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Kapitel 10 - ZAUBERER BLEIBT ZAUBERER

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PAULINE.

Der alte Mann rieb an dem rot schimmernden Ring, den er um den Zeigefinger trug. Ich sah verwirrt und beunruhigt zugleich von Mendrick zu Erwin und dann zu Yuri, der ebenso ratlos wirkte wie ich. "Was soll das?", platzte ich schließlich heraus. Mendrick und Erwin hatten ihre Zauberstäbe immer noch auf den Mann gerichtet, dessen triumphierendes Grinsen kein Ende fand. "Ich habe ein Signal gegeben", sagte er ruhig, "durch magisch-magnetische Schwingungen werden nun die Truppen der Königin hier in Abeytu darüber in Kenntnis gesetzt, dass sich ein Gandulf'scher Zauberer in der Stadt befindet." Mit einem hämischen Augenzwinkern fügte er etwas gedämpfter hinzu: "Wenn der Sohnemann vor Ort ist, wird der gute Balthaszar auch nicht weit sein, nicht wahr?" - "Ich kenne keinen Balthaszar", knurrte Mendrick. "Natürlich nicht", gab der Alte zurück, "du bist ja auch kein Zauberer der Gandulf'schen Lehrkunst." Bevor Mendrick antworten konnte, schnappte Erwin ihn am Arm. "Wir sollten schnell weg von hier, der Kerl ist ein Spion", zischte er. "Nicht nötig", sagte der alte Mann, "ihr seid bereits umzingelt." Ich wandte mich um und erschrak. In der Tat, die Soldaten der Schneekönigin waren überall. Mendrick zielte, aber Erwin griff sein Handgelenk. "Nicht! Du machst es nur schlimmer." Die Zauberer, die um uns herum standen, trugen rot-schwarze Umhänge in einem Stil, der an die Rüstungen der Modoroks im Schmetterlingswald erinnerten. Sie kamen auf uns zu und schlossen ihren Kreis enger. "Gute Arbeit", sagte einer von ihnen zu dem alten Mann und reichte ihm einen Beutel voller Goldmünzen, "die Schneekönigin wird sehr zufrieden mit dir sein." - "Heil der Schneekönigin!", sagte der Alte und machte sich mit seinem Goldbeutel davon. Die Zauberersoldaten hatten uns nun vollständig umringt. Mendrick hielt seinen Zauberstab immer noch verkrampft in der Hand, während Erwin den seinen schon sinken gelassen hatte. "Was haben die mit uns vor?", hauchte ich und bereute für einen Augenblick, dass ich nicht bei Kimama und dem Fischerklan geblieben war. "Na, was wohl?", sagte einer von ihnen und warf lachend den Kopf in den Nacken.

