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Kapitel 15 - IM SCHLOSS DER ALBEN

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MENDRICK.

Mir war ungeheuer mulmig zumute. Mein Magen hob sich und vor meinen Augen verschwamm alles, als wir wie durch Geisterhand in die Luft empor stiegen. Pauline hielt meine Hand so fest, dass es weh tat; Yuris entglitt mir fast, während wir in einer – wortwörtlich – atemberaubenden Geschwindigkeit zwischen den Tannenbäumen hindurch und über die Baumkronen zischten. Richtig erkennen konnte ich meine Umgebung nicht mehr. Alles drehte sich und mir war hundeelend zumute. Ich kniff die Augen zusammen, aber das machte mein Schwindelgefühl bloß schlimmer. Endlich schienen wir Noahs Schloss erreicht zu haben, denn ich spürte wieder festen Boden unter den Füßen. Ich hob die Lider, ließ Yuris und Paulines Hände los, taumelte und musste mich augenblicklich übergeben. "Mendrick", vernahm ich Paulines besorgte Stimme, "was ist los?" - "Das passiert vielen, die das erste Mal mit einem Alb auf den Flügeln des Windes reiten", sagte Noah, "ich sagte ja, das könnte möglicherweise ein wenig unangenehm werden. Aber seid unbesorgt, das ist gleich wieder vorüber." Ich übergab mich abermals und hustete ein wenig, dann war es tatsächlich vorbei. Mein Magen fühlte sich dennoch etwas flau an. "Na?", fragte Erwin aufmunternd und klopfte mir auf die Schulter. "Ja, ja, geht schon", antwortete ich mit dem widerlichsten Geschmack denn je im Mund.

Noahs Schloss schien nicht sonderlich groß, aber geräumig, und besaß die gleiche dunkle Farbe wie sein Kapuzenmantel. Das Eingangstor mit dem Torbogen war silbern mit schimmernd blauen Verzierungen, die nach antiken Schriftzeichen aussahen. "Was bedeutet das?", fragte Yuri, als wir unter dem Bogen hindurchgingen. "Das sind altalbische Buchstaben", sagte Noah, "es heißt Heimkehr." Wir folgten ihm ins Schloss. Die Inneneinrichtung wirkte so geheimnisvoll wie der Alb selbst. Alles glänzte silbern und dunkelblau, die Möbel waren aus dunklem Holz gemacht. Ich sah mich nach anderen Personen um. Weit und breit war niemand zu entdecken. "Habt ihr Hunger?", fragte Noah. "O ja", antwortete ich vorfreudig. "Das dachte ich mir", erwiderte er und senkte betreten die Stimme, "ich muss euch leider enttäuschen, ich habe nichts. Alben essen nicht." - "Alben essen nicht?", wiederholte Erwin überrascht. "Das Albenvolk ernährt sich eigentlich von Sonnenlicht", sagte Yuri, bevor Noah antworten konnte; ich rümpfte die Nase. "Aber", fuhr Yuri fort, "ich wollte Euch vorhin schon fragen, Noah, ob das immer noch so ist? Ich meine, seit die Schneekönigin an der Macht ist, gab es keinen einzigen, ungetrübten Sonnentag mehr. Das wenige Sonnenlicht, das Sternland hin und wieder zu sehen bekommt, reicht doch nicht aus, um das gesamte Albenvolk damit am Leben zu erhalten, oder?" - "Gut beobachtet, junger Freund", sagte Noah, während er uns eine Steintreppe hinaufführte, "nun, dieses Licht würde in der Tat nicht ausreichen, um alle Alben zu ernähren." - "Wie konnte Euer Geschlecht dann jahrelang überleben?" - "Die wenigen, die überlebt haben, haben ihre eigene spezielle Lichtquelle gefunden." Ich zog die Augenbrauen hoch. "So? Und davon ernährt ihr euch also, wie?" - "Es mag seltsam für dich klingen, aber ja. Unsere Körperzellen sind darauf ausgerichtet, Licht in nahrhafte Energie umzuwandeln, ähnlich wie Pflanzen das tun. Wir brauchen nichts zu essen. Dazu ist unser Körper nicht gemacht." - "Faszinierend", sagte Erwin beeindruckt. "Was ist diese ganz spezielle Lichtquelle?", fragte ich. "Das verrate ich nicht. Albengeheimnis", erwiderte Noah lächelnd. Ich kullerte mit den Augen. Noah öffnete eine große Tür und wir gelangten in einen Aufenthaltssaal. Yuri und ich ließen uns nebeneinander auf einem großen, blau gepolsterten Sofa nieder. "Stammt Ihr einem