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2.1.2 Öffentlichkeit und sprachliche Konventionen

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Im ersten Kapitel hatten wir gesehen, dass unter Beachtung der Konventionen einer Sprache die Ausdeutbarkeit einer Äußerung engen Grenzen unterliegt und dass dies zu den Eigenschaften gehört, die Sprache zu einem praktisch erfolgreichen Kommunikationsmittel machen. Ich möchte nun die Frage diskutieren, wie wir dieses Konventionalisierte im Sprachgebrauch besser fassen können. Denn wenn unser Schreiber etwas von seiner Vorstellung dadurch kommunizieren möchte, dass er vokalisch, manuell oder graphisch Erzeugtes öffentlich wahrnehmbar macht, sind diese Erzeugnisse ohne Konventionen nahezu beliebig ausdeutbar, wie wir gesehen haben.

Zunächst einmal möchte ich klarstellen, dass unter Konvention nicht eine Übereinkunft in dem Sinne verstanden werden kann, dass eine Gruppe von Menschen sich darüber einigt, welche Regeln künftig für ihr kommunikatives Miteinander gelten sollen, denn wie sollte man sich über etwas einigen, ohne dass bereits Konventionen bestünden, die eine solche Einigung ermöglichten? Plausibler erscheint, dass die Entstehung und Fortentwicklung des Kommunikationsmittels Sprache durch unzählige Zyklen aus Variation (vielfältiges Ausprobieren), Selektion (Weiterverwendung des Erfolgreichen) und Reproduktion (Weitergabe beziehungsweise Übernahme des Bewährten) zwischen Menschen innerhalb von Gruppen und zwischen Gruppen gekennzeichnet sind, die sich über Lebzeiten und Generationen hinweg erstrecken. Mit ihren jeweiligen kognitiven und physischen Fähigkeiten versuchen Menschen, auf vielfältige Weise mit bestimmten vokalischen oder manuellen Gesten ihre Vorstellungen zu gemeinsamen Vorstellungen zu machen.1 Sie verwenden solche Gesten weiter, die sich dabei in der gemeinsamen Praxis als erfolgreicher erweisen als andere, und geben sie im Rahmen der Kultur einander und an nachfolgende Generationen weiter. Diese wiederum übernehmen die bewährten sprachlichen Praktiken, verändern sie dabei aber, indem sie neue Gesten ausprobieren, praktisch bewährte auf Kosten anderer weiterverwenden, übernommene Gesten enger oder weiter gebrauchen, die Gestalt der Gesten verändern und so weiter.2 Aus diesem kumulativen Zyklus aus Versuch und (Miss-)Erfolg, aus dem immer Mittel weiterverwendet werden, die sich als praktisch erfolgreich erwiesen haben, kann durch zunehmende Ausdifferenzierung des Gesteninventars und ihrer Funktionen schließlich das entstehen, was wir heute als natürliche Sprachen kennen.3 Dafür ist keine metasprachliche Einigung darüber nötig, welche Ausdrucksmittel zu gebrauchen sind und welche nicht. Die Konventionen kommen mit dem Gebrauch. Sie beruhen wesentlich auf dem öffentlichen Charakter des Kommunikationsmittels und bilden sich in der Interaktion heraus. Dass alle Mitglieder einer Sprachgemeinschaft eine Konvention befolgen, ist dabei in der Regel nicht das geplante oder planbare Resultat der Sprecherin, die sie eingeführt hat, sondern meistens eine Folge davon, dass eine hinreichende Menge anderer Sprachbenutzerinnen sie, ob bewusst oder unbewusst, übernimmt. Konventionen sind nicht als Regelwerke verfügbar, in denen expliziert wäre, was erlaubt und was nicht erlaubt ist. Für unsere Interpretin haben sie den Charakter eines positiven Know-hows: Sie verfügt über die Fertigkeit, physische und kognitive Aktivitäten gelungen und erfolgreich ausführen, oft in routinisierterRoutine, Routinisierung oder gar automatisierterAutomatismus Weise. Dieses Know-howKnow-how ist scharf von einem Know-that zu unterscheiden, das ein explizierbares Wissen darüber umfasst, wie diese Aktivitäten analysierbar sind und wie nicht, und darüber, was die notwendigen und hinreichenden Bedingungen für ihr Gelingen und ihren Erfolg sind.4 Für das Know-how, das unsere Interpretin bei ihren tagtäglichen Verrichtungen demonstriert, zu denen auch Sprechen, Schreiben, Hör- und Leseverstehen gehören, bedarf sie des Know-thats nicht. Das gilt es auch zu bedenken, wenn ich im Folgenden davon spreche, dass eine Interpretin Grammatisches „kennt“ oder „weiß“.

Der Mensch und seine Grammatik

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