Читать книгу Ausgewählte Briefe, Band 2 - Sophronius Eusebius Hieronmyus - Страница 50

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45. An Asella

Einleitung

„Im August, als die Herbstwinde wehten, bestieg ich mit dem heiligen Priester Vincentius, meinem jüngeren Bruder, und einigen Mönchen, die jetzt zu Jerusalem weilen, im römischen Hafen unangefochten ein Schiff. Eine überaus große Zahl frommer Personen gab mir hierbei das Geleit.“ So schreibt Hieronymus in seiner Verteidigungsschrift gegen Rufin. 2570 Diese an sich nüchternen Worte stellen einen Markstein auf in der Geschichte unseres Heiligen. Jenseits steht der mächtige Freund und Berater des Papstes Damasus, der einflußreiche Verfechter der monastischen Idee im lebenslustigen Rom, diesseits der Einsiedler von Bethlehem. Der Abschied von Rom war nicht freiwillig. Die aszetische Richtung hatte in der Hauptstadt, auch in weiten Kreisen der Geistlichkeit, ihre Gegner, mochten sie nun die Bewegung als eine ungesunde Schwärmerei ansehen, oder mochten sie sich durch sie in ihrer weltmännischen Einstellung beengt fühlen. So lange Papst Damasus, der dem aszetischen Kreise wohlgesinnt war, 2571 noch lebte, wagten sich die Widerstände nur schüchtern und vereinzelt hervor. Dock kaum hatte er im Dezember 384 die Augen für immer geschlossen, da setzte die Hetze ein. Man scheute selbst nicht vor den gemeinsten Verleumdungen zurück, welche die sittliche Lebensführung unseres Heiligen und angesehener Frauen des monastischen Kreises in den Kot zogen. Am neuen Papste Siricius scheinen die Angegriffenen keine Stütze gehabt zu haben. 2572 Noch kein Jahr war vergangen, da mußte Hieronymus schweren Herzens als der Unterlegene das Kampffeld räumen und fast fluchtartig „Babylon“ mit „Jerusalem“ vertauschen. Freilich seine Gemeinde war ihm auch in der schwersten Stunde seines Lebens treu geblieben, wenn sie auch nicht vollzählig zum Abschied nach Ostia gekommen war. Zu den Fehlenden gehörte auch Asella, der Hieronymus einst in einem Briefe an Marcella ein herrliches literarisches Denkmal gesetzt hatte. 2573 Sie gehörte der älteren aszetischen Generation an, deren geistiger Vater der hl. Athanasius, der erste Apostel der mönchischen Idee in Rom, in den Tagen seiner Verbannung wurde. In besonderer Weise muß sie sich ihres verleumdeten geistlichen Freundes angenommen haben, und dafür dankt ihr Hieronymus im vorliegenden Briefe. Noch einmal hält er scharfe Abrechnung mit seinen Gegnern, um dann von Asella und den ihr besonders nahestehenden Frauen des frommen Zirkels Abschied zu nehmen, wohl ahnend, daß er die Ewige Stadt nie wieder sehen würde.

Da der Brief vom Schiffe aus zu Ostia geschrieben wurde, ist er in den August des Jahres 385 zu verlegen.

Zu bemerken wäre wohl noch, daß mancher Hieronymusbiograph, der unseren Heiligen zu sehr mit dem Auge seiner Gegner sieht, allen Anlaß hätte, sich zu fragen, ob nicht die Einstellung einer Asella und der zahlreichen anderen frommen Frauen bei der Beurteilung des Charakters viel wuchtiger in die Waagschale fallen müßte.

1.

Es wäre verwegen von mir, zu glauben, daß ich Dir den gebührenden Dank abstatten könnte. Aber Gott vermag Deiner heiligen Seele zu vergelten, was sie um meine Person verdient hat. Denn ich Unwürdiger konnte weder erwarten noch den Wunsch aussprechen, daß Du mir in Christus eine solche Anhänglichkeit bewahrtest. Mögen mich einige für einen Bösewicht halten, fähig aller Schandtaten, dann ist diese Strafe, gemessen an meinen Sünden, gering. Du aber hast edel gehandelt; denn Deine vornehme Gesinnung hält selbst den Schlechten für gut. Es ist eine gefährliche Sache, über eines anderen Knecht zu Gericht zu sitzen; 2574 und wer die guten Taten anderer schlecht macht, findet nicht leicht Verzeihung. Es wird der Tag kommen, bestimmt wird er kommen, 2575 an dem Du mit mir voller Schmerz feststellen mußt, daß nicht wenige dieserhalb in der Hölle brennen werden.

2.

