Читать книгу Ausgewählte Briefe, Band 2 - Sophronius Eusebius Hieronmyus - Страница 45
ОглавлениеIII.a. Polemisch-apologetische Briefe: In eigener Sache
15. An Damasus
Einleitung
Der vorliegende Brief griff entscheidend in das Leben unseres Heiligen ein. Auf ihn geht zuletzt die einflußreiche Tätigkeit zurück, die Hieronymus von 382 bis 384 als Sekretär des Papstes Damasus in Rom entfalten sollte, eine Tätigkeit, die weite Kreise veranlaßte, in ihm das kommende Oberhaupt der Kirche zu sehen.
Es waren die verworrenen Zustände in der Kirche zu Antiochien, auf welche der vorliegende Brief zurückgeht. Drei Bischöfe, Meletius, Paulinus und Vitalis, stritten sich um den Bischofsstuhl der alten Seleukidenstadt. Hieronymus hielt es mit keinem von ihnen, sondern pflegte nur Kirchengemeinschaft mit den nach Diocaesarea verbannten ägyptischen Bekennerbischöfen. 2457 Trotz seiner Zurückhaltung wurde er in den Wirbel der theologischen Streitigkeiten hineingezogen, der sich im wesentlichen auf eine mangelnde Festlegung der theologischen Terminologie zurückführte. Es ging um die Trinitätslehre. Die Meletianer hatten sich auf die von den Kappadokiern geprägten Begriffe ο ὐ σία (Natur, Wesenheit) und ὑ πόστασις (Person) festgelegt. Für Hieronymus waren mit den Altnicäern und den Vertretern der profanen Schulen die beiden Worte identisch. Während er vermutete, daß die Meletianer den Arianismus wieder in die Kirche einschmuggeln wollten, ziehen ihn diese des Sabellianismus, der nur eine, in verschiedenen Rollen auftretende göttliche Person anerkannte.
Von überraschender Klarheit sind die dogmatischen Ausführungen in diesem Briefe. Pronberger erhebt den Vorwurf, 2458 daß Hieronymus die meletianische Unterscheidung von Usie und Hypostase nicht recht verstand. Er übersieht doch wohl zu sehr, daß unser Kirchenvater für die traditionelle Terminologie gegen eine Neuerung sich einsetzt, die sicherlich nicht etymologisch, sondern nur durch den Sprachgebrauch gerechtfertigt ist.
Wer weiß, wie Hieronymus ständig darauf bedacht war, das echte Glaubensgut zu schützen, wird verstehen, daß es ihm Herzenssache war, keinen Schritt vom reckten Glauben abzuweichen. Woher aber konnte ihm, der mit Rom verwachsen war, im Zweifelsfalle eine sicherere Orientierung kommen als vom römischen Bischof, dem Leiter der Gesamtkirche? Nicht Gesinnungslosigkeit, 2459 sondern folgerichtiges, seiner ganzen Einstellung entsprechendes Handeln leitet ihn, wenn er sich in seiner Verlegenheit an Papst Damasus wendet. Grützmacher schiebt in Anlehnung an Schöne unserem Kirchenvater ehrgeizige Beweggründe unter, als er sich nach Rom wandte. 2460 Dieser Versuch ist als unbewiesen abzulehnen. Es berührt eigenartig, daß Pronberger diese Vorwürfe zu den seinen macht. 2461
Der Brief muß zwischen 376 und 379 geschrieben sein. Er erwähnt den Bischof Vitalis, welcher 376 von Apollinaris geweiht wurde, und die ägyptischen Bekennerbischöfe, welche 379 in ihre Heimat zurückkehrten. 2462
1.
Von alters her pflegen sich die Völker des Orients in gegenseitigen Kämpfen zu zerfleischen. Auch heute zerreißt der Orient das unzertrennte, von oben bis unten gewebte Kleid des Herrn in viele Stücke. 2463 Füchse zerstören den Weinberg Christi. 2464 Es ist daher inmitten zerlöcherter Zisternen, die kein Wasser fassen können, 2465 schwer zu entscheiden, wo der versiegelte Quell, wo der verschlossene Garten zu suchen ist. 2466 Deshalb glaubte ich mir beim Stuhle Petri als dem vom Apostel gerühmten Sitz des Glaubens 2467 Rats erholen zu müssen. So bitte ich denn dort um die Nahrung für meine Seele, wo ich vor Jahren das Kleid Christi empfangen habe. 2468 Weder die Weite des Meeres noch die großen Länderstrecken, die uns trennen, konnten mich davon abbringen, nach der kostbaren Perle Umschau zu halten. 2469 Wo ein Aas ist, da versammeln sich die Adler. 2470 Nachdem eine ungeratene Nachkommenschaft das väterliche Erbe verschleudert hat, 2471 wird bei Euch allein das Besitztum der Väter unversehrt bewahrt. Bei Euch bringt die Erde auf fruchtbarem Boden ein reines Samenkorn Christi in hundertfältiger Frucht hervor. 2472 Hier aber entartet das der Furche anvertraute Getreide zu Lolch und Unkraut. Jetzt geht im Abendlande die Sonne der Gerechtigkeit auf. Im Orient aber hat Luzifer, der einst gestürzte, seinen Thron über den Sternen errichtet. 2473 Ihr seid das Licht der Welt und das Salz der Erde; 2474 Ihr seid die goldenen und silbernen Gefäße. Hier sind nur irdene und hölzerne Gefäße, welche der eisernen Rute und dem ewigen Feuer entgegenharren. 2475
2.