Adelsgeschlecht ab, Noah?", wollte Pauline wissen, die den Alb bereits die ganze Zeit über mit großen, interessierten Augen angesehen hatte. "Ja, man könnte es wohl so nennen. Ich bin so etwas wie ein Prinz in unseren Reihen. Prinz der Alben." Ich lachte auf. "Das wird der Schneekönigin aber gar nicht gefallen, wenn sie erfährt, dass es außer ihr noch eine Majestät in ihrem Reich gibt", sagte ich und musterte die eindrucksvolle Tafel aus dunklem Holz, die von aufwendig verzierten Stühlen umgeben war. "Das Albenreich ist neutral", antwortete Noah und zündete die Kerzen des großen, silbernen Armleuchters an, "und befindet sich auf heiligem Boden. Hier, in diesem Walde, vor mehr als tausend Jahren, vereinigten sich die Götter des Himmels, der Hölle und der Erde; und gemeinsam schufen sie mit einem Tropfen Sonnenlicht, einem Tropfen Regen und einem Fingerhut voll Sternenstaub unser Reich, Shenandoah, das wir als Sternland kennen und lieben gelernt haben. Dies ist ein heiliger Ort. Die Kalte Hexe würde es nicht wagen, hier Krieg zu führen und den Zorn der Götter auf sich zu ziehen." - "Sei dir dem mal nicht so sicher", erwiderte ich. "Sind denn nicht viele Leute ins Albenreich geflohen, da es neutral ist und nicht bekriegt wird? Ich meine, ich wusste zwar, dass sich im Albenreich unsere Entstehungsgeschichte zugetragen hat, aber, dass hier keine Kämpfe ausgetragen werden dürfen…?" - "Die Truppen der Schneekönigin haben diese Tatsache so gut wie möglich vertuscht", sagte Noah, "und lassen es gar nicht erst so weit kommen, dass die Einheimischen ihr Gebiet verlassen. Es gibt einige Flüchtlinge, manche sogar aus den Kiona-Bergen, aber die meisten davon erliegen entweder ihren Kriegsverletzungen, werden noch bevor sie unser Land erreichen von feindlichen Truppen festgenommen oder sterben an Erschöpfung. Viele davon sind tapfere Freiheitskämpfer." Pauline presste ihre Lippen aufeinander und wandte sich ab. Ich wusste, sie musste wohl an ihren Vater Tristan denken. "Lebt Ihr ganz alleine in diesem Schloss?", wollte Erwin wissen. "Nicht ganz", sagte Noah und in diesem Moment ging die Türe zum Saal auf. Eine junge, hübsche Frau in silberblauem Leinenkleid steckte den Kopf herein. "Habt Ihr Besuch, Noah?", fragte sie neugierig. Noah machte eine einladende Handbewegung. "Lasst mich euch einander vorstellen. Das ist Aurore, meine Schwester." Sie war ebenso groß und zart wie Noah, hatte dieselben kristallblauen Augen und ebenso schwarzes, glänzendes Haar, das ihr bis zu den schmalen Hüften reichte. "Aurore, das sind mutige Rebellen aus dem Schmetterlingswald auf dem Weg in die Lequoiawälder. Sie haben den Auserwählten bei sich." Aurore riss die Augen auf. "Der Auserwählte, in der Tat! Welche Menschen Ihr nur trefft, wenn Ihr unterwegs seid, mein Prinz!" Sie ging auf uns zu und grüßte uns. "Mein Bruder kommt nicht oft mit Besuchern heim", sagte sie mit sanfter, klarer Stimme, die mich ein wenig an Gwendolins erinnerte, "das letzte Mal brachte er Vincent zu uns, der lebt jetzt schon einige Jahre hier." - "Wer ist Vincent?", fragte ich. "Er kam damals zu uns, als seine Eltern im Krieg starben", sagte Noah, "er war knapp zwölf Jahre alt gewesen und hatte sonst niemanden. Sein Vater war uns ein bekannter und gern gesehener Gast gewesen. Vincent wirkte sehr krank, als er um Zuflucht bat, und brauchte dringend Arznei. Ich habe ihn mitgenommen und mit Albenmedizin behandelt. Als Dank, dass wir ihn gerettet haben, ist er von da an ein guter Freund und Helfer geworden. Ihr werdet ihn bestimmt noch kennen lernen, er ist sicher gerade draußen unterwegs, um zu jagen. Im Gegensatz zu uns braucht er feste Nahrung. Vielleicht nimmt er euch morgen auf die Jagd mit. Er wird in einigen Stunden zurück sein." - "Ich zeige euch inzwischen, wo ihr heute Nacht schlafen könnt", sagte Aurore und führte uns aus dem Saal.

