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3.4 Aneignungen des Niederlassungsgesetzes. Eine kantonale Übersicht

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Allen Beteuerungen der parlametarischen Spezialkommission zum Trotz war eine institutionelle Spaltung der Gemeinde in zwei distinkte Wahl- und Abstimmungskörper und eine Vermögensabgrenzung zwischen Gemeindebürgern und Niedergelassenen im neuen kantonalen Niederlassungsgesetz angelegt. Die Umsetzung einer solchen Gemeindespaltung soll im Detail anhand des gut dokumentierten Beispiels der Stadt Chur dargestellt werden. Danach wird der Fokus auf 67 Gemeinden aus dem ganzen Kanton ausgeweitet (siehe Anhang). Es wäre forschungspraktisch nicht möglich gewesen, für jede Bündner Gemeinde Anhaltspunkte zum Umgang mit dem Niederlassungsgesetz zu erheben. Um zumindest regionale Tendenzen beschreiben zu können, wurden aus jedem Bezirk einige Gemeinden ausgewählt. Die 47 Gemeinden, die zwischen 1875 und 1974 eine institutionelle Abgrenzung und eventuell auch eine Vermögensausscheidung vornahmen, rekonstituierten ein korporatistisch-altrepublikanisches Bewusstsein, dessen Effekte und Implikationen in zahlreichen Bündner Gemeinden bis heute wirkmächtig geblieben sind. Die institutionelle Abgrenzung zwischen Gemeindebürgern und Niedergelassenen vermochten de jure freilich nicht, die Kompetenzen der beiden Gruppen zu verändern. Das Gesetz erlaubte es aber den ortsbürgerlichen Korporationen, gleichsam als autonome Gemeinde innerhalb oder neben der neuen Gesamtgemeinde weiterzubestehen. 20 Gemeinden nahmen dagegen im Untersuchungszeitraum dieser Studie nie eine institutionelle oder vermögensmässige Abgrenzung vor, sodass in diesen Fällen von einer abgestuften Gemeindeeinheit statt von Gemeindedualismus die Rede sein muss.

Anschliessend geht es um die Frage, wie sich die verschiedenen Aneignungsmuster des Niederlassungsgesetzes erklären lassen. Um die Komplexität der möglichen Antworten zu reduzieren, sollen drei Beispiele isoliert werden, die zudem die Entwicklung ab Mitte des 20. Jahrhunderts ausser Acht lassen.

1. Die Stadt Chur, die Val Müstair und das obere Albulatal, wo Kontinuitäten zum Ausschluss der Hintersassen seit der Frühen Neuzeit auszumachen sind. Am Beispiel Chur kann gezeigt werden, dass finanzielle Eigeninteressen eine viel grössere Rolle spielten als der gerne vorgebrachte «Bürgersinn».

2. Einige der Gemeinden der Täler Calanca und Misox, in denen die frühe institutionelle Abgrenzung mit den ökonomischen Existenzbedingungen erklärt werden kann.

3. Die romanische, katholisch-konservative Surselva, wo bereits vor der Annahme des Niederlassungsgesetzes eine im Vergleich zum kleinstädtischen Milieu Churs gänzlich andere politische Kultur fassbar wird. Die enge Verzahnung von Politik und Kirche trug Entscheidendes dazu bei, dass sich die Gemeindebürger fast überall bis weit ins 20. Jahrhundert nicht in eigenen lokalen Strukturen politisch organisierten.

Gemeindebürger, Niedergelassene und Ausländer

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