Etwa eine Stunde später waren wir bereits in den Kerkern der Altstadt Abeytus eingesperrt. Weder Mendricks noch Erwins Verteidigungszauber hatten etwas ausrichten können – die Zauberersoldaten waren einfach in der Überzahl gewesen. Yuri kauerte zitternd an die Kerkermauern gepresst, hatte die Knie zum Kinn gezogen und sie mit seinen Armen fest umschlungen. Leise summte er eine Melodie vor sich hin, um sich zu beruhigen. Während Mendrick und Erwin über mögliche Fluchtversuche diskutierten, hockte ich mich zu Yuri und legte ihm vorsichtig die Hand auf die Schulter. "Bist du in Ordnung?" Er antwortete nicht, summte weiter. "Es ist die Atmosphäre hier, nicht wahr?", vermutete ich. "Du bist lange genug eingesperrt gewesen." Jetzt nickte er. Er tat mir so Leid. Ich gab meinem Impuls nach und nahm ihn in die Arme. Er erwiderte meine Umarmung nicht, aber sie schien ihn auch nicht zu stören. Mit starrem Blick summte er seine Melodie weiter. "Was ist das für ein Lied?", fragte ich ihn vorsichtig. Er verstummte, zögerte einen Moment und sagte dann: "Ich weiß es nicht genau, aber ich glaube, meine Eltern sangen es mir vor, als ich klein war und ich nicht einschlafen konnte. Vielleicht ist diese Erinnerung aber auch nur ein Produkt meiner Träume und Wünsche." Er hatte begonnen, am ganzen Leib zu zittern, versuchte aber, es zu unterdrücken. Ich hielt ihn noch fester, lehnte meinen Kopf an den seinen. Plötzlich schwang die Kerkertür auf und ein junges Mädchen mit halblangen, dunklen Lockenhaaren wurde zu uns herein geworfen. "Ihr bekommt Gesellschaft", schnarrte der Zauberer, der die Tür nun wieder schloss und absperrte, "so lange, bis wir der Königin von euch berichtet haben und sie entschieden hat, was mit euch geschehen soll." Das Mädchen mit den Lockenhaaren rappelte sich auf, als sich der Zauberer entfernte. "Zum Teufel mit dem Zaubererpack!", zeterte es wutentbrannt und rüttelte mit aller Kraft an den Gitterstäben. "Ich muss doch sehr bitten", sagte Erwin, "nicht alle Zauberer sind zu verurteilen. Und hör auf, an den Stäben zu rütteln. Es ist zwecklos." Das Mädchen wandte sich empört nach Erwin und Mendrick um. "Nicht alle Zauberer sind zu verurteilen? Jeder, der so etwas sagt, soll ebenso zur Hölle fahren!" - "Schrei nicht so und höre", blaffte Mendrick den Lockenkopf an, "meine Wenigkeit ist nämlich Zauberer und dennoch gegen eine Regentschaft der Schneekönigin, genauso wie mein Freund und Zauberkollege Erwin hier." Das Mädchen spuckte ihnen vor die Füße. "Verräter bleibt Verräter!" - "Du urteilst voreilig, wenn du über Verrat sprichst! Ich bin Mendrick, einziger Sohn des ehrwürdigen Balthaszar, Anhänger der Gandulf'schen Lehre und einer der wenigen Zauberer, die noch einen Funken Anstand und Moral besitzen!" - "Schon gut, ich weiß, wer Balthaszar ist", sagte das Mädchen, etwas kleinlaut. "Wer sind die da?", fragte es dann, als es mich und Yuri bemerkte. "Pauline und Yuri, Freunde und Verbündete", erklärte Mendrick. "Also gut", sagte das Mädchen keck, "du und dein Kumpane, ihr seid also Zauberer, ja? Wieso zaubert ihr uns dann nicht einfach hier raus? Ist doch kein Problem." Mendrick rollte mit den Augen. "Sehr komisch! Uns wurden die Zauberstäbe natürlich abgenommen." - "Dann haben wir in der Tat ein Problem." Das Mädchen knetete aufgeregt seine Nasenspitze. "Euch ist klar, dass man uns hängen wird…?" Ich war aufgestanden. "Wer bist du eigentlich?", fragte ich das Mädchen. "Ist das denn wichtig?", gab es unwirsch zurück. "Wir haben uns dir vorgestellt", sagt Erwin, "also wäre es einfach nur höflich, wenn du dich uns auch vorstellen würdest." - "Ja, ja, ist schon gut. Ich heiße Shamandra, bin fünfzehn Jahre alt und gehöre als jüngstes Mitglied einer Gruppe Zigeuner an. Wir verdienen unser tägliches Brot als Straßenmusikanten, aber das verbietet man uns neuerdings, weil man uns beim Stehlen erwischt hat." Der Lockenkopf namens Shamandra zog entschuldigend die Schultern hoch. "Tja, ich meine, wir nehmen nur von denen, die ohnehin zu viel haben, also, was ist schon dabei? Na, jedenfalls sehen uns die Rothüte gar nicht gern…" - "Die Rothüte?", wiederholte Mendrick amüsiert. "Ja", sagte Shamandra, "die Zauberersoldaten, die uns festgenommen haben. Handlanger der Schneekönigin." - "Die Spione meinst du", sagte ich. "Spione, Spinner, Feiglinge… ja, genau die", sagte das Zigeunermädchen. "Ähnlich wie die Modoroks bei uns", meinte Mendrick. Shamandra horchte auf. "Modoroks?" Mendrick nickte. "Wie, ihr kommt aus dem Schmetterlingswald?" - "Ich nicht", sagte Erwin, während er die Wände nach möglichen Schlupflöchern oder lockeren Mauersteinen absuchte. "Pauline, Yuri und ich kommen aus dem Schmetterlingswald", erklärte Mendrick, "aus einem kleinen Fischerdorf. Wir haben hier in Abeytu bei meinem Vater Schutz vor den Modoroks gesucht und waren