbewerb mit den USA dringen chinesische Ölfirmen nach Afrika und Lateinamerika vor. Begleitet wird der wachsende wirtschaftliche Einfluss Chinas durch diplomatische Initiativen, mit denen China sich als regionales Gegengewicht zu den USA positionieren möchte. Besondere sicherheitspolitische Brisanz entwickelt Chinas Energiehunger in seiner eigenen Nachbarschaft. Vor seinen Küsten möchte China Öl- und Gasvorkommen erschließen – und gerät so in territoriale Konflikte mit seinen Nachbarländern Japan, Vietnam oder den Philippinen. Über das Bündnis mit Russland soll die Lieferung über Land, über die Rückgewinnung Taiwans der Seeweg gesichert werden. Bei all diesen Bemühungen stößt China an amerikanische Einflusszonen.

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