Wenn mir auch Deine hohe Würde Zurückhaltung auferlegt, so wage ich es doch im Vertrauen auf Deine menschliche Güte, mich Dir zu nähern. Vom Priester erbitte ich für das Opfertier Rettung; vom Hirten erflehe ich Schutz für das Lämmlein. Fort mit allem Mißtrauen! Fern sei es von mir, mich mit Schmeichelworten dem höchsten Würdenträger Roms nähern zu wollen! Ich will mit dem Nachfolger des Fischers und mit dem Schüler des Kreuzes sprechen. Wie ich außer Christus keinen als den obersten Führer anerkenne, so fühle ich mich mit Deiner Heiligkeit, d.h. mit dem Stuhle Petri, in Glaubensgemeinschaft verbunden. Weiß ich doch sehr gut, daß die Kirche Christi auf diesen Felsen gebaut ist. 2476 Wer außerhalb dieses Hauses das Lamm ißt, der ist gottlos. Wer nicht in der Arche Noes wohnt, der wird in den Tagen der Flut umkommen. 2477 Ich habe mich nun, um für meine Sünden zu büßen, in jene Einöde zurückgezogen, welche die Brücke bildet zwischen Syrien und den barbarischen Völkerschaften. 2478 Deshalb kann ich wegen der weiten Entfernung das Heilige des Herrn 2479 nicht immer von Deiner Heiligkeit erbitten. Ich habe mich aber hier an Deine Amtsgenossen, die ägyptischen Bekenner, angeschlossen 2480 und lebe im Verborgenen wie ein kleines Fahrzeug inmitten der gewaltigen Lastschiffe. Den Vitalis kenne ich nicht, von Meletius will ich nichts wissen, und auch mit Paulinus stehe ich in keiner Verbindung. Wer nicht mit Dir sammelt, der zerstreut, 2481 d.h. „Wer es nicht mit Christus hält, der hält es mit dem Antichrist“. 2482
3.
Nun kommt das Traurige. Nach den Beschlüssen von Nizäa, nach dem Dekret von Alexandrien, 2483 dem sich auch das Abendland anschloß, verlangen die Campenser, 2484 ein Ableger der Arianer, von mir, einem römischen Christen, etwas ganz Neues, nämlich die Annahme dreier Hypostasen. Welche Apostel haben eine solche Lehre hinterlassen? Welcher neue Völkerapostel Paulus 2485 hat diese Lehre vertreten? Fragt man sie, was sie glauben, unter drei Hypostasen verstehen zu sollen, so antworten sie: Drei für sich bestehende Personen. Erklärt man sich dann mit ihnen gleichen Sinnes, dann genügt ihnen die sachliche Übereinstimmung nicht, vielmehr bestehen sie auf der Übernahme des Wortes. Ich vermute, daß hinter diesen Silben irgendein Gift verborgen lauert. 2486 Ich erkläre ausdrücklich: „Wenn jemand drei Hypostasen als drei ἐνυπόστατα, d.h. drei für sich bestehende Personen, leugnet, dann sei er aus der Kirche ausgeschlossen.“ Aber weil ich das Wort nicht anwende, deshalb werde ich als Irrlehrer verschrien. Wenn aber jemand das Wort Hypostase im Sinne von Natur (οὐσία) gebraucht und in den drei Personen nicht eine Hypostase annimmt, der ist fern von Christus, und auf dieses Bekenntnis hin werde ich zusammen mit Dir gebrandmarkt als Verfechter der Einheit. 2487
4.