Also ich bin ein lasterhafter Mensch, ich bin ein gerissener Heuchler und Betrüger; ich bin ein Lügner und arbeite mit teuflischem Blendwerk. Was ist nun klüger, solche Dinge von Unschuldigen zu glauben, viel leicht gar über sie zu erdichten, oder solche Anklagen zurückzuweisen, selbst wenn es sich um einen schuldhaften Menschen handelt? Manche küßten mir die Hände, aber ihre Natterzunge erging sich in Verleumdungen gegen mich. Ihre Lippen sprachen Worte des Bedauerns, im Innern freilich waren sie voller Freude. Aber der Herr sah sie und spottete ihrer; 2576 und mich seinen armen Knecht, hat er zusammen mit ihnen einem zukünftigen Gerichte vorbehalten. 2577 Der eine tadelte meinen Gang und mein Lachen, ein anderer hatte etwas an meinem Gesichtsausdruck auszusetzen, eine dritte verdächtigte meine einfache Lebenshaltung. — Beinahe drei Jahre habe ich mit ihnen 2578 zusammen gelebt. Gar manches Mal hat sich eine größere Anzahl von Jungfrauen um mich versammelt. Des öfteren erklärte ich einigen aus ihnen, so gut ich es vermochte, die göttlichen Bücher. Die gemeinsame Lesung führte zu wiederholtem Zusammensein, und daraus entwickelte sich ein engeres Freundschafts- und Vertrauensverhältnis. Haben sie etwa an mir etwas bemerkt, was sich für einen Christen nicht geziemt, dann heraus mit der Sprache! Habe ich von jemandem Geld angenommen? War ich auf kleinere oder größere Geschenke erpicht? Klang in meiner Hand anderer Leute Gold oder Silber? Habe ich zweideutige Reden geführt, meinen Blick frech umherschweifen lassen? Das einzige, was man mir vorwirft, ist, daß ich ein Mann bin, und das tut man auch erst jetzt, wo Paula sich zur Reise nach Jerusalem rüstet. 2579 Ich kann verstehen, daß meine Gegner einem Lügner glaubten. Aber warum wollen sie ihm jetzt nicht glauben, wo er widerruft? Es ist doch der gleiche Mensch, der er früher war. Er legt für meine Unschuld Zeugnis ab, nachdem er mich früher angeklagt hat. Sicher redet einer, der von Qualen gefoltert wird, eher die Wahrheit als einer, der in lustiger Gesellschaft weilt. 2580 Aber man glaubt ja allzu leicht, was erfunden wird, weil man es gerne hört. Und ist es noch nicht erfunden, dann bohrt man so lange, bis die Verleumdung glücklich da ist.

3.

Ehe ich das Haus der heiligen Paula kennenlernte, war ganz Rom meines Lobes voll. Fast allgemein hielt man mich des höchsten geistlichen Amtes würdig. Der selige Papst Damasus tat nichts ohne mich. Man pries mich als heilig, demütig und redegewandt. Ja, habe ich denn das Haus einer Lebedame besucht? Trug ich seidene Kleider und funkelnde Edelsteine? Schminkte ich mein Gesicht? War ich dem Goldhunger verfallen? — Keine unter den römischen Frauen konnte mein Herz erobern. Nur sie soll es erreicht haben, die ein Leben der Buße und Abtötung führte und nur Nonnenkleidung trug, deren Augen vom vielen Weinen beinahe erblindet waren? Sie, die ganze Nächte hindurch Gottes Barmherzigkeit herabflehte und hierbei des kommenden Tageslichtes kaum gewahr wurde? Sie, deren Lied die Psalmen, deren Wort das Evangelium, deren Freude die Enthaltsamkeit und deren Leben Fasten war? Keine andere konnte mir Interesse abgewinnen als ausgerechnet Paula, die ich nicht ein einziges Mal essen sah? Als ich sie wegen ihrer Hochschätzung der Keuschheit zu achten, zu schätzen und zu verehren anfing, da sind mit einem Mal sämtliche Tugenden von mir gewichen?

4.

O du häßlicher Neid, der du dich selbst zuerst zerfleischest! O du abscheuliche Teufelslist, die du stets das Heilige verfolgst! Unter allen römischen Frauen wurden allein Paula und Melanium 2581 Zielscheibe des Klatsches, die ihr Vermögen hingaben und ihre Kinder verließen, um das Kreuz des Herrn wie ein Bannerzeichen ihrer frommen Gesinnung aufzupflanzen. Wenn sie Bajae 2582 besucht, auf die Wahl ihrer Parfüms viel Zeit verwendet, wenn sie Reichtum und Witwenstand zu einer üppigen und zügellosen Lebensführung ausgenutzt hätten, dann wären sie vornehme Damen und Heilige. Jetzt heißt es; Bußsack und Asche 2583 sollen nur ihre Schönheit hervorheben; mitsamt ihrem Fasten und der Vernachlässigung ihres äußeren Menschen steigen sie ins Feuer der Hölle hinab. Als ob es nicht bequemer wäre, sich vom Volke beweihräuchern zu lassen und mit der großen Menge ins ewige Verderben zu gehen! Wenn es noch Heiden wären, die an ihrem Leben herumnörgelten, oder Juden, dann hätten sie wenigstens den Trost, denen zu mißfallen, denen auch Christus missfällt. Jetzt aber, wie abscheulich, sind es Christenmenschen, die, anstatt sich um ihre Angelegenheiten zu kümmern, den Balken im eigenen Auge übersehen, dafür aber um so eifriger den Splitter im Auge des Nächsten suchen. 2584 Sie lästern den heiligen Entschluß und meinen, für die Strafe, die ihrer harrt, darin eine Beruhigung zu finden, daß keiner heilig sein soll, daß man alle schlecht macht, daß man die Zahl der Verdammten und die Menge der Sünder als recht groß hinstellt.

