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Er kann nicht sagen, wie er wieder zu der Bushaltestelle kam. Nachdem ihm der Archivar das Buch überlassen hatte, führte er ihn erneut durch eine Vielzahl von Zimmern, alle gefüllt mit unzähligen Büchern. In jedem Zimmer der gleiche Eindruck, die endlose Zimmerdecke, das Verschwimmen von Raum und Zeit, das Gefühl, in einer eigenen Welt gefangen zu sein.

Er verlor erneut die Orientierung, könnte niemals den Weg zu dem einen Zimmer mit der geschlossenen Holztür wiederfinden. So sehr es ihm widerstrebte, aber er musste sich in die Hände des Archivars geben, um wieder hinaus in die Welt treten zu können, die er glaubt, zu kennen.

Schweigend gingen sie zurück, durch kleine Gassen, dunkle Straßenzüge und stille Plätze. Als sie die Bushalte-Station erreichten, ging langsam am Horizont, versteckt zwischen all den Dächern, die Sonne auf. Für Jeremiah wirkte es, als würden die Lichtstrahlen nur zögerlich durch die Dunkelheit gleiten. Vorsichtig, immer darauf bedacht, nicht verletzt zu werden und sich langsam den Tag zurück erobernd.

Sie stehen sich gegenüber und der Archivar nickt ihm kurz zu. Dann wendet er sich, wie so oft in dieser Nacht, von Jeremiah ab und tritt den Weg zurück an. Für einen Augenblick überlegt Jeremiah, ob er ihm heimlich folgen soll. Vielleicht würde er bei Tageslicht seine Orientierung wiedererlangen und den Standort des Hauses herausfinden. So könnte er jederzeit wieder dorthin gelangen, sich Zutritt verschaffen und mehr erfahren. Über den Archivar, über die Bücher, über das, was sich hinter der Tür verbirgt.

Etwas hält ihn zurück. Er spürt, dass es hierfür noch zu früh ist. Er scheint völlig in den Zeitachsen des alten Mannes gefangen und er sieht keinen Weg hinaus. Jeremiah betrachtet das Buch in seinen Händen. Er hat eine neue Aufgabe gefunden, der alte Mann kann warten.

Er spürt die Energie, die durch seine Adern strömt. Trotz der langen Nacht verspürt er keine Müdigkeit. Sein Jagdinstinkt ist wiedererwacht und das Gefühl der Kraftlosigkeit, der Müdigkeit in seinen Knochen und seinem Kopf ist von ihm abgefallen.

Jeremiah atmet tief die kühle Morgenluft ein. Es verwundert ihn nicht, dass der Archivar bereits aus seinem Blickfeld verschwunden ist. Irgendwann wird er herausfinden, wie er es anstellt. Bis dahin widmet er sich seiner neuen Aufgabe.

Ein Blick auf die Uhr. Sonntagmorgen und ihm fällt ein, dass er mit seinem Sohn und seiner Familie zum Essen verabredet ist. Lieber würde er seinem Drang nachgeben, der Gerechtigkeit zu ihrem Recht zu verhelfen, doch er hat es seinem Sohn versprochen. Es gibt nur Weniges, dem sich Jeremiah verpflichtet fühlt. Eines davon ist sein Sohn. Er wird ihn nicht enttäuschen. Sie werden ein paar Stunden gemeinsam verbringen, er wird seine Rolle als Vater und Großvater spielen.

Und sobald er wieder zu Hause ist, wird er mit seiner Jagd beginnen.

Der Archivar der Seelen

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