Читать книгу Energiesicherheit - Sascha Müller-Kraenner - Страница 6

Business as usual

Оглавление

Die Internationale Energieagentur (IEA) in Paris wurde nach der ersten Ölkrise 1973 gegründet; sie beobachtet die Entwicklung der weltweiten Energiemärkte. Ihr jährlicher World Energy Outlook veröffentlicht regelmäßig erhobene Daten über die Trends des Energieverbrauchs, der Förderung und Preisentwicklung in allen großen Industrie- und Schwellenländern. Ein Blick auf die neuesten von der IEA veröffentlichten Zahlen lohnt sich, um zu verstehen, welche dramatischen Entwicklungen sich in den weltweiten Energiemärkten abzeichnen und welche politischen Herausforderungen darin liegen.

Im World Energy Outlook 2005 hat die IEA ein Szenario für den Zeitraum von 2005 bis 2030 erstellt. Grundannahme ist, dass die Energiepolitik der großen Industrie- und Schwellenländer sich in diesem Zeitraum nicht wesentlich ändert. Die Amerikaner nennen so etwas »business as usual«, das heißt »die Geschäfte laufen weiter wie bisher«. Bei Fortsetzung der heutigen Trends sowie auf Grundlage der erwarteten Entwicklung der Weltwirtschaft haben die Experten der IEA errechnet, dass der weltweite Energieverbrauch bis 2030 um 50 Prozent ansteigen wird.

Nach diesem Trendszenario wird die Energieversorgung auch 2030 im Wesentlichen auf fossilen Energieträgern beruhen. Der globale Verbrauch von Öl, Gas und Kohle wird demnach weiter zunehmen. Der Hauptteil des Anstiegs erfolgt in den großen Schwellenländern Indien und China. In der Folge wird der Ausstoß des Treibhausgases CO2 jährlich um 1,6 Prozent ansteigen. Ziel der UN-Klimakonvention, die 1992 auf dem Weltgipfel von Rio verabschiedet wurde, war, diesen Trend bis zum Jahr 2000 umzukehren und den CO2-Ausstoß unter den Stand von 1990 zu senken. Dieses Ziel ist heute schon nicht mehr zu schaffen. Der Anteil der Kernenergie würde bei Fortsetzung des jetzigen Trends sinken, da derzeit weniger neue Reaktoren geplant als stillgelegt werden. Der Anteil erneuerbarer Energien wie Sonne, Wind, Wasser und Biomasse würde schneller steigen als der aller anderen Energieformen. Da die erneuerbaren Energien ihr Wachstum auf niedrigem Niveau beginnen, würden sie trotz einer hohen jährlichen Steigerungsrate von erwarteten 6,2 Prozent jedoch auch 2030 nur zwei Prozent des gesamten Primärenergiebedarfs decken.

Der jährliche Energiereport des deutschen Bundeswirtschaftsministeriums bestätigt die Zahlen der IEA. Für Deutschland würde demnach bis 2030 der rechnerisch zusammengenommene Anteil der nichtfossilen Energien, also von Atomenergie und erneuerbaren Energien, bei Fortsetzung jetziger Trends, also einem moderaten Ausbau der erneuerbaren Energien bei gleichzeitigem Ausstieg aus der Atomenergie, eher ab- als zunehmen. Der Anteil von Öl und Erdgas am Energiemix würde im gleichen Zeitraum von 59 auf 70 Prozent steigen. Das Wirtschaftsministerium weist außerdem darauf hin, dass die europäische Produktion aus den Öl- und Gasfeldern der Nordsee weiter zurückgehen, also die Importabhängigkeit von Russland und dem Nahen Osten wachsen wird.

Dabei bereitet den Ministerialexperten die politische Entwicklung in beiden Regionen Sorgen. Die politischen Transformationsprozesse in Russland sind noch nicht abgeschlossen. Niemand weiß, ob Russland sich langfristig zu einer stabilen Demokratie und Marktwirtschaft entwickeln wird. Der Nahe Osten ist sicherheitspolitisch die Krisenregion Nummer eins. Eine verlässliche Energieversorgung aus dieser Region ist also nicht sichergestellt. Hinzu kommt, dass bisher weder Russland noch die meisten Golfstaaten Mitglieder der Welthandelsorganisation WTO sind. Im Fall eines Handelskonflikts ist für sie also nicht einmal das Streitschlichtungsinstrumentarium der WTO anwendbar. Das Bundeswirtschaftsministerium prognostiziert deshalb, dass bei wachsender Abhängigkeit von den genannten beiden Exportregionen die Energiesicherheit Deutschlands wohl abnehmen wird.

Insgesamt geht die IEA davon aus, dass die vorhandenen Ressourcen an fossilen Energieträgern ausreichen werden, auch die Weltwirtschaft von 2030 anzutreiben. Die Prognose der IEA ist allerdings mit Unsicherheiten behaftet. Da ihrer Grundannahme zufolge in den kommenden Jahren neue Ölfelder entdeckt und damit weitere Raffineriekapazitäten eröffnet werden, geht sie von einer nur moderaten Erhöhung des weltweiten Ölpreises – und des daran gekoppelten Gaspreises – aus. Für 2010 prognostizierte sie im Jahr 2005 einen durchschnittlichen Preis von 35 US-Dollar pro Barrel Öl, der bis 2020 auf 37 US-Dollar und bis 2030 auf 39 US-Dollar ansteigen würde. Doch bereits Mitte 2006, während der politischen Krisen im Irak, Iran und Libanon, bewegte sich der Preis pro Barrel knapp unter 80 US-Dollar, war also mehr als doppelt so hoch.

Zu Recht weisen die Experten der IEA darauf hin, dass Naturkatastrophen, politische Krisen und Kriege die Energiesicherheit für die Verbraucherländer erschüttern können, auch wenn die weltweiten Öl-, Gas- oder Kohlevorräte rein mengenmäßig ausreichen. Besonders beunruhigt zeigt sich die IEA jedoch über die wachsende Asymmetrie zwischen wenigen Export- und vielen Konsumentenländern. Insgesamt würde bei Fortsetzung der jetzigen Trends die Abhängigkeit der Welt von einigen öl- und gasexportierenden Ländern, vor allem des Nahen und Mittleren Ostens, dramatisch anwachsen. Für Westeuropa wächst außerdem die Abhängigkeit von Erdgasimporten aus Russland. Westeuropa und Ostasien haben im Vergleich zu dem dritten Pol der industrialisierten Welt, Nordamerika, nur geringe eigene fossile Energievorräte. Neben dem Verlust an Energiesicherheit ist es vor allem der steigende Ausstoß an Treibhausgasen bei ungebremster Verbrennung fossiler Energien, der den Experten der IEA Sorgen macht. In den Schlussfolgerungen des World Energy Outlooks 2005 heißt es deswegen: »Es wird weithin anerkannt, dass der Ausgang dieses Referenzszenarios unerwünscht und nicht nachhaltig ist.«

Energiesicherheit

Подняться наверх