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„Sie haben es zu Ende gebracht.“

Der Archivar blickt ihn regungslos an. Seine Lippen schmal, sein Blick durchdringend und dennoch strahlt er eine eigentümliche Ruhe aus, als hätte er nichts anderes erwartet.

Jeremiah reicht ihm das Buch und der Archivar nimmt es sanft entgegen. Zärtlich streicht er kurz über den Buchrücken, dann lässt er es in seine Manteltasche gleiten.

„Das Buch gibt das Ende noch nicht wieder.“

Als Jeremiah nach seiner Tat zu Hause ankam, öffnete er das Buch. Es war zuvor bereits bis auf wenige Seiten vor dem Ende beschrieben gewesen. Enttäuscht musste er feststellen, dass sein vollbrachtes Ende sich noch nicht darin wiederfand. Es erschien ihm nur logisch, musste das Buch doch erst an seinen Autor zurückgebracht werden. Dennoch hatte ein kleiner Teil von ihm gehofft, auf magische Weise seine Tat darin verewigt zu sehen.

Der Archivar nickt ihm zu, sein Blick ist weiterhin fest auf Jeremiah gerichtet. Es scheint, als suche er die richtigen Worte, um ihm zu erklären, wie es seinen Abschluss erhalten wird.

„Schreiben Sie das Finale?“

Jeremiah ist sich sicher, dass dem nicht so ist, aber er möchte die Reaktion des Archivars sehen, in der Hoffnung, irgendeinen Hinweis auf den oder die Autoren zu erhalten. Ein leichtes Lächeln zieht über die Lippen des Archivars und er schüttelt sanft den Kopf.

„Ich sagte Ihnen bereits. Ich habe kein Talent zum Schreiben. Aber machen Sie sich keine Sorgen. Alles wird erfasst werden. Nichts bleibt ungesehen.“

„Woher wollen Sie oder die anderen wissen, was passiert ist?“

Peinlich genau hatte er in der Hütte darauf geachtet, dass kein Einblick von außen möglich war. Er durchsuchte das Schlafzimmer nach Kameras, Abhöreinrichtungen oder Ähnlichem, das die Möglichkeit bot, die Geschehnisse mit zu verfolgen, aber er fand nichts. Wie sollte also jemand in der Lage sein, seine Handlungen wiederzugeben?

„Für den Moment reicht es aus, dass sie wissen, dass dieses Wissen existiert.“

„Reicht es nicht! Und Sie wissen, dass dem so ist.“

Er spürt seine Wut aufsteigen, der Wunsch, dem Mann Gewalt anzutun, um ihm zu zeigen, dass er nicht sein Spielball ist. Er blickt kurz um sich. Die Bushaltestelle ist, wie jede Nacht, verlassen. Er kann niemanden in ihrer Nähe erkennen und dennoch ist es zu riskant. Er darf sich nicht von seinen Gefühlen verleiten lassen.

„Sie müssen sich keine Gedanken darüber machen. Hätte ich Sie vernichten wollen, hätte ich das längst tun können.“

Jeremiah zuckt innerlich zusammen. Er ist sich sicher, der Archivar wählt jedes Wort mit Bedacht. Somit ist es kein Zufall, dass er das Wort „vernichten“ verwendet. Obwohl der Mann, der ihm gegenübersitzt, nicht den Anschein erweckt, körperliche Gewalt ausüben zu können oder auch zu wollen, verspürt er eine Form von Respekt und für einen kleinen Augenblick das Aufflammen von Furcht.

„Ich habe weitere Bücher für Sie.“

Langsam greift der Archivar, ohne seinen Blick von Jeremiah abzuwenden, in seine Manteltasche und zieht ein kleines, dünnes Buch hervor. Ein kurzer Blick darauf, dann reicht er es Jeremiah. Er reagiert nicht sofort, während er einen kurzen und intensiven Dialog mit sich selbst führt. Soll er sich auf dieses Spiel einlassen? Ohne die Hintergründe zu kennen, ohne Hinweise, was sich dahinter verbirgt? Mit jedem weiteren Schritt würde er sich tiefer darin verstricken und doch auf der anderen Seite der Gerechtigkeit zu weiteren kleinen Siegen verhelfen. Die Neugier, der Drang nach Taten siegt schließlich über seine Bedenken und er greift zu, begierig, zu erfahren, welche Einblicke er diesmal erhält.

Der Archivar der Seelen

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