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Im Würgegriff des StaatesM
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Europa lernte, dass bürokratische Wohlfahrtsstaaten und mächtige Gewerkschaften die einzige Alternative zum erbitterten Klassenkampf seien; die Amerikaner lernten, dass Regierung und Gewerkschaften bestenfalls notwendige Übel sind“, schreibt Walter Russell Mead in seinem Artikel „Goodbye Europa“ (SZ vom 3. Mai 2002). Der deutsche „Staat“ ist offenbar seit Luther und Melanchthon mit dem merkwürdigen Mythos behaftet, allumfassend zu sein. Alles politische Denken ging damals von einem Staat aus, dessen Träger vorstehen, und der Rest gehorcht – und vieles scheint noch immer davon beherrschend zu sein. Die damaligen Träger des „Staates“ sind vor allem Intellektuelle, die in seinem Dienst und beratend und verwaltend tätig sind. Das ist eigenartig: Die deutsche Intelligenz der ersten Stunde berät den Staat und seine Herrscher. Damit haben sie fast eine größere Macht als die Herrscher selbst. Und gleichzeitig sorgen sie dafür, dass Macht und Wissen in ihren Reihen bleiben. Dass der Staat die „ultima ratio“ alles Denkens und Handelns ist, scheint den Zeitbewohnern Deutschlands gar nicht anders vorstellbar. Deshalb bekommt der Staat in Deutschland die überbewertete Rolle, eine Art Träger des Verstandes sein zu müssen. Statt etwa der pragmatischen Machtphilosophie von Machiavelli, dessen weltliche Gebrauchsanweisung für Machthaber, der „Prinicipe“, 1513 zum ersten Mal ins Deutsche übersetzt wurde, setzt sich die kleinkarierte und kleingeistige Beamtenpolitik der an der Universität ausgebildeten Angestellten durch, die sich im Rahmen ihrer Verselbständigung immer weiter in die kleinsten Adern der lebensweltlichen Dinge hineinfrisst. Aus der Überlegung, Für- und Vorsorge für das Volk zu treffen, entwickeln die universitär ausgebildeten Berater in Deutschland die Policey- und Kameralwissenschaften, und aus ihnen gewaltige Beamten- und Verwaltungsapparate. Aus den spätmittelalterlichen politischen Beratern wird das neuzeitliche Verwaltungspersonal, das sich um Ordnung, Sicherheit, wirtschaftliche Absicherung und die Sicherstellung staatlicher Einkünfte durch die Untertanen kümmert. Die Beamten hatten sich an die Prinzipien der Aktenmäßigkeit, der Anonymität und der hierarchischen Organisation zu halten, die später von dem Soziologen Max Weber als „Grundprinzipien der neuzeitlichen Bürokratie“ definiert wurden.