nun auf dem Weg ins Albenreich... aber es ist leider irgendwie schief gelaufen, wie du siehst." - "Seit die Kalte Hexe unser Reich regiert ist so einiges schief gelaufen", erwiderte Shamandra. "Ja", sagte ich, "aber das muss und wird bald ein Ende haben." Mendrick warf mir einen viel sagenden Blick zu, der so viel hieß wie: Erwähne bloß nichts von Yuri. Ich schwieg, verschränkte die Arme vor der Brust und starrte aus dem vergitterten Kerkerfenster. "Was meinst du?", hakte Shamandra nach. "Wurde etwa der Auserwählte gefunden?" Weiterhin Schweigen. Weder Erwin noch Mendrick oder ich wussten, was wir darauf sagen sollten. Yuri erhob sich, die Finger verkrampft ineinander verkreuzt, ging ein paar Schritte auf Shamandra zu und sagte dann: "Ja. Ich bin es. Ich bin der Auserwählte." Er sprach das Wort aus wie ein fremdsprachiges Vokabel und schien dabei richtig zu erblassen, obgleich er dieselbe bronzefarbene Haut wie das Zigeunermädchen besaß. "Du?", sagte dieses ungläubig. "Ihr seid wohl alle verrückt." - "Es ist wahr", entgegnete ich. Mendrick und Erwin nickten. Shamandra näherte sich Yuri vorsichtig an wie ein Löwe seiner Beute und musterte ihn prüfend. "Du bist das also", sagte sie, "du bist der Yuri…" - "Ja." - "Was ist mit deinem Gesicht passiert?" Yuri zuckte zusammen. "N-nichts. Ich… das ist bloß ein Kratzer, nichts weiter." - "Es sieht aber weit schlimmer aus als ein einfacher Kratzer." - "Es ist nichts!" - "Du bist also der Auserwählte?" - "Ja." - "Und wieso bist du erst jetzt aufgetaucht? Wieso hast du so lange auf dich warten lassen? Wo warst du die vergangenen Jahre, wo dich unser Volk gebraucht hätte?" - "Schluss mit den Fragen", ging Erwin dazwischen und legte Yuri den Arm um die Schultern, "Yuri muss kein offenes Buch für alles und jeden sein." Shamandra rümpfte die Nase. "Fein. Also, wenn du und dein Zaubererfreund uns also nicht hier heraus bringen könnt", sagte sie zu ihm, "was ist mit ihr?" Sie deutete auf mich. "Ich bin keine Hexe", sagte ich prompt. "Siehst auch nicht so aus wie eine", antwortete Shamandra, "aber hast du denn keine außergewöhnlichen Fähigkeiten, so wie die anderen?" - "Hast du welche?", gab ich zurück. "Nein, aber das macht nichts", antwortete sie froh, "der Auserwählte ist ja unter uns. Er könnte sich in einen Wolf verwandeln und das Gitter durchbrechen. Er besitzt doch die Gabe der Transformation, nicht wahr?" Yuri wandte sich ab und kauerte sich deprimiert in die Ecke zurück. "Also nicht", deutete Shamandra seine Reaktion. "Doch", sagte Mendrick, "aber es dauert angeblich noch ein Jahr, bis seine Kräfte ausgereift und gut kontrollierbar sind." - "Na prima", seufzte Shamandra, "da befindet man sich mit einem vermeintlichen Held in einer Gefängniszelle und dann bekommt man gleich die nächste Enttäuschung serviert…" - "Die redet wie du, Mendrick", bemerkte ich spitz. Mendrick blies die Backen auf, sagte aber nichts. "Wir finden schon einen Weg hier heraus", meldete sich Erwin. "Ja", brummte Shamandra, "morgen Früh, zum Richtplatz." Mein Magen hob sich bei der Vorstellung meines Halses in einer Schlinge. Nervös ging ich auf und ab wie ein Tiger in einem Käfig. "Lass das doch, Pauline", sagte Mendrick, "du regst Yuri womöglich noch mehr auf." - "Ist schon in Ordnung", sagte Yuri zaghaft und begann wieder, sein Wiegenlied zu summen. "Ich werde verrückt hier", schnappte Shamandra. "Ruhe jetzt!", mahnte Erwin. "Ich habe eine Idee", verkündete ich, allerdings nicht ganz von mir selbst überzeugt, "Mendrick, du als Gandulf'scher Zauberer müsstest doch in der Lage dazu sein, nur durch deine Gedanken einen Zauber auslösen zu können…" - "Dazu bin ich noch nicht fortgeschritten genug", antwortete Mendrick trübe, "aber was ist mit dir, Erwin? Gedankenzauber ist etwas für Zauberer der Muster - oder Meisterklasse. Man denke an die Mauer, hinter der das Versteck meines Vaters liegt. Du hast damit einen perfekten Illusionszauber geschaffen. Du musst also ein Musterzauberer sein." Alle wandten sich gespannt zu Erwin um. Dieser zog hilflos die Schultern hoch. Schließlich seufzte er tief und sagte: "Ich verstehe nichts von Gedankenzauber." - "Aber als Gandulf'scher Zauberer..." - "Ich bin kein Gandulf'scher Zauberer, Mendrick. Ich habe nicht den blassesten Schimmer davon." Mendrick riss seine haselnussbraunen Augen auf. "Wie bitte?" Er war nicht weniger überrascht als Yuri und ich. "Es ist wahr", erwiderte Erwin kleinlaut, "ich habe das Gandulf'sche Lehrbuch zwar gelesen, aber nie etwas davon angewendet. Wisst ihr, ich hätte es nicht gekonnt, selbst wenn ich es gewollt hätte. Ich habe meine Zauberkraft im Laufe der Jahre einer anderen Kunst verschrieben." - "Das kann ich mir nicht vorstellen", sagte Mendrick. Erwin jedoch entgegnete: "Ich bin Zeldarianer."

Yuri

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