"Ich frage mich, was diese Albenleute den ganzen Tag so machen", murmelte ich Erwin zu, "außer, sich von irgendeiner mysteriösen Lichtquelle zu ernähren und Fremde im Wald aufzugabeln…" - "Ich bin auch etwas skeptisch", flüsterte Erwin zurück. Yuri hatte unseren Worten gelauscht und sagte ebenso leise: "Die Alben sind ein seltsames Volk, aber vertrauenswürdig. Ich kann mich an viele Geschichten über sie erinnern, die mir erzählt wurden, als ich klein war." - "Du erinnerst dich an deine Gutenachtgeschichten und Wiegenlieder, aber nicht daran, wie du aus dem Königsschloss entkommen bist?", raunte ich. "Hör auf, Mendrick", zischte Pauline. "Da wären wir", sagte Aurore und öffnete die Tür zum Gästezimmer. "Wenn ihr irgendetwas braucht, scheut euch nicht davor, es zu sagen." - "Was zu essen wäre nicht schlecht", sagte ich schroff, "aber ich weiß schon, da müssen wir uns wohl eher an diesen Vincent wenden. Ihr Alben könnt uns damit nicht dienen." - "Leider nein", antwortete sie und lächelte mich entschuldigend an, wobei sie eine Reihe perlweißer Zähne entblößte. "Übrigens, da draußen vor dem Schloss schleicht ein Feuerputz herum. Gehört er zu euch?" - "Er hat sich uns unerlaubt angeschlossen", seufzte ich. "Wie konnte er uns so schnell folgen?", rätselte Pauline. "Feuerputze sind keine irdischen Wesen", sagte Aurore, "nur dazu verdammt, hier herumzuwandeln und um ihre Erlösung zu bangen. Auch sie haben, wie wir Alben, eine eigene Art, zu reisen." - "Über die Unterwelt, wo sie herstammen?", vermutete Erwin. Aurore nickte. "Ja, das ist nahe liegend. Sie haben eine äußerst gute Wahrnehmung, um andere Wesenheiten aufzuspüren." Als ich meinen Mantel und meinen Zauberstab ablegte, warf mir Aurore einen interessierten Blick zu. "Du bist Zauberer?", fragte sie. "Ja", antwortete ich knapp und fuhr mir durchs schneenasse Haar. "Aha", sagte sie, "genau wie Vincent also!" - "Ach, der ist Zauberer?" - "Ja, ein sehr guter." - "Wer weiß, vielleicht kennen wir den Burschen sogar, was meinst du, Erwin?" Erwin zuckte mit den Schultern. "Ich lasse euch dann mal alleine", sagte Aurore und verließ das Zimmer. "Du solltest höflicher sein, Mendrick", sagte Pauline, nachdem sie ihren Mantel abgeworfen und sich auf eines der fünf silberblauen Betten niedergelassen hatte. "Höflicher, zu wem?", fragte ich beifällig. "Noah", antwortete sie. "Wieso, habe ich ihn etwa beleidigt?", gab ich zurück. "Nicht direkt", sagte sie, "aber wir alle sprechen in der einem Albenprinz angemessenen Höflichkeitsform mit ihm. Du aber redest mit ihm wie mit einem alten Bekannten." - "Ach, hör doch auf, Pauline, das bringt ihn schon nicht um", erwiderte ich. Damit war die Sache für mich erledigt. Für Pauline anscheinend nicht. "Du bist so stur!", schnappte sie und verschränkte die Arme vor der Brust. "Ich bin stur?", sagte ich. "Du bist kleinlich, Pauline! Er wird mich schon nicht auffressen, bloß, weil ich ihn mit Du anspreche, wie jeden anderen normalen Menschen auch." - "Er ist eben nicht wie jeder andere normale Mensch! Er ist ein Albenprinz!" - "Und wenn schon, Prinz der Alben, der Affen oder der Erbsen, er bleibt ein Lebewesen wie du und ich. Ich verstehe nicht, warum du so ein Theater um ihn machst." Pauline lief puterrot an, sagte aber nichts mehr. "Ich bin hundemüde", meldete sich Yuri und ließ sich ebenfalls auf ein Bett fallen. "Wolfsmüde", verbesserte Erwin. Zum ersten Mal seit längerer Zeit musste Yuri lachen. Sein Lachen steckte sogar Pauline an. "Die Sache mit dem Wolf liegt mir aber ehrlich gesagt schon sehr im Magen", sagte Yuri, nachdem er sich beruhigt hatte, "ich warte die ganze Zeit darauf, dass ich wieder einmal transformiere und vielleicht herausfinde, wie es wirklich funktioniert. Aber ich schätze, das werde ich erst verstehen, wenn es mir jemand so richtig