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Die Lehrer Deutschlands
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Im Jahr 1518 hält Melanchthon seine Antrittsrede an der Wittenberger Universität als Professor für Griechisch. Schon der Name lässt die Begeisterung für die Antike erkennen: Er übersetzte seinen Familiennamen „Schwarzerde“ in die elegantere Altsprache. Luthers Willen zur Verbreitung der reformatorischen Ideen verschmilzt mit Melanchthons Willen zur Ausgrabung der letzten Wurzeln des Christentums im Boden der römischen und griechischen Kultur. So bilden die beiden für das Projekt Wittenberg das perfekte Gespann. Die Tiefe und der Ernst der Bücher sind ihre Schatzkammer, sie besorgen den Wittenberger Studenten die passende Lektüre. Luther übersetzt von 1522 bis 1534 die Bibel, Melanchthon Aristoteles‘ „Nikomachische Ethik“. So kommt es nicht nur zur didaktischen Beschwörung der Antike im deutschen Schul- und Unterrichtswesen, sondern auch dazu, dass das neuzeitliche Verständnis von Mensch und Staat in Deutschland von Aristoteles und seinen Retro-Fanatikern geprägt ist. Was damit gemeint ist, kommt ganz eklatant in Melanchthons Verständnis von Aristoteles‘ „Politik“ zum Tragen: „Politia est legitima ordinatio civitatis, secundum quam alii paesunt, alii parent“, Politik als zivile Ordnung, in dem die einen befehlen und die anderen gehorchen. Die einen, das sind die Verwalter und Beauftragten des Staates, die anderen sind das Volk. Das Phänomen des Gehorsams gegenüber dem Staat hat in Deutschland also eine lange Geschichte. So lang, dass die extreme Gehorsamkeit der Deutschen der Beobachterin Madame de Staël noch dreihundert Jahre später auffällt.
Durch diese Hin- und Rückwendung zum Aristotelismus wird die deutsche Bildungs-, Rechts-, Kultur- und Mentalitätsgeschichte entscheidend geprägt – mit der denkwürdigen Wendung, dass die Intellektuellen des Landes von oben nach unten dozieren. Sie wurden entweder Prediger oder Beamte und Berater des Staatswesens. So entsteht das archetypische, hermetische, deutsche Modell vom „Staat“, wenn man so will, eine Art Instanz gewordenes Gewissen.