5.

Ihr legt Wert darauf, täglich zu baden; ein anderer sieht in dieser Art Reinlichkeit Schmutz. 2585 Ihr rülpst auf ein verzehrtes Haselhuhn hin auf und rühmt euch des genossenen Störes; ich stille meinen Hunger mit Bohnen. Andere fühlen sich wohl unter einer Herde von Lachern, Paula und Melanium unter einer Schar von Klagenden. Euch gelüstet es nach fremdem Besitz; sie haben ihr Eigentum verlassen. Ihr erquickt euch an mit Honig gesüßten Weinen; sie trinken mit größerem Genuß frisches Wasser. Euch gilt als verloren, was ihr in diesem Leben nicht genießet, verzehret und verprasset; sie streben nach zukünftigen Gütern und richten sich nach den Worten der Schrift. Gesetzt den Fall, sie, die von der Auferstehung des Fleisches überzeugt sind, handeln töricht und albern, was geht das euch an? Auf der anderen Seite erregt euer Leben unser Mißfallen. Mag es euch gefallen, wohlbeleibt zu sein; ich ziehe ein hageres und blasses Gesicht vor. Ihr mögt uns für bemitleidenswert halten; ihr seid es in unseren Augen noch viel mehr. So wird Gleiches mit Gleichem vergolten, 2586 und wir halten uns gegenseitig für Narren.

6.

Diese Zeilen, verehrte Asella, schreibe ich an Bord des Schiffes unter Tränen und voller Herzeleid. Meinem Gotte aber danke ich dafür, daß er mich für würdig erachtete, von der Welt verstoßen zu werden. 2587 Bitte für mich, daß ich aus Babylon nach Jerusalem zurückkehre, damit nicht Nabuchodonosor, 2588 sondern Jesus, des Josedek Sohn, über mir herrsche. 2589 Esdras, d.h. der Helfer, möge kommen und mich in mein Vaterland zurückführen! 2590 Wie töricht war ich, daß ich in fremdem Lande des Herrn Lied singen wollte, 2591 daß ich den Berg Sion verließ und in Ägypten Hilfe suchte! 2592 Ich vergaß das Evangelium, das erzählt, wie der, welcher Jerusalem verläßt, unter die Räuber fällt, ausgeplündert, mißhandelt, ja selbst getötet wird. Mögen mich auch der Priester und der Levit enttäuschen, so bleibt mir doch die Barmherzigkeit des Samaritans, 2593 zu dem man gesagt hat: „Ein Samaritan bist du und hast einen Teufel.“ 2594 Den Teufel hat er nicht auf sich sitzen lassen, aber gegen die Bezeichnung „Samaritan“ wehrte er sich nicht. Denn das hebräische Wort Samaritan bedeutet dasselbe wie unser Wort „Wächter“. 2595 Manche plappern daher, ich sei ein Zauberer. Mit diesem Titel als Beweis meines Glaubens erkläre ich mich als Christi Knecht einverstanden, haben die Juden ja auch meinen Herrn einen Zauberer gescholten. 2596 Auch der Apostel wurde Verführer genannt. 2597 Schließlich kommt ja keine Versuchung über mich, es sei denn eine menschlich erträgliche. 2598 Wie klein bleibt immer noch mein Anteil am Leiden, der ich im Dienste des Kreuzes kämpfe! Man hat meinen guten Ruf durch böswillige Verleumdung gefährdet. Aber ich weiß, daß man in den Himmel eingehen kann, einerlei, ob das Urteil der Menge gut oder schlecht lautet. 2599

7.

Grüße Paula und Eustochium, die in Christo die Meinigen sind, mag es der Welt passen oder nicht! Grüße Deine Mutter Albina, die Schwestern Marcella, 2600 auch Marcellina 2601 und die fromme Felicitas! 2602 Sage ihnen: „Wir alle werden einmal zusammen vor dem Richterstuhl Christi stehen.“ 2603 Da wird klar werden, wie jeder gelebt hat. Gedenke mein, Du Vorbild der Reinheit, Du Zierde der Jungfrauen! Besänftige durch Dein Gebet des Meeres Fluten!

Ausgewählte Briefe, Band 2

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