erklärt hat." - "Deswegen sind wir auf dem Weg in die Lequoiawälder", sagte ich, "dort werden wir Leute finden, die die Sagen und Legenden über Transformationskünstler wie dich besser kennen als wir. Wenn wir Glück haben, können wir sogar Nagi Tanka treffen, den berühmt-berüchtigten Schamanen und Seher, der deine Geburt vorausgesagt hat." - "Außer, er ist bereits tot", sagte Erwin. "Das wollen wir nicht hoffen", sagte Pauline. "Schamanen und Geistergurus wie der werden doch sowieso immer hundert Jahre alt, oder?", fügte ich hinzu und meinte es ernst. "Über so etwas macht man keine Späße, Mendrick", fuhr mich Pauline an. "Ich mache keine Späße", antwortete ich bemüht ruhig, "du kannst aufhören, dich aufzuregen, Pauline. Ich werde deinen Albenprinz ab jetzt brav in Höflichkeitsform ansprechen, wenn es dir dann besser geht." - "Er ist nicht mein Albenprinz!" Sie drehte uns den Rücken zu. Es klopfte an der Tür. Ich öffnete und blickte in das Gesicht eines schlanken, aber muskulösen, jungen Mannes in meinem Alter. Er trug ein langärmeliges, braunfarbenes Leinenhemd und Hosen aus Büffelfell; um seinen Hals baumelte eine Goldkette, deren Anhänger ich nicht sehen konnte, weil ihn das Hemd überdeckte. Der Bursche hatte nackenlanges, dunkelblondes Haar, das leicht gelockt war, und dunkle Augen, die mir auf eine absurde Art und Weise bekannt vorkamen. "Kennen wir uns?", fragte ich sogleich. Er zuckte mit den Achseln. "Ich bin nicht sicher. Gestatten, Vincent. Aurore sagte mir, ich solle mich den Gästen vorstellen, einer von ihnen sei auch Zauberer." - "Ja, das wäre dann ich", sagte ich. Er schüttelte mir die Hand. Sein Händedruck war kräftig. "Mein Name ist Mendrick", stellte ich mich vor, "und das sind meine Freunde Erwin, Pauline und Yuri." - "Ich bin erfreut", sagte Vincent und grüßte in die Runde. "Ich komme gerade von der Jagd zurück. Man sagte mir, ihr habt Hunger?" - "Dafür, dass du vom Jagen zurückkommst, hast du aber erstaunlich saubere Hände", bemerkte Erwin. Vincent lachte. "Ja, weil ich mich bereits gewaschen habe." - "Ihr habt fließend Wasser?", meldete sich Pauline. "Wir könnten alle einmal eine Dusche vertragen." - "Ich bin mir sicher, Noah gewährt es euch, wenn ihr ihn darum bittet", sagte Vincent, "und danach können wir gemeinsam essen. Ich habe drei Wildschweine erlegt." - "Nicht schlecht", staunte Erwin. "Oh, ich bin kein besonders guter Jäger", erwiderte Vincent, "aber ein Zauberer weiß sich zu helfen." - "Zeldarianer?", hakte ich nach. Zu meiner Überraschung verneinte er. "Was?", entfuhr es mir. "Du bist ein Gandulf'scher Zauberer?" Abermals schüttelte Vincent den Kopf. "Nein, weder noch. Ich verfolge eine ganz eigene Art der Zauberkunst. Meine Eltern haben sie mir beigebracht." Er senkte den Blick. "Sie sind beide tot." - "Das tut mir Leid", sagte ich. Ich wollte noch mehr über diese unbekannte Zauberkunst erfahren, aber Pauline stieß mich an, als ich den Mund öffnete, um etwas zu sagen, und raunte mir zu: "Lass den armen Kerl doch lieber zufrieden. Siehst du nicht, dass es ihm schwer fällt, über seine Vergangenheit zu sprechen? Du kannst ja mal unter vier Augen mit ihm darüber reden." Schritte ertönten und Noah erschien auf der Türschwelle. Paulines Gesicht erhellte sich. "Wie ich sehe, habt ihr bereits Bekanntschaft mit Vincent gemacht", sagte er. "Uns ist zu Ohren gekommen, dass man bei Euch ein Bad oder eine Dusche nehmen kann?", fragte Erwin. Noah tauschte mit Vincent die Blicke aus. "Oh, sie wissen nichts vom Garten?", stieß Vincent hervor. "Entschuldigt bitte, Noah, ich dachte…" - "Schon gut, Vincent." - "Garten? Was für ein Garten? Habt ihr einen Schlosspark?", fragte ich verwirrt. Noah senkte die Stimme. "Könnt ihr ein Geheimnis für euch behalten?"

Yuri

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