Entscheide, bitte! Befiehlst Du es, so nehme ich keinen Anstand, von drei Hypostasen zu reden. Wenn Du es verlangst, so schaffen wir nach dem nizäischen ein neues Glaubensbekenntnis! Wir, die wir den rechten Glauben haben, wollen ihn darin mit den gleichen Worten wie die Arianer bekennen. Alle weltlichen Schulen verstehen unter Hypostase die Natur (oύoia). Wer wird aber so verwegen sein, von drei göttlichen Naturen zu reden? Es gibt in Gott nur eine einzige Natur, die wahrhaft existiert. Denn das, was schlechthin existiert, bezieht sein Dasein nicht anderswoher, sondern hat es aus sich selbst. Die übrigen Dinge, welche erschaffen sind, bestehen nicht im wahren Sinne des Wortes, auch wenn sie zu bestehen scheinen. Es gab einmal eine Zeit, in der sie nicht gewesen sind. Was aber einmal nicht gewesen ist, kann wieder einmal nicht mehr sein. Der Begriff des wesenhaften Seins kommt nur Gott zu, der ewig ist und keinen Anfang kennt. Deshalb spricht er auch zu Moses aus dem brennenden Dornbusche: „Ich bin, der ich bin“; und wiederum: „Der da ist, hat mich gesandt.“ 2488 Es gab doch damals Engel, Himmel, Erde, Meere. Wie kann nun Gott den allen Dingen gemeinschaftlichen Begriff des Seins sich in besonderer Weise vorbehalten? Weil nur die göttliche Natur allein unerschaffen ist, und weil den drei Personen nur eine Gottheit zugrunde liegt, die wahrhaft besteht und nur eine Natur ausmacht. Wer da von einer Dreiheit im Sinne von drei Hypostasen spricht, versucht unter dem Schein der Frömmigkeit, sich für drei Naturen einzusetzen. Wenn dem aber so ist, warum richten wir Scheidewände auf zwischen uns und den Arianern, wo uns die gleiche unehrliche Gesinnung zusammenführen müßte? Dann kann auch Ursinus 2489 mit Deiner Heiligkeit Gemeinschaft pflegen und ebenso Auxentius 2490 mit Ambrosius. Das sei fern vom römischen Glauben! Einen solchen Frevel mögen die Seelen der gläubigen Völker nicht auf sich laden. Es möge genügen, wenn wir von einer Natur sprechen und zugleich drei für sich bestehende, vollkommene, gleiche und gleichewige Personen anerkennen. 2491 Man schweige, bitte, von den drei Hypostasen und begnüge sich damit, an einer festzuhalten. Es scheint immerhin verdächtig, wenn man bei Übereinstimmung in der Sache in den Bezeichnungen auseinandergeht. Mir genüge der Glaube, wie ich ihn eben darlegte! Hältst Du es aber für gut, dann schreibe, daß wir von drei Hypostasen reden sollen! Dann lehne ich dies nicht ab, wenn vorher die Bedeutung dieses Begriffes entsprechend klargestellt ist. Aber glaubet mir, hinter dem Honig lauert das Gift. 2492 Der Engel Satans hat sich in einen Engel des Lichts verwandelt. 2493 Sie deuten das Wort Hypostase ganz richtig. Sage ich aber, daß ich mit ihnen übereinstimme, dann stempeln sie mich zum Irrlehrer. Warum halten sie denn so ängstlich gerade an diesem einen Worte fest? Was versteckt sich hinter ihrer zweideutigen Redeweise? Wenn ihr Glaube mit der Erklärung, die sie geben, übereinstimmt, dann mache ich ihnen wegen ihrer Meinung weiter keinen Vorwurf. Wenn aber mein Glaube mit ihrer angeblichen Auffassung übereinstimmt, dann mögen sie auch mir das Recht zugestehen, das, was sie glauben, mit meinen Worten auszudrücken.
5.
Deshalb bitte ich beim Gekreuzigten, dem Heiland der Welt, bei der gleichwesentlichen Dreieinigkeit Deine Heiligkeit um eine briefliche Entscheidung, ob ich mich an mehrere Hypostasen halten soll oder nicht. Damit aber der Bote bei der Abgeschiedenheit meines Aufenthaltes nicht etwa das Ziel verfehle, so wollest Du Deinen Brief an den Priester Evagrius, 2494 der Dir ja bestens bekannt ist, leiten! Kläre mich auch darüber auf, mit wem ich in der Umgegend von Antiochia kirchliche Gemeinschaft pflegen soll. Denn die Campenser, welche sich mit den häretischen Tarsensern 2495 zusammengetan haben, gehen nur darauf aus, unter mißbräuchlicher Ausnutzung der mit Dir unterhaltenen kirchlichen Gemeinschaft drei Hypostasen im althergebrachten Sinne zu